Manafonistas

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2018 7 Mrz

Jazz, A bis Z – Jingle Bells

von: Hans-Dieter Klinger Filed under: Blog | TB | Tags:  2 Comments

Für mich bleibt das schlechteste Musikstück der Welt „Jingle Bells“
(Wolfram Gekeler)

„Jingle Bells“ hat vor circa 2 Jahrzehnten eine marginale Rolle für mich gespielt. Das kam so: Ein ehemaliger Schüler leistete nach dem Abitur Sozialdienst im Krankenhaus Kronach. Der Chefarzt der Abteilung kannte ihn als Gitarristen der Voodoo Shakers, deren einziges Album – man glaubt es kaum – bei Spotify, Qobuz, Amazon und wer weiß wo noch kaum beachtet auf Hörer wartet. Weihnachten stand bevor, und der Arzt bat Chris, er möge doch die Weihnachtsfeier mit seinem Guitarspiel verschönern. Nun, Solospiel ist eine schwere und einsame Aufgabe. Chris suchte Helfer und sammelte auch mich ein. Schließlich waren wir ein Quartet und hatten dem Anlass gehorchend einige Weihnachtslieder im Programm, ausschließlich dieses anglo-amerikanische Zeug, dem ich nicht viel abgewinnen kann.

Hätte ich schon damals Wolframs Verdikt von „Jingle Bells“ vernommen, ich hätte sicherlich zugestimmt. Im vergangenen Jahr ist mir folgende Aussage in die Quere gekommen.

 

Der Spruch, es gäbe nur zwei Arten von Musik, gute und schlechte, ist Unfug.
(Josef Bulva)

Der Spruch ist mir geläufig, ich habe ihn aus dem Munde meines Violinprofessors an der Musikhochschule München vernommen, ich war gewissermaßen ein Anhänger dieser Auffassung, für mich war klar: Messiaens „Vingt Regards sur l’enfant-Jésus“ sind bessere Musik als der ganze anglo-amerikanische Weihnachts-Klingklang. Josef Bulvas Satz empfand ich als provokant, aber auch irgendwie sympathisch, weil er meine längst betonharte Meinung bröselig machte. Das schaffte der oben zitierte Satz nicht allein, sondern auch jene, die ihn begleiten, weshalb es nicht schadet, Bulvas Gedanken hier nachzulesen.
 
 
 
     
 
 
 

Unter den Jazzern diesseits meines Klanghorizontes, die „Jingle Bells“ überhaupt anfassen, finde ich nur Carla Bley. Ihr vertraue ich blind, ihre Musik hat mich nie enttäuscht. Ich war gespannt, wie „Jingle Bells“ – welches übrigens gar kein Weihnachtslied ist – auf ihrem 2009 veröffentlichten Album „Carla’s Christmas Carols“ zubereitet wird. Nach dem heiter-ernsten „Jesus Maria“ (für mich eine der schönsten Kompositionen Carlas) erklingt ein skurriles „Jingle Bells“, wie vom Dorfmusikantenquintett aus Kingston gespielt. Richtig gute Musik.

Jetzt, wo doch längst alle Schokoladenweihnachtsmänner zu Osterhasen umgegossen sind, ist mir das anglo-amerikanische Weihnachtslied „Santa Claus is Coming to Town“ zu Ohren gekommen. Gänsehaut läuft mir über den Rücken – das hätte ich (früher) diesem Song nicht zugetraut. Aber wenn es mit derart hinreißendem Groove, bar jeder Routine gespielt wird, dann ist es allerbeste Musik. Zu hören auf diesem am 2. März erschienenen Album.
 
 
 
     
 
 
 

Der Spruch, es gäbe nur zwei Arten von Brettspielen, gute und schlechte, ist Unfug. Ist Schach das bessere, ist Mensch ärgere dich nicht das schlechtere Spiel? Bestimmt würden nicht Wenige das so sehen. Es ist vielmehr so: Schach ist ein um Größenordnungen komplexeres Spiel als Mensch ärgere dich nicht.

Der Spruch, es gäbe nur zwei Typen von Sportarten, gute und schlechte, ist Unfug. Ist Fußball die bessere, Biathlon die schlechtere Sportart? Nein, Fußball ist einfach um Größenordnungen komplexer als Biathlon.

Allerdings: man kann richtig schlecht Fußball spielen.

This entry was posted on Mittwoch, 7. März 2018 and is filed under "Blog". You can follow any responses to this entry with RSS 2.0. Both comments and pings are currently closed.

2 Comments

  1. Jan Reetze:

    An „Jingle Bells“ hat er sich ja gluecklicherweise nicht vergriffen, der Schlingel, aber was er mit seinen Crystals aus „Santa Claus Is Coming To Town“ gemacht hat, das hat schon was:

    https://www.youtube.com/watch?v=B3zudVvBEB4

    Frohe Ostern!

  2. Rosato:

    Ich melde mich aus einem der manafonen Paralleluniversen. Es geht hier gar nicht um „Jingle Bells“ – oder doch? Geht es um Weihnachtslieder? Ja irgendwie schon, aber eigentlich auch nicht. Manchmal denke ich, dass Carla und Keith mir den Anstoß zum Schreiben gegeben haben. In unregelmäßigen Abständen geht mir die Sache mit guter bzw. schlechter Musik durch den Kopf. Das könnte der Hauptimpuls gewesen sein. „Tea for Two“ hätte auch ganz gut hinein gepasst.

    Gestern Abend sprach Nau Ra aus einem parallelen Universum zu mir. dies waren seine Worte:

    Letztlich ist es im Jazz gleichgültig, was man singt. Es kommt auf das Wie an. Zur Not kann man auch Kochbücher zum Swingen bringen.

    Wer mit Mäusen oder Touch Pads umgehen kann, wird ihn zum Sprechen bringen. Was er sagt, macht meinen Jingle-Bells-Artikel überflüssig. Dass Michael Nauras Anthologie den Titel „Jazz von A – Z“ führt, ist mir ein wenig unangenehm, habe ich doch hier eine Reihe nahezu gleichen Titels angezettelt. Das geschah aber deutlich bevor die Naura-Anthologie erschienen ist. Begonnen hat es bei mir mit einem Jazz-A-bis-Z für meine Kids und für Freunde, das ich ganz privat auf CDs eröffnet habe. Meinen Kids werde ich jetzt die Naura-Edition schenken.


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