Die Skulpturen und Installationen der Künstlerin Ursula Dietze beschäftigen sich ausnahmslos mit dem Menschen – mit dem Menschen, der einen Prozess durchlaufen hat, der ihn geformt, entstellt, verstümmelt oder verfremdet hat. Es sind Menschen in Zuständen, denen sie nicht entkommen können, in Momentaufnahmen eingefroren und dem beobachtenden Auge preisgegeben. Manche Figuren weisen nur noch Elemente des Organischen auf, drohen sich in eine Maschine zu verwandeln, erinnern an Freuds „Prothesengott“. Oder versucht hier der erstarrte Stahl Mensch zu werden, ähnlich wie sich Michelangelos „Sklaven“ dem Gestein zu entwinden suchen, um einen Körper zu bekommen? Eine Frau hält eine Dornenkrone auf dem Schoss … eine Piéta? Wo ist der Leichnam? Um sie herum Gedenksteine – Söhne, die der Krieg verschlungen hat?
Menschen, die ihr Gesicht verloren haben … oder es nicht zeigen wollen? Sie wirken unheimlich … wir können sie nicht einschätzen, sehen sie uns überhaupt? Oder sieht man besonders gut, wenn man seine Sehkraft verloren hat? Kunst wird auch geformt durch den Prozess zwischen Objekt und Betrachter, diesem strömen Informationen zu, die der Künstler in den Prozess hat einfliessen lassen, geronnene Gedanken und Gefühle des Kunstschaffenden, die vom Betrachter wieder decodiert werden müssen.
Frau Dietze arbeitet mit unterschiedlich formbaren Materialien – Metall, Erde, Ton, Wachs … die miteinander in Interaktion treten und ein Ganzes ergeben, so wie das Harte und das Weiche das Leben formt und durchdringt. Erstarrte Gesichter blicken ins Nirgendwo, umgeben von Worten, die aus ihren Zusammenhängen gerissen worden sind, die Verständigung ist zusammengebrochen.
„Wenn mancher Mann wüsste, was mancher Mann wär“ – dazu müsste er ihn aber anblicken, ansonsten fragmentieren sich die Sätze und verlieren sich. Eine rudimentäre Gestalt hinter einer Kombination von Zielscheibe und Fadenkreuz, die ihn gleichzeitig schützt, ihn aber als Ziel ausweist – eine doppeldeutige Botschaft. Wer sich zu sehr schützt, entlarvt seine Verletzlichkeit. Alles in allem … verwüstete Menschen …
Die Künstlerin ist Ärztin, Psychiaterin; von Verformungen und Entstellungen weiss sie etwas zu erzählen; die Psychiatrie weiss viele Antworten auf Vieles. In ihrer Kunst stellt Frau Dietze die Fragen, die auftauchen, wenn die Wissenschaft alle Antworten gegeben hat. Vor allem: Wie kann man so leben?