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Archives: A Short Diary

 


Die liedhaften, andeutungsweise hymnischen, Kompositionen diese aussergewöhnlichen Albums entstanden sehr kurz nach dem Tod des Vaters und Lyrikers Gerard Rochford, in heimischer Umgebung. Man kennt Rochford von seiner Gruppe Polar Bear (deren bestes Album in der Mohave-Wüste entstand), von den jungen, wilden Sons Of Kemet und dem ultramelodiösen Trio Libero. Hier nun
 wollte er den Sound  seiner Kindheit und Jugend einfangen – und Trost finden zugleich. Etwas wachrufen. 

Bei den fünf Stufen der Trauerarbeit ist die Akezptanz nach Kübler-Ross die abschliessende fünfte. In einer Besprechung des Albums bringt Oliver Coates die „sechste Stufe“ der Trauerarbeit ins Spiel, und zitiert diese „Ergänzung“ von David Kessler: „Meaning“. Rochford und Downes seien noch nicht ganz bereit, nach dem Sinn zu suchen, schreibt Coates. Stattdessen „sässen sie in trauter Zweisamkeit zusammen, an dem Ort, an dem die Abwesenheit am stärksten zu spüren ist.“ Als wären sie noch nicht bereit,  im Prozess der Überwindung der Krise neue Einsichten zu gewinnen, und dadurch ihr Leben reicher zu machen. Eine psxhologische Prozessbeschreibung einem Kunstwerk überzustülpen, ist oft genug ein wenig platt, und in diesem Fall darüberhinaus deplatziert.

Die „Bedeutung“ liegt doch gerade im  schöpferischen Akt des Erinnerns. Die Haus der Kindheit erhält seine Dämmerung, seine alten  Schwingungen gleichsam gespiegelt und verwandelt zurück. Mehr „meaning“ geht nicht. In diesem Sinne ist „A Short Diary“ eindringlich-elementare Musik, welche man zwei anderen aussergewöhnlichen „home recordings“ des Labels ECM an die Seite stellen kann, den Solo-Piano-Werken „At Home“ von Misha Alperin, und „The Melody At Night With You“ von Keith Jarrett. Alle drei Werke belegen eine von jedem Überschwang befreite Innerlichkeit.

P.S. – … und, a propos „meaning“ – „Bedeutung“, schreibt ein Mr. Harris die perfekte Ergänzung: „The tracks feel unhurried but concise enough not to be just drifting along, and as a meditation on memory / mortality it works at a high level in its efforts to convert sound into meaning.“

 

 

Das Piano ist ein ganz spezielles Instrument für mich. Es ist das erste Instrument, das ich lernte, und mein Vater und meine Mutter waren verliebt in den Klang. Die Lieblingsmusik meines Vaters waren Glenn Goulds Bach-Interpretationen, und für meine Mutter überwiegend Bill Evans, Keith Jarrett und Nina Simone. Ich wuchs auf mit dem Klang des Pianos, meine Eltern spielten darauf, und obwohl ich bislang nie Musik für ein Klavier geschrieben hatte, war mir dieser Sound des „Zuhause-Seins“ unheimlich vertraut.

Was das „Drumming betrifft, gab ich mir die Freiheit zu spielen oder nicht zu spielen, je nachdem was das jeweilige Stück verlangte. Im wesentlichen sollte es eine Art Solo-Piano-Album sein, mit unserem alten Hausklavier, und ein paar Spuren des Schlagwerks. Eines meiner Lieblingsalben – auch da spielt der Raum eine besondere Rolle – ist Thelonious Monks „Alone In San Francisco“. Mich störte die Idee nicht im geringsten, für diese Arbeit nur wenige eigene Klänge aktiv beizusteuern. Mit Kit Downes sprach ich lange über den Umgang mit den Pedalen, und dass die Musik nie über eine bestimmte Dynamik hinausgehen sollte, um idealerweise  in einer besonderen Schwingungszone zu verweilen. 

Das Stück „This Tune Your Ears Will Never Hear“ war das letzte Stück, das ich schrieb, aber es sollte den Anfang des Albums markieren. Ich sehe das Stück als eine Art Torweg, fast wie eine Begleitung meines Vaters auf seiner nächsten Etappe. Zugleich spielte diese andere Empfindung hinein: wenn du ein Elternteil verlierst, kann es sich anfühlen, als wäre man ein kleines Kind, das in den Abgrund ruft … so there are some lines in the tune that represent that to me.

Obwohl wir geplant hatten, das Album gemeinsam abzumischen, entwickelte es sich so, dass Manfred Eicher die Aufnahmen allein mischte, und im Grunde war es wohl genau das, was ich wollte. Ich war so nah dran an der Musik, und fühlte, dass er sich ihr auf eine Weise annehmen konnte, zu der ich nicht fähig war. Nicht nur technisch, auch aufgrund der fehlenden Aussenansicht. Als ich mir seine Abmischungen anhörte, war es fast so, als würde ich das Album zum ersten Mal hören. Als hätte ich bis dahin gar nicht realisiert, was ich wirklich gemacht hatte. Er brachte alles auf den Punkt und steigerte die Intensität vieler Details. Es erschien mir wie die stärkste Version der Musik.

Was die Raumcharakteristik des Klanges angeht, nun, wir hatten bei den Aufnahmen auch einige Raummikrofone benutzt. Zum Beispiel platzierten wir ein altes ACR-Mikrofon im Kamin, um etwas von der Resonanz des Steins hinter dem Feuerplatz einzufangen. Und das ist ein anderer Aspekt der nachträglichen Bearbeitung von Manfred, dass er dem Sound des Raumes treu blieb, ohne je darin gewesen zu sein.

Und, ja, das Stück „Silver Light“ kam mir in den Sinn, als ich im Hausflur stand … ich erinnere mich daran, wie ich nach meinem Phone greife, und die Treppe hinauf gehe Richtung Schlafzimmer … ich singe in das Phone hinein, die ganze Zeit über, während ich die Treppe hinaufgehe, und die Melodie nimmt im Nu ihre fertige Gestalt an. Ich habe die Aufnahme gespeichert, und wenn ich sie mir anhöre, klingt sie genauso wie auf dem Album. „Silver Light“ repräsentiert für mich den Moment, in dem ich mit meinem Vater zusammen war, als er starb.

 


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