Manafonistas

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Die Skulpturen und Installationen der Künstlerin Ursula Dietze beschäftigen sich ausnahmslos mit dem Menschen – mit dem Menschen, der einen Prozess durchlaufen hat, der ihn geformt, entstellt, verstümmelt oder verfremdet hat. Es sind Menschen in Zuständen, denen sie nicht entkommen können, in Momentaufnahmen eingefroren und dem beobachtenden Auge preisgegeben. Manche Figuren weisen nur noch Elemente des Organischen auf, drohen sich in eine Maschine zu verwandeln, erinnern an Freuds „Prothesengott“. Oder versucht hier der erstarrte Stahl Mensch zu werden, ähnlich wie sich Michelangelos „Sklaven“ dem Gestein zu entwinden suchen, um einen Körper zu bekommen? Eine Frau hält eine Dornenkrone auf dem Schoss … eine Piéta? Wo ist der Leichnam? Um sie herum Gedenksteine – Söhne, die der Krieg verschlungen hat?

 
 

 

 

 
 

Menschen, die ihr Gesicht verloren haben … oder es nicht zeigen wollen? Sie wirken unheimlich … wir können sie nicht einschätzen, sehen sie uns überhaupt? Oder sieht man besonders gut, wenn man seine Sehkraft verloren hat? Kunst wird auch geformt durch den Prozess zwischen Objekt und Betrachter, diesem strömen Informationen zu, die der Künstler in den Prozess hat einfliessen lassen, geronnene Gedanken und Gefühle des Kunstschaffenden, die vom Betrachter wieder decodiert werden müssen.

Frau Dietze arbeitet mit unterschiedlich formbaren Materialien – Metall, Erde, Ton, Wachs … die miteinander in Interaktion treten und ein Ganzes ergeben, so wie das Harte und das Weiche das Leben formt und durchdringt. Erstarrte Gesichter blicken ins Nirgendwo, umgeben von Worten, die aus ihren Zusammenhängen gerissen worden sind, die Verständigung ist zusammengebrochen.

 
 

 
 

 
 

„Wenn mancher Mann wüsste, was mancher Mann wär“ – dazu müsste er ihn aber anblicken, ansonsten fragmentieren sich die Sätze und verlieren sich. Eine rudimentäre Gestalt hinter einer Kombination von Zielscheibe und Fadenkreuz, die ihn gleichzeitig schützt, ihn aber als Ziel ausweist – eine doppeldeutige Botschaft. Wer sich zu sehr schützt, entlarvt seine Verletzlichkeit. Alles in allem … verwüstete Menschen …

Die Künstlerin ist Ärztin, Psychiaterin; von Verformungen und Entstellungen weiss sie etwas zu erzählen; die Psychiatrie weiss viele Antworten auf Vieles. In ihrer Kunst stellt Frau Dietze die Fragen, die auftauchen, wenn die Wissenschaft alle Antworten gegeben hat. Vor allem: Wie kann man so leben?

 

2024 30 Dez.

Think positive!

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Jo, bist’n Spielverderber! Negativität … lasschmirnichnachsagn … grad sitzich am nächst’n Beitrag un deris nich negativ – jawoll! Un Weihnachtn fernsehn is klasse, binich grad wieder dabei … sum Beispiel! Lernste viel! Gibt schon echt gute Filme, ehrlich, die sin nich negativ! Welt wiese wirklich iss … Genau, Alder …

Un üwerhaupt is Papa der Beste! Sum Beispiel! Wenn der Papa nich da is is der Ehemann der Beste und steht imma hinta seiner Frau. Oder obendrauf …

Wenn der Olle im Lebn nicht su Potte kommt macht die Tochter ebn ne gute Heirat und aufwärts gehts mitm Rest der Mischpoche. Beim erstn Date schwärmen die Mädels dem Mann was von ihrm Pappili vor. Der rennt trotzdem nich wech. Verstehchswarnich … wenn eine schon mit der Zither durch’n Wald rennt … willse da die Hirsche mit erschlagn oder was?

Wenn die Schwester den gleichn Mann will wolln die Mädels den natülich nich mehr. Sollidarität unner Frauen heisst das. Männer ham sowas nich … Wenn Mama auf Besuch kommt geht die schlimmste Leukämie wieder wech, glaub ich sofort …

Die Frau is bei ihr’m Mann gut aufgehoben und wird vor dem Schwiechertiger geschützt! Umgekehrt auch. Das Volk is bei seiner Regierung gut aufgehoben. Herrschern wird immer zugejubelt egal wiese sich aufführn. Aber im Prinzip sinse immer nett so dass su Recht gejubelt wird.

Monarchinnen spucken gern auf Schuhe und meinen die wärn dann sauber. Schwiegermütter hörn auf ihre Söhne. Söhne hörn nich auf ihre Mütter sobald se Schwiegermütter sind, awa auf ihre Fraun.

Länder lassn sich annektiern wenn die Dings…die Monarchin hübsch is … Dann jubelnse..sonst eher nich … Und das Kind is wenichstens auch hübsch! Hatse ihm aber untergeschohm! Is bestimmt vom Graf Andraschi! Aber is ja wurscht …

So läufts! Also alles subber! Un ich bin nich negativ, Bruder … kannse gleich knickn! Ich seh die Welt wiese iss! Hupps! Glühwein is alle. S’einzige was hier negativ is …

Morgn guck ich’n sweiten Teil …

 

 

 

 

(Quelle und Inspiration zu eigener Ausgestaltung: Rosenheim, Würstlbude)

 

 

     

 
 
 

Kafka muss man mögen, um dergleichen Filme durchzustehen – ebenso wie Beckett – und man sollte vor allem eines nicht: ihn interpretieren, auch wenn einem Gymnasiallehrer, Kunstkritiker und Professoren noch so wüst in dieser Richtung zusetzen. Es genügt, die Bilder auf der Leinwand wirken zu lassen – oder die Bilder die beim Lesen vor dem inneren Blick entstehen – jede Interpretation wäre der Versuch einer Bewältigung, bei der wir Sicherheit suchen und das liefe der Absicht des Autors zuwider, dem es nur darum ging, das Unbewältigbare zu beschreiben und ein Leben im Gefühl einer ständigen diffusen Bedrohung darzustellen und auszuhalten; obwohl er nach aussen hin ziemlich gesettelt lebte, schien ihm etwas die Axt an die Wurzel gesetzt zu haben. Seine Geschichten erzählen davon, sind eher Komposition als Narrativ.

Die Erzählung“Der Bau“ beschreibt die Geschichte eines dachsähnlichen Tieres, das vergeblich in seinem umfangreichen Bau Sicherheit sucht, aber immer von nicht zu ortenden Geräuschen beunruhigt wird. In der Verfilmung von J.A. Freydank (D,2014) ist der Dachs ein Mann namens Franz – der furios aufspielende Axel Prahl – der diese Sicherheit, mit seiner Familie in einer düsteren postapokalyptischen Welt lebend sucht – Geborgenheit in einer hermetisch abgesicherten Wohnanlage mit Panzertüren, Kameras, einer Security an der Rezeption und einem unablässig herumreparierenden Hausmeister, der den status quo einer relativen Stabilität und Alltäglichkeit erhalten soll.

Geborgenheit will aber nicht aufkommen, jedes Geräusch erschreckt ihn, es wird immer noch ein Riegel mehr an der Tür angebracht, die Angst vor einem unerwünschten Eindringen beherrscht ihn immer stärker und droht wahnhaft zu werden, bis ihn seine Familie schliesslich verlässt. Die Geräusche verbinden sich zu einer Entität genannt „Das Geräusch“ – das verfolgenden Charakter annimmt. Draussen herrschen Obdachlosigkeit und Kriminalität, auf eine geheimnisvolle Weise scheint die Welt um den „Bau“ herum zusehends zu zerfallen und zu vermüllen, nur die ursprünglichen Strukturen bleiben bestehen und rahmen das Chaos rechtwinklig ein, ohne es aufhalten zu können. Die Kamera filmt meist in Schräglage, alle Linien fallen und stürzen und unterstreichen die Instabilität dieser Lebenssituation, fragil wie das Regal, das er aufbauen möchte und das ständig zusammenbricht, obsolet wie der ganze Lebensentwurf eines zwanghaften Festhaltens. Kubistische Gemälde in Grauweiß und Khaki mit den gnadenlosen Linien eines Feininger, die die Welt in Rechtecke zerteilen. Nichts scheint mehr sicher, Wände werden durchbrochen oder zerfallen und Franz gerät immer tiefer in den Sog seiner gefühlten Bedrohung; wenn das Aussen hier das Abbild einer Seelenwelt ist dann erleben wir hier das Vollbild eines psychotischen Zusammenbruchs – aber Kafka geht ja gerne über das Individualpsychologische hinaus und hin zum Allgemeinmenschlichen, zum Menschen in seiner existenziellen Bedrohtheit und dem der Welt innewohnenden Zerfall. Eine Parabel über die conditio humana?

Oft sieht der Zuschauer das Geschehen von einem erhöhten Standpunkt – eine Kameraführung die einen glauben lässt, man selbst wäre eine Überwachungskamera oder blicke in ein Aquarium mit seltsamen Bewohnern. Die Grenzen zwischen Innen und Aussen verschwimmen zusehends, auch das Haus vermüllt und der Zuschauer weiss bald nicht mehr, wo er den unablässig umherirrenden und monologisierenden Franz noch verorten kann, der inzwischen genauso aussieht wie die, von denen er sich gerne abgrenzen würde. Sein manischer Sprachstrom – teilweise unverständlich, weil nicht an den anderen, sondern an sich selbst gerichtet – begleitet uns bis zum Ende. Eine Glaswand wird zerschlagen – und er ist draussen, läuft an den Lagern und Feuern der Obdachlosen vorbei, der Soundtrack kehrt sich ins Harmonische und Beruhigende mit Anklängen einer keltischen Flöte, signalisiert ein befreiendes Angekommensein, irgendetwas scheint plötzlich gekippt.

 
 
 

 
 

 
 
 

Schliesslich legt Franz sich auf eines der zerlumpten Nachtlager mit den Worten „Aber alles blieb unverändert!“ – eine seltsame Feststellung inmitten eines fortlaufenden Untergangs und seiner Chaosarchitektur. Irgendetwas scheint seine Konstanz bewahrt zu haben. Die Erzählung bzw das Fragment Kafkas endet mit den Worten „Aber alles blieb unverändert, das …“ – offenbar wollte er noch weiterschreiben; Max Brod, der es aufgefunden hatte, setzte hier den Punkt, um die Erzählung veröffentlichen zu können, an diesem Satz haben sich sicher Tausende von Abiturienten und Literaturwissenschaftlern abgearbeitet und vermutlich verfolgte er sie auch nächtens wie das besagte Geräusch, dessen Herkunft Franz ergründen wollte und sie schreckten auf wie dieser und meinten den Sinn gefunden zu haben. Und oft mag es sich entzogen haben wie eine Handvoll Sand. Trotzdem wirkt der Schluss seltsam beruhigend und fast tröstlich – Freedom is just another word for nothing left to lose. Anscheinend kommt der Frieden, wenn man seiner grössten Angst begegnet ist und sich in ihr niederlassen kann. Und jeder Hurrikan hat wohl sein Auge, für den der es zu finden versteht – oder dem nichts anderes übrigbleibt.

 

 

               

 
 
 

Ich liebe es, wenn in der bildenden Kunst Dinge gegeneinandergestellt werden, Polaritäten entstehen, sich eine Spannung aufbaut, aus der dann etwas Drittes entsteht. Eine Art Zeugungsakt in der Kunst und eine Performance, der sich die Münchner Glyptothek bedient, wenn sie Altes und Neues forsch miteinander kombiniert und zwischen ihre alten Griechen und Römer placiert. Moderne Plastiken von Fritz König – in der Formensprache an archaische afrikanische Kunst erinnernd, sich aber auf Themen aus der griechischen Mythologie beziehend sind sparsam – und darum doppelt wirksam – gegeneinandergestellt. Ein Faun und eine Pferdefrau – Hybridwesen zwischen Menschlichkeit und einer noch nicht unterworfenen animalischen Natur – was könnten sie sich zu sagen haben? Lass uns das ausleben, was wir noch an Natur in uns tragen, bevor wir es verlieren! Die Karyatide, die so viel mehr zu tragen hat als einen Balkon – eine ganze Weltkugel. Wie schwer trägt sich’s wohl an der Welt? Wird man sie jemals wieder los? Was passiert mit ihr, wenn sie losgelassen wird? Grüsse an Atlas, der sich bis heute noch nicht getraut hat loszulassen …

 
 
 

               

 
 
 

Ein erstarrte minimalisierte Skulptur betrachtet den schlafenden Faun und den Apoll von Tenea – Wesen voller Formen, Lebensspuren und Lebensfreuden, der Kouros mit einem Lächeln das die Vergänglichkeit transzendiert – ursprünglich sollte er ein Grab bewachen, jetzt lebt er nur noch für sich selbst. Was denken sie wohl, wenn sie sich betrachten? Ikarus, an einer gewaltigen Sonnenscheibe zerschellend neben dem Faun, der das geniessen durfte, an dem jener sich die Flügel verbrannt hat, sie können sicher auch etwas miteinander anfangen.

 
 
 

 
 
 

Vielleicht wäre es ohnehin die beste Art der Kunstbetrachtung, sich am Abend im Museum einsperren zu lassen und zuzuhören wenn die Dinge zu reden beginnen und zu hören was sie sagen. „Und die Welt hebt an zu singen …“ – es sind ohnehin bald die Rauhnächte, in denen um Mitternacht alles lebendig wird, auch die Tiere im Stall und die Püppchen im Kinderzimmer, wie man uns als Kinder erzählte. Und sich alle beschweren, dass man nur über sie spricht und nicht mit ihnen. Und dann manchmal auch wieder ganz froh darüber sind, wenn sie unter sich bleiben können.

 

 

LaBrassBanda Live – Brass Banda & Schuikalier & Tubissimo @ Sziget 2012

 
 

Erfolgreiche Band, alle meinem Heimatort entstammend.

Auch genannt „Die Giftler“, weil sie sich vor jedem Auftritt  Verschiedenes reinpfeifen …

So, jetzt geb ich Ruhe!

 

 

Hubert von Goisern + Alpinkatzen: „Solide Alm“ / „Goaßbeitl-Bauernbuam“ / „Landlertanz“ (live 90er)

 
 

Beitrag zur lauten und leisen Gaudi der verschiedenen Bundesländer

Am besten voll aufdrehen und bis zum Schluss anhören!

Fasten seat belts!

 

 
 

Und wieder ist ein Stück Nachkriegs-Filmgeschichte von uns gegangen: Karin Baal, eine blonde Berliner-Wedding-Prollo-Schönheit mit immer etwas trotzig-maulig herabgezogenen Mundwinkeln. Allein wegen dieser Kellerkeim-Ausstrahlung fand ich den Titel „Deutsche Antwort auf Brigitte Bardot“ nie ganz passend, Bardot passte in jedes Glamourambiente, Baal war die Schönheit der zerbombten Strassen, Hinterhöfe und miefigen Treppenhäuser, denen sie auch entstammte. Bardot war nie „eine von uns“, Baal schaffte es in jedem Film, uns nahezukommen. Bardot konnte man anbeten, Baal und ihre Aura von Verlorenheit vermittelte uns immer das Gefühl, man könnte sich jederzeit prima zusammen mit ihr am Tresen ausheulen. Als „Halbstarke“ durfte sie Horst Buchholz küssen – was wir ihr damals nie verziehen haben. Man nannte sie auch „die Queen des deutschen Erbsuppenkinos“. Später spielte sie bei Fassbinder, Wenders, Hauff und Margarethe von Trotta. Die Liste der Filme und Fernsehsendungen ist umfangreich, trotz häufiger Einbrüche aufgrund ihrer Alkoholabhängigkeit, aus der sie nie ein Hehl machte. Eine zutiefst ehrliche Frau, die auch ihr Gesicht im Alter behalten wollte.

Die gebürtige Weddingerin starb am 26.11. mit 84 Jahren in ihrem geliebten Berlin. Tschö, Karin und mach et jut! Falls im Himmel gefilmt wird und man einen gefallenen Engel braucht, bist Du genau die Richtige!

 

2024 3 Dez.

R I P

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Man nannte sie „die Muse Buñuels“ und die „letzte Diva des spanischsprachigen Kinos“. Silvia Pinal, die immer aussah, als wäre sie in Schweden und nicht in Mexiko geboren und auch im Spiel eher zurückgenommen, als explosiv agierte und oft den ruhenden und gefestigten Pol in einem chaotischen Geschehen verkörperte, ist am 28.11. im Alter von 93 Jahren verstorben.

Sie erfreute uns mit ihrem Anblick und ihrem tiefgründigen Spiel vor allem in Viridiana, Der Würgeengel und Simón del Desierto von Luis Buñuel und stand bis zuletzt im Rampenlicht, drehte Fernsehserien, wandte sich der Politik zu und war Kongressabgeordnete für eine progressive mexikanische Partei; dazu 4 Ehemänner und 4 Kinder, was auch eine Leistung ist. Fotos aus späteren Zeiten sieht man sich besser nicht an – sie vertraute wohl eher Chirurgenskalpellen als ihrer Fähigkeit in Schönheit zu altern.

Adiòs … und der Himmel hat einen blonden Engel mehr!

 

 
 

 
 

Konklave (USA, GB) 2024 von Edward Berger

nach einem Roman von Robert Harris (2016)

 

Es hätte so schön sein können – und so herrlich boshaft. Ein Film über den Inner Circle der katholischen Kirche, der Ablauf eines Conclaves, der hermetisch abgeschlossenen Versammlung von Kardinälen zur Wahl des neuen Papstes – vom Eintrudeln der Herren aus allen Ecken der Welt – ein bombastischer Ansturm rotgewandeter, vor sich hin welkender Männlichkeit, in die ebenfalls intrauterin anmutende rot ausgekleidete Sixtinische Kapelle und deren Nebenräumlichkeiten – bis am Ende zum weissen Rauch am Petersplatz.

 
 

 
 

 
 

Ansichten einer prätentiösen Innenwelt, das Aussen ausschliessend und damit auch die Kirche mit ihren Ritualen und Denkgebäuden symbolisierend, die längst wie ein herrenloses Boot von allem wegtreibt, was mit realem Leben zu tun hat. Amüsant zu sehen ist, wie es in der Kardinalshorde zu menscheln beginnt, wie sich Ränkespiele, Verfehlungen und Bespitzelungen in das Sacrosanctum einschleichen, sich das Ferngehaltene und seine verpönten Triebregungen und Intrigen unaufhaltsam „besudelnd“ ihren Raum im Innen nehmen. Dass Priester sich sexuell betätigen, ist allerdings jetzt nicht überwältigend neu und ein Bombenanschlag auf ein Fenster der Sixtinischen Kapelle scheint doch reichlich unrealistisch, da hätte es spannendere Eröffnungen gegeben wie z B die intransparenten Geldgeschäfte des Vatikan oder den epidemischen Kindesmissbrauch einfliessen zu lassen – aber ein Priesterkind reisst heutzutage wirklich niemand mehr vom Hocker.

Die endgültige Papstwahl gelingt nach langem Getöse schliesslich doch und endlich platzt die Bombe – but no spoilers – mit der man einen spannenden Schluss hätte hinkriegen können, etwa: wie reagiert die Kirche, wenn sich das, was sie für verteufelt hält, endgültig in ihren Reihen festgesetzt hat? Hätte einer sich auf einen Papstmord eingelassen? Dan Brown wäre hier sicher etwas Fetziges und vor allem Kirchenkritisches eingefallen, wenn man ihn nur hinzugezogen hätte. So bleibt es bei gelungenen Tableaus, gekonnt übermittelter klaustrophobischer Atmosphäre, Choreographien in Rot-Weiss, die zwei Stunden an einem vorbeidonnern, ohne einen gross zu berühren und einem Star wie Isabella Rossellini in einer Miniminirolle, die jede andere auch hingekriegt hätte und ansonsten guten schauspielerischen Leistungen.

Und so endet der Film verfrüht und brav mit einer verlaufenen Schildkröte, die wieder zurück in den Teich darf und vermutlich auch etwas symbolisieren soll, was sich mir nicht so recht erschliessen will (verirrtes Lamm und guter Hirte? Was für eine Metaphorik!!) und einer weissen Rauchfahne, die ihrerseits ein treffendes Symbol für den Film darstellt – und vielleicht auch für die Kirche, von der er erzählt: Guter Anfang, aber leider zunehmende Auflösung in Dampfplauderei.

 

 

 

Die Haut in der ich wohne (Spanien, 2011) von Pedro Almodóvar

 

… die passt einem manchmal verdammt schlecht, diese Pelle, als Topos des Spürens, der Lust, der Abgrenzung, der Verletzung, des Schutzes und der Scham, viel mehr als nur eine Folie von aneinanderhängenden Eiweissverbindungen – und ein Thema mit dem der grosse Alte sicher etwas anzufangen wusste beim Aufwachsen als Schwuler im ländlich – katholischen und faschistischen Spanien, da möchte man sicher öfter aus derselbigen fahren und erhofft sich mit einem Wechsel des Körpers auch einen Wechsel unwillkommener oder gesellschaftlich nicht akzeptierter Bedürfnisse. Aber wer kann schon aus seiner Haut?

Den Körper sukzessive in einer quälenden Prozedur durch Hautverpflanzung stückchenweise zu verändern ist auch das Thema dieses Films; die Protagonisten scheinen in ein seltsames sadomasochistisches Beziehungsgeflecht verwoben in dem libidinöse und aggressive Bestrebungen untrennbar verschmolzen scheinen. Ein Chirurg, der sich mit Hauttransplantationen beschäftigt und eine unzerstörbare Variante unser äusseren Begrenzung erschaffen möchte lebt eine Pygmalion – Phantasie aus und transplantiert einer jungen Frau, die er gefangen hält neue Hautschichten offenbar in dem Bestreben eine Gestalt nach seinen Wünschen zu erschaffen, was seine medizinischen Forschungsvorhaben zusehends transzendiert und noch etwas dunklere Hintergründe erahnen lässt die über das Pygmalion-Narrativ weit hinausgehen.

 

 

 

 

Dass dieses Geschöpf zusehends Penelope Cruz ähnelt, die in diesem Film rätselhafterweise nicht mitwirkt, nimmt man schmunzelnd als netten Sidekick zur Kenntnis und hofft dass die beiden inséparables zu dieser Zeit nicht gerade verzofft waren. Aber die platonischen Lieben sind ja bekanntlich die stabilsten …

Der Chirurg – Robert – schnippelt sich also zunehmend die gewünschte Gefährtin zusammen und gerät in einen sich steigernden Zustand von Obsession, während sein Opfer – Vera – offenbar dem Stockholm-Syndrom erliegt, jedenfalls kommt es zu leidenschaftlichen und einvernehmlich anmutenden Liebesszenen. So weit so gut!

Zunächst macht also Almodóvar business as usual – mit leichter Hand und grosser Spielfreude konstruiert und verflicht der Maestro seine Handlungsstränge, mischt die Karten immer wieder neu, zwingt uns Zeitkapseln zu besteigen, ohne uns zu informieren, in welchem Parallelkosmos wir gleich landen werden (zuletzt genossen in Mala educación und Todos sobre mi madre) und wenn wir am Ende glauben, die Zusammenhänge erfasst zu haben … ätsch! Noch ein Joker im Ärmel, der das Spiel noch einmal wendet und neues Sortieren – das beherrscht keiner besser, da kann sogar ein David Lynch einpacken und Christopher Nolan schafft es zwar, das Publikum zu verwirren, aber nicht, es bei der Stange zu halten und pflegt die fehlende Stringenz kontraproduktiv durch zunehmende Action zu ersetzen. Dafür verzeiht man Almodóvar auch seine Camp-Ästhetik, sein Dauerzugpferd Penelope, die Kopfschmerzen, mit denen wir danach wegen neocortikaler Überanstrengung aus dem Kino taumeln und die Fragezeichen in den Augen derer, denen wir den Film hinterher erklären sollen, obwohl wir ihn selbst nicht verstanden haben, aber gerne so täten, als hätten wir; schliesslich hat der Cineast auch einen Ruf zu verlieren. Aber wenigstens wird’s nie langweilig und mit seinen Filmen ist’s ohnehin wie beim Walzertanzen – sobald man anfängt, auf die Schrittfolgen zu achten, klappt’s nicht mehr, Loslassen und Hingabe ist da eher angesagt.

Was fasziniert an diesem Film ausser dem Herumstolpern in einem bunten Irrgarten in der Hoffnung auf Orientierung und dem Begehren nach einer ebenso kathartischen wie verdaubaren Auflösung? Sicher für’s Erste die Konstruktion einer grandiosen (männlichen?) Omnipotenzphantasie: des Erschaffens eines Objektes, das schlechthin alle Bedürfnisse eines traumatisierten Mannes befriedigt. Robert – so erfahren wir – hat seine Frau verloren, sie trug nach einem Unfall schwere Verbrennungen davon und nahm sich nach einem Blick in den Spiegel das Leben – hier hat seine Kunst versagt, ein Schuldthema. Seine Tochter suizidierte sich nach einer Vergewaltigung.

Das Thema des verlorenen Liebesobjektes beschäftigte A. insbesondere nach dem Tod seiner Mutter 1999, demgemäss ist Sprich mit ihr (2002) ein Film über Trauern und Trauerbewältigung beziehungsweise deren wahnhafte Verleugnung, wenn der Pfleger Benigno mit der im Koma liegenden Alicia eine Beziehung unterhält, als wäre diese im Wachzustand und sie schliesslich schwängert und heiraten will. Auch hier das Bild der aggressiven Bemächtigung eines Körpers zur Abwehr von Trauer und Verlust, ein Ersatz für die verlorene Familie, die Wiedergutmachung zur Tilgung einer Schuld, die omnipotente Phantasie, alles wieder selbst erschaffen zu können, was genommen wurde, ein megalomaner perverser Akt und ein gewaltiges Unternehmen bei dem (Spoiler!) noch hinzukommt, dass es sich bei Vera ursprünglich nicht um eine Frau handelt, sondern um den Vergewaltiger seiner Tochter. Die in dessen Körper eingeschriebene Geschichte, wovon die Vergewaltigung ein Teil ist, wird damit ausgelöscht – ein Akt der Vernichtung und der Rache und durch die real erfolgte Kastration auch der zusätzlichen Demütigung des Täters, eine schlussendliche Täter-Opfer-Umkehr mit der tragischen Variante, dass Robert den Körper, durch den seine Tochter Gewalt erfuhr, zusehends leidenschaftlich begehrt – schräger geht’s eigentlich kaum noch.

In der modernen Privatklinik – einer Weiterentwicklung des Frankenstein-Labors – wird also nicht nur Neues geschaffen und libidinös besetzt, sondern auch alte Traumata gelöscht, bis nichts mehr von ihnen übrig ist, glaubt zumindest der Operateur in seinem Zustand des Konkretismus. Eine derart gebündelte Triebbefriedigung in einem einzigen, wenn auch langwierigen Akt zu erreichen, kann als pervertiertes Kunstwerk gesehen werden. Ein anything-goes, das eine gewisse Art Bewunderung erzeugt – allerdings ist die Rolle mit Antonio Banderas, seines Zeichens Latin Lover und Sympathieträger, etwas ungeschickt besetzt, die aalglatte Kälte und Gefühlsentfremdung will bei ihm nicht so recht in den Zuschauerraum sickern – nicht auszudenken, was ein Christoph Waltz oder Willem Dafoe in dieser Rolle ausgelöst hätte, aber dann würde der Film wohl gänzlich ins Horrorgenre kippen und nicht mehr so gut die Spannung halten zwischen Grusel und einer Studie über die Seelennot eines mad scientist und seinem Modus der Problemlösung.

Am Ende kehrt Vera, die sich befreien konnte, zurück an ihren Arbeitsplatz, einen Kleiderladen (Kleid hier definiert als zweite Haut und Indikator der Geschlechtszugehörigkeit), trifft dort ihre Mutter und ihre Kollegin, sie erkennen sie/ ihn nicht mehr – mit dem männlichen Körper hat man sie auch ihrer Vergangenheit, Zukunft und aller ihrer Beziehungen beraubt.

Müssen wir A. nun des male gaze bezichtigen? Der Pygmalion-Mythos ist zunächst einmal ein zutiefst männliches Thema, das ständige voyeuristische Spähen durch reale und virtuelle Fenster und auf Bildschirme ist es auch, trotzdem scheint A. sich immer auf die Seite der Frauen geschlagen zu haben in seiner Kritik an und Persiflierung von Heteronormativität und dem In-Szene-Setzen von aggressiver und toxischer Inbesitznahme von Frauenkörpern durch den Heteromann, ein tragendes Thema in den meisten seiner Filme – aber er zeigt auch Frauen, die Gefallen daran finden (Fessle mich!); eine zweischneidige Botschaft: Einerseits könnte hier der bekannte Beifall von der falschen Seite kommen, andererseits wird der Frau damit auch ein Recht auf individuelle Perversion und ihr lustvolles Ausleben zugestanden.

Ein female gaze? Ich bin nicht sicher beziehungsweise denke eher, man sollte ebensowenig wie bei der Sexualität eingeschränkt polar-langweilig denken und in male and female gazes unterteilen – vielleicht hat der Pedro einfach einen queer gaze. Oder, noch besser: Ein auf den male gaze gerichteter queer gaze, der deswegen aber nicht gleich zum female gaze wird.

So passts … und bei dieser fortgesetzten drögen Frau-Mann-Einteilung hält man sich künftig am besten überhaupt raus.

 


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