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Archives: Handwerk

2018 25 Aug

Pirsig reloaded

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Die Dinge, die wir am besten kennen, sind jene, mit denen wir uns in beständiger Praxis auseinandersetzen. Von Heidegger stammt die berühmte Feststellung, dass wir einen Hammer nicht begreifen, indem wir ihn anstarren, sondern indem wir ihn in die Hand nehmen und mit ihm hämmern.

(Matthew B. Crawford)

 

Dass man den Robert M. Pirsig nun endlich ruhen lassen möge mitsamt allem Zen und der Kunst, ein Motorrad zu warten, hörte ich desöfteren von intelligenten Zeitgenossen. Aber der Wille trotzt: das Ich ist nicht Herr im Haus des Cogito und so wünscht der reflexive Verstand, der immer wieder gerne auf richtungsweisende Einflussnahmen der Vergangenheit zurückgreift, dass jenes geniale Buch über Philosophie, Selbstsuche und die phänomenologische Definition von Qualität regelmässig auferstehe im Geiste. Es ist nämlich so, dass jene aufgezeigte Dichotonomie von romantischer und klassischer Weltanschauung immer noch brandaktuell ist, beispielsweise hinsichtlich eines denkwürdigen Wechselspiels von Betrachtung und Operation. In dem Moment, wo man zu handeln beginnt („Handwerk“), ändert sich nämlich jene Sichtweise, die etwas als absolut, gegeben, unverrückbar und unantastbar annimmt. Ich kann einen störenden Fleck auf der Tapete ewiglang ehrfurchtsvoll anschauen, doch eines fernen Tages dann im Jahre 2084 putze ich ihn einfach weg.

 

2015 10 Jul

Siesta

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„The heat was hot and the ground was dry …“ (Amerika)

Erschöpft von der Hitze liess er sich auf die Matraze fallen und fischte wahllos ein Buch aus dem Stapel, das rechts neben dem Bett aufgetürmt war. Das Bücherregal hatte er leergeräumt, um es zu säubern, zu entstauben und an ihm jenen Ritus zu vollziehen, der seit ehedem das Sahnehäubchen der Veredelung von Möbelstücken war und gewisse Heilkraft besass: dem Überziehen von unbehandeltem Naturholz mit einer Leinölfirnis.

Der Duft dieses Öles glich jenem Duft der Zeit, den Philosoph Byung-Chul Han beschrieb in einem Buch, das zu dessen schönsten gehörte. Jener Geruch auch, den er wahrnahm, wenn er zu Studienzeiten die Arbeitsräume der Kunsthochschule betrat oder heute noch zuweilen beim Besuch von befreundeten Künstlern in ihren Ateliers.

Es war nicht der Akt des Malens – er selbst sah sein Scheitern als bildender Künstler auch darin begründet, dass er beim Fertigen einer Zeichnung oder eines Bildes nie zu einem befriedigenden Abschluss gekommen war, ganz anders als etwa beim Schreiben, Musizieren, Handwerken oder Wandern – sondern eben diese von Dammarharz und Leinöl getränkte Atmosphäre, die ihn selbst stets faszinierte und ihm ein Gefühl von Heimat gab.

Jetzt also plötzlich diese Temperaturen. Der Vorsatz, das Regal wieder einzuräumen, verflüchtigte sich wie eine Fata Morgana in der Wüste, verschwand vollends am Horizont. „Eigentlich sogar zu heiss, um zu lesen!“ ächzten seine Restgedanken bei vierzig Grad im Schatten. Es war dann ein Taschenbuch neueren Datums, das er aus dem Stapel fischte wie ein Mikadostäbchen.

Ein senkrecht, fast phallisch aufragender Kreuzschraubenzieher mit limettengrünem Griff („Erfrischung jetzt! Kühles Wasser mit Zitrone!“) auf schwarzem Grund zierte das Cover, kursiv darüber der Titel in den Farben hellblau, rot, gelb, orange und pink. Er erinnerte sich an dieses Gespräch mit S beim Morgenkaffee kurz vor Beginn des Seminartages und musste schmunzeln: S war als überzeugte Zeugin Jehovas zwar nicht frei von nervtötendem missionarischem Eifer gewesen, dafür aber erstaunlich sympathisch und witzig.

Hinzu kam, sie hörte Lieder von Peter Gabriel und von einer Band, die namenlose Pferde besang und sich nach einem Kontinent benannt hatte. „Haha, also nicht ich glaube, sondern ich schraube …?“, lachte sie. Ja, genau das war der Titels jenes Buches, von dem er damals schwärmte und das er jetzt in seinen Händen hielt.

Er schlug, wiederum nach dem Mikadoprinzip, wahllos eine Seite auf, begann zu lesen und war sofort drin. „Das ist es!“ dachten Rest- und Randgedanken zu dem Phänomen, dass etwas plötzlich interessant wird. Man liest, hört oder sieht etwas und weiss sofort, dass es gut ist (bei Filmen etwa reichte ihm eine kurze Anfangssequenz). Der Autor Matthew Crawford machte glaubhaft, zu wissen, wovon er schrieb: vom Zusammenhang geistiger Höhenkletterei mit der Notwendigkeit handwerklichen Verständnisses und Geschickes.

Wohlig liess er sich in die Lektüre fallen. „Ist nicht ein leinölbehandeltes, selbst gebautes Buchregal, wenn es denn erst wieder bestückt ist, das perfekte Bild für die Einheit von Bildung und Handwerk?“ Wieder so ein Randgedanke, der in der Mittagshitze schwirrte.
 
 
 

 


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