Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

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2022 14 Dez.

Die Autonauten auf der Kosmobahn (2014)

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„Autonauts of the Cosmoroute“ is a love story, an irreverent travelogue of elaborate tales and snapshots detailing Julio Cortazar and Carol Dunlop’s thirty-three-day voyage on the Paris-Marseilles freeway in 1982. Satirizing modern travel and the great explorers, this sparkling work pushes life and literature to surreal extremes. While traveling the highways of France with all those dirty motels and „Rastplätze“ they celebrate life while knowing they have to die soon from lung cancer. It’s one of my favourite books of all time. By the time I read it, well, in the last century, I had a girlfriend who nearly went furious when I was praising the book. – „How can these two, under such devasating circumstances, move through those shitty places instead of visiting the great wonders of mankind like The Pyramids?

2022 13 Dez.

In the Court of Robert Fripp

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Richard Williams‘ take on Toby Amies‘ documentary can be read besides, on „The Blue Moment“. I very well remember a phrase of Bill Bruford: „Change is part of what the whole band is about. Change is essential. Otherwise you turn into the Moody Blues, for heaven’s sake.“ Change – and discipline, I should add, with all its good and not so good implications. Humour is an antidot of the doc that has its clear amount of bitter an bitter sad moments. Thinking back, my memory loves to return to a scene that seems like a moment of letting go: people in a park, it‘s raining, they are dancing, floating, kind of. Not easy to link that one with the film‘s dynamic structure, but Toby Amies has been looking, in between, for places of tranquility and surrender, a counterpoint to tough thinking amd a means to overrule the intellect. Well done.

 

2022 13 Dez.

„Picture Music“

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Es ist 1986, es ist Brisbane, und es sind nicht die Go- Betweens. Es ist „Picture Music“. Wir kennen bald all unsere Rückblicke auf die Musik des Jahres, oder wie wir uns dem Angesagten verweigern. Aquarium Drunkard ist eine meiner Lieblingsadressen geworden, und so überreich  wie spannend ihr nahezu endloser Jahresrückblick, mit vertrauten Alben von Brian Eno, Bill Callahan, Moor Mother, Wilco, Alabaster De Plume, The Smile, Weyes Blood, Bill Orcutt, Oren Ambarchi, mit spannenden Outsidern der Musikszene, und schon im Jetzt fast verschollenen Werken, von denen wir oftmals gar nicht mitbekommen haben, dass es sie gibt. Neues wie Altes. Picture Music zum Beispiel. Brisbane 1986. Und all die kleinen Stories dazu. Höchste Zeit, Aquarium Drunkard in unseren Blogroll aufzunehmen.

Endlich liegt ein Klassiker des britischen Kriminalromans in neuer Überarbeitung vor. Es gibt Kriminalromane, die lassen sich leicht mehrfach lesen, dieser gehört sicher dazu. In diesem Fall – der Originaltitel lautet „The Daughter Of Time“ – begegnen wir auch dem Lieblingsdetektiv von Val McDermid:

„Inspektor Alan Grant von Josephine Tey war einer der ersten Polizeidetektive, die in britischen Krimis auftauchten. Der Mann von Scotland Yard, der im Mittelpunkt von „Alibi für einen König“ steht – von der Crime Writers‘ Association zum besten Kriminalroman aller Zeiten gewählt -, war gegen den Trend, wenn es um fiktive Polizisten ging. Er war intelligent, kultiviert, ironisch und einfühlsam. Er schikanierte weder Zeugen noch Verdächtige. Sein Verhörstil beruhte manchmal mehr auf Intuition als auf Beweisen, aber immer auf Beobachtung.

In einer Zeit, in der die Vorstellungen über Geschlecht und Sexualität fest verankert waren, gab Tey uns subtile Hinweise darauf, dass Grant anders war. Hier beschreibt Tey eine potenzielle Geliebte mit Grants Augen: „Sie sah eher aus wie ein halbwüchsiger Junge als eine angehende Witwe. Sie trug eine sehr elegante Hose und eine anrüchige alte Holzfällerjacke, und er bemerkte … dass sie eine der wenigen Frauen war, die in Hosen wirklich gut aussahen.“ Was sich jedoch als weitaus verführerischer erweist, ist seine frühere Begegnung mit einem toten Mann auf dem kaledonischen Schlafwagen mit „zerzaustem schwarzen Haar und … verwegenen Augenbrauen“. Ich liebe Alan Grant, weil er alles andere als geradlinig ist: Er kann alles bedeuten, was wir von ihm verlangen.“


„Das River Café in London ist ein interessanter Ort. Es ist das Restaurant,  in dem nicht nur ein gewisser Jamie Oliver das Kochen gelernt hat, sondern eines der besten Lokale ausserhalb Italiens, wobei es auch in Italien gar nicht so viele Orte gibt, wo so bewusst und puristisch gekocht wird.“ So beginnt Christian Seiler seine Ausführung zu „Acquacotte di Montemerano“, seiner Meinung nach „die befriedigendste Gemüsesuppe“ (zu finden in seinem Buch „Alles wird gut. Rezepte und ihre Geschichten. S. 114 ff.). Christians kurze Geschichte des River Cafés lasse ich jetzt unerzählt. Der Clou ist halt, dass es sich, von der „Philosophie“ her, um alles andere virtuose Rezepturen handelt, vielmehr um dss Pendant zu einer Musik,  die mit denkbar wenigen Zutaten grösstmögliche Tiefe / Wirkung anstrebt: minimal input, maximum impact.  

Ich habe sogleich Ulrike und Uschi einen Screenshot der Seiten dieses Rezepts zukommen lassen, in der Hoffnung, demnächst damit in Düsseldorf oder am Chiemsee beglückt zu werden. (HALLO, GRASSAU, ICH KOMME!!!) Uschi  habe ich übrigens (als sie meine Mail erhielt) bibbernd am Bahnhof in Traunstein erwischt, „mit Cola und Karli“ (??), wie sie mir schrieb (auf dem Weg zum Filmseminar). Und, während ich in diesen Tagen etliche Jazzplatten höre (für die „Auslese“ im DLF) und viel zu selten Zeit finde, Gerichte aus dem Buch nachzukochen (gestern, die reine Weissbrotorgie, Monsieur Croque, nichts für Calvinisten), bin ich auf das Mammutwerk aus dem Echtzeit Verlag gestossen, mit sämtlichen Rezepten des Londoner Restaurants. Wir haben ja bald Weihnachten…(und was für Tomaten nimmt man, ist ja eh nicht Saison gerade, wenn keine San-Marzano-Tomaten zu finden sind?) 

 

3 Selleriestangen, das Helle und die Blätter
2 rote Zwiebeln, geschält und fein gehackt
4 El frische Majoranblätter
400 g San-Marzano-Tomaten, abgetropft und gehackt
2 El Olivenöl
Salz und frisch gemahlener schwarzer Pfeffer
3 getrocknete rote Chilischoten, zerkrümmelt
4 grosse Eier
4 Scheiben Ciabatta vom Vortag
20 g frisch geriebener Parmesan
Etwas mehr Olivenöl

 

Yes, the Band. From Brisbane, Australia. Once upon a time. You remember? „Cattle and Cane“. Grant dying so young, Robert finishing Grant’s last three songs for „The Evangelist“. Heartbreaking. They had never been interested in noise or feedback drones. They were looking for pure songs and melodies. With a twist. With undercurrents. Melancolia, sunbathed. Or rain. They wrote the best song about rain since Creedence Clearwater Revival. „Spring Rain“. Passion and understatement. Great lyrics all over the place. And, oh, that striped sunlight sound!

 

1 – Es sind intuitive, oft auch gut begründbare Entscheidungen, die einem keine Wahl lassen, wenn man die Wahl hat. In der SZ entbrannte vor vielen Jahren eine streitlustige Diskussion, vielleicht sogar in der Form eines Briefwechsels – es ging, u.a. um das prinzipielle Qualitätsgefälle von Klassischer Musik und Popmusik. Meine schlichte Antwort dazu: es gibt keins. Eine Qualität des „Un-Fass-Baren“ kann sich hier wie dort ereignen, sie ist nicht genreabhängig. Das sehen natürlich manche Zeitgenossen anders, besonders solche, die zuviel Weihrauch geschnüffelt haben,  und ihre Bretter vor dem Kopf für heilige Tafeln halten.

Der launige Diskurs fand zwischen Karl Bruckmaier und Helmut Krausser statt, der in jener Zeit einen historischen Roman über das Leben, Wirken und Leiden des Komponisten Gesualdo verfasst hatte, aus dem HBO leicht eine dreistaffelige Serie schöpfen könnte. So eine Art Phil Spector seiner Zeit, ein Wahnsinniger, ein Killer. Eine damalige Bekannte schenkte mir diesen Roman, den ich nach fünfzig Seiten in die Tonne warf, weil ich ihn unendlich hölzern und bieder geschrieben fand. In dem angesprochenen „Briefwechsel“ gab Krausser sich als gönnerhafter Teilzeitliebhaber des Pop zu erkennen, vermerkte aber, in Bezug auf Bruckmaiers Wertschätzung der Go-Betweens, dass ja Gesualdo wohl ein anderes, grossartigeres, erhebenderes Kaliber sei. Uuuaaahhhh – eine Leuchtturm-Existenz!

Beim Entschlüsseln der Struktur von „Magie“ zählen nun, wenn man nicht gerade der Riege der Weihrauchschnüffler angehört, die Parameter des Bahnbrechenden und Innovativen allein ganz und gar nicht (den Satz erst mal setzen lassen)! Lieder wie „Spring Rain“ oder „Cattle and Cane“ (von den Go-Betweens), ach, ganze Platten dieser Band aus Brisbane, können, auf einer feinstofflichen – und keinesfalls esoterischen – Ebene der ihnen innewohnenden Eigenheiten soviel „Mikromagie“ (all das, was durch die Raster akademischer Analyse fällt) verströmen wie irgendein alter ehrwürdiger Liederstoff aus fernen Jahrhunderten. 

 

 

2 – Ich fliege derzeit durch Robert Forsters Buch „Grant & Ich – The Go-Betweens und die Geschichte einer außergewöhnlichen Freundschaft“ (Heyne Encore). Und was stellt sich bei dieser bewegenden Lektüre heraus: Robert Forster ist diesem gesualdoanischen Anhänger einer Wertehierarchie aus der Mottenkiste, allein schon  an schriftstellerischem „élan vital“, um einiges  überlegen, und da muss man nicht einmal die Ebene der „Mikromagie“ bemühen. Genie, oder kein Genie, das ist nicht die Frage. Das, was Seelennahrung ausmacht, entscheidet zum Glück jeder für sich, es sei denn, lieber Leser, Sie lassen sich etwas vom Pferd erzählen.

 

3 – Ich will und kann dieses Buch gar nicht distanziert beurteilen, ich war zufällig zur ungefähr gleichen Zeit in London, Paris und Regensburg, als die Go-Betweens bzw. einzelne „Botengänger“ dort weilten. Synchronizitäten. In London hätten sie mir im Dezembe 1982 über den Weg laufen können, im Rough Trade Shop war ich oft, eine Single von Aztec Camera hing an der Wand. Ich habe oft die gleichen Platten wie die Drei gehört (beim Lesen permanentes Verblüfftsein), war von „Send Me A Lullaby“ an dabei, habe keine Band öfter in meinem Leben live erlebt, und einmal in Köln (ich könnte das genaue Datum auf der Erinnerungsseite der Band nachschlagen) habe ich mit der vor Vitalität sprühenden Drummerin im Luxor getanzt, ohne mich zu trauen, sie zu einem Drink einzuladen. Eine Viertelstunde lang war ich zu verliebt, um einen klaren Gedanken oder einen Plan zu entwickeln.

 


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Some might find moody shots of Forster walking across an empty field or staring at a bonfire cliched or even trite. But they are people who hold more value in technique than soul. And the Go-Betweens have always been about soul, not technique. As Lindy Morrison says, “We didn’t look the part, we didn’t sound the part, we were too intelligent.”

Stenders has made an emotional, rolling thunder of a film, one this extraordinary band deserves. Those for whom the Go-Betweens are part of the architecture of their lives will love it. For casual watchers, it might introduce them to something special.

(Padrâig Collins, The Guardian)

 

Ich habe nie Devotionalien gesammelt, ein paar Eintrittskarten, ein Tshirt von den Go-Betweens, lang verschlissen,  aber ich wäre für jede Narretei zu haben, wenn es um das White Album ginge. Ein englischer Schriftsteller, William Shaw, veröffentlichte einige historische Kriminalromane, in denen das London der „Beatlemania“ Schauplatz ist, quite good novels, by the way, und was gäbe ich dafür, eine klassische Zeitmaschine besteigen zu können, und mit meinem dreizehnjährigen Ich (besser sweet sixteen) zwei, drei Wochen ein Zimmer in Soho zu beziehen (okay, sweet eighteen). Aber natürlich mit meinem Bewusstsein von heute, haha. So bleibt mir nichts anderes übrig, als weiterhin in die „Big Box“ des White Album abzutauchen, mit all den neuen Abmischungen, „Esher Demos“, „Surroundings“, unveröffentlichten Sessions. Dieses Werk ist für mich eines, bei dem ich sagen würde: the mothership has landed“ – ich kehre stets eine Spur verwandelt zurück. Jungbrunnen, Sterben lernen, neue Anfänge, alles ist darin. Die Firma Pro-Ject hat einmal, in limitierter Auflage, einen „White Album Record Player“ auf den Markt gebracht, was natürlich schöner Blödsinn ist, und all meine Sympathien hat. Jeder Plattenspieler ist eine Zeitmaschine, und wenn ich je im Schneidersitz von meiner Petrolcouch abheben sollte, liegt es nicht an einer Erleuchtung, oder einem Mantra. Gestern lag es an der Schallplatte „The Following Morning“ von Eberhard Weber. Morgen könnte es „Spring Hill Fair“ sein.

 

Robert once found his love in Regensburg, so did I (at least I thought so) in a similar time, but mine was a disaster with a lot of heaven for starters, hell came later. Now we were all back, in good shape, on a cold late autumn evening, in Cologne, in that beautifully fucked-up place called „Gebäude 9“. I was surprised to see Robert and his wife Karin Bäumler alone on stage, not the ususal setting, (acoustic) guitar and violin only, the main voice, the backing voice, but it was, to put it simple, elevating. They had some songs to play. Not only from Robert Forster’s latest album, they also brought some „ancient“ Go-Betweens-stuff to new life: „Draining The Pool For You“, „Head Full of Steam“ from two of their classics. Later on Robert sang „The House That Jack Kerouac Built“, and I never liked it that much as I did yesterday.  Robert is a good entertainer, too, he knows about „furchtbaren Kaffee“ on long German train rides,  and now we all know why he has always loved putting  the word „rain“ in some of his song titles – thanks to the genius of John Fogerty. Karin added subtle beauties. When she sings „ba-ba-ba“, it sounds like part of an unforgettable breakfast conversation. The art of „en passant“, and one time, I swear, I heared her play a little counter melody from a song from Dylan’s „Desire“. If this was a bit hallucinatory, then you might get a feeling, how things were running wild. No eccentricity involved, just that great vibe from start to end. Passion and understatement. The venue was crammed full of people, I was dancing with the feet on the ground, and the head full of (good, very good) steam. Close to the end we were all humming along reading surfing magazines.

 


Am 23. Dezember nimmt Lorenz Edelmann aus Leinfelden eine Cd zur Hand, der Wein ist aufgetischt, und aus den Boxen erschallen bald Enrico Ravas Flügelhorn und Fred Herschs Piano. Zu dem Zeitpunkt habe ich auch schon den Tannenbaum gekauft und aufgebrezelt. In der Vorweihnachtszeit bin ich mehrfach als Hobbykoch gefordert, Monsieur Croque (mit Gruyère) geht mir leicht von der Hand, für die Tarte Tartin von Tropea-Zwiebeln muss ich noch üben, das pochierte Huhn in Weisswein mit Estragon wird langsam zu meiner Spezialität. Der schönste Schmöker des Jahres ist tatsächlich Jonathan Franzens „Crossroads“ (die Zeitreise ins Jahr 1971 wird dreimal verschenkt – ist auch was für dich, dear Friesensusanne!) – was seinen Humor angeht, ist Mr. Franzen sicher bei Mark Twain in die Schule gegangen. Chapeau! Später am Heiligabend dann „Pinocchio“, in der beeindruckenden neuen Netflix-Version von Guillermo del Torro. Greetings to Uschi! Das perfekte „Weihnachtsalbum“ ist sowieso Uusi Aika (ich sehe Olaf West schon im Lametta-Rausch). Und wie bemerkte Olaf Ost: »Uusi Aika« hat eine wohlig tönende Stille, eine vollmundige Substanz in der Askese, eine erdige Tiefe selbst in den Höhen. Eine zeitlose Friedenspfeife. Mein Lieblings-Jazz-Weihnachtsalbum – auch wenn mir an »Weihnachtsmusik« nichts wirklich liegt – ist die wunderbare Platte »Carla’s Christmas Carols« Und richtig Spaß macht mir seit einigen Jahren »DUB SPENCER & TRANCE HILL: CHRISTMAS IN DUB«. Aber das ist vielleicht Thema für einen extra Beitrag… Gut, Olaf, ich mach dann den „Pinocchio“! Und was bei Norbert Ennen unterm Baum erschallt, das weiss ich schon seit ein paar Wochen: „Rubber Soul“, wetten, dass!? Meine Fresse, das waren noch Zeiten: Auto-Scooter und Märklins Krokodil-Zug, „Help“, die Single, die süchtig machte, und zum ersten Mal „Wer die Nachtigall stört“ im Schwarzweissfernseher! 

 

Irgendwann begannen sie, die nahezu Soloalben von John Surman – „Upon Reflection“ war wohl das erste, und jede dieser Multitrack-Exkursionen enthielt mindestens einen Ohrwurm. Auf „Road To St. Ives“ war es das Stück „Tintagel“, und auf „Salatash Bells“ war fast jedes Stück nah am Surrender-Faktor 10. Anouar Brahem geriet in den Sog von „Road To St. Ives“, und bald sollten sich Anouar und John in einem Studio in Oslo begegnen (Dave Holland gesellte sich noch dazu). Der Schriftsteller David Mitchell begeisterte sich während eines Interviews (in dem wir über „Die Knochenuhren“ und seine Liebe war zu Platten von ECM sprachen) für „Saltash Bells“, und ich erzählte ihm von meiner unvergesslichen Reise nach Cornwall.

Der Titel „Saltash Bells“, so bemerkt John Fordham, erinnert an die Geräusche, die Surman auf der anderen Seite der Saltash Church hörte, als er als Kind mit dem Schlauchboot seines Vaters unterwegs war, und sie finden sich in den computergenerierten Glockentönen und kreisenden Loops wieder. Das lange Finale, Sailing Westwards, hat die jazzigsten Passagen, deutet aber auch eine jubelnde, rhumba-artige Partystimmung an. Es ist weniger introspektiv als Surmans frühere Solowerke manchmal waren, und es ist voll von beschwingter, einnehmender Lyrik.

Etliche der Orte, die für die Strasse nach St. Ives titelgebend waren, kann man heute mittels Navi leicht ansteuern. Damals verwendeten wir noch Landkarten. Ich hatte, in einer Besprechung („Jazzthetik“) dem Fremdenverkehrsverein von Cornwall den Tipp gegegeben, mit diesem akustischen Trip Werbung zu betreiben. Tatsächlich machen die Namen neugierig, die in unzähligen historischen Roman auftauchen, Geschichten von Tod, Wahnsinn, Hexerei; Liebe, Licht Mythen, die in unseren Hinterköpfen rumschwirren, von König Artus bis zu den Nebeln von Avalon.

 

 

 

Es war Hochsommer, als John Surmans Platte der Soundtrack unserer Reise wurde. Wir scliefen in dem Haus, in dem Daphne de Mauriers Schreibzimmer unversehrt erhalten war: da hatte sie diesen berühmten Piratenroman geschrieben, den Hitchcock (?) später verfilmte. Wir gingen durch Tintagel, ich erinnere mich an den das Backsteinpflaster, die Ruhe am Meer, einen Fish’n’Chips-Laden, aus dem Scarborough Fair von Simon & Garfunkel ertönte. Wir wanderten lange Tage den Coastal Path entlang, von Klippe zu Klippe.  

Einmal brachenwir auf zu Trethevy Quoit. Die Sonne stach vom Himmel, schließlich kamen wir an. Ein oller Steinhaufen, dem man nur mit viel Phantasie etwas Pittoreskes abgewinnen konnte. Ein Hund schlug an der Kette, neben dem keltischen „Power Spot“ hingen weiße Bettlaken im müden Wind. Der Ort hatte allen Zauber eingebüßt, aber einen dezenten Charme vom Verfall und Vergänglichkeit beibehalten. Ein power spot für Menschen mit britischem Humor. Das Stück von John Surman ist sehr kurz, ein wilder Furor übereinander geschichteter Saxofone.  Ich habe ihn später einmal gefragt, wie er auf die Namen seiner Kompositionen gekommen sei. ich kann mich nicht genau erinnern, was er sagte, aber ich glaube, er hatte einfach Namen von Orten genommen, deren Klang ihm gefiel. Und flüchtige Erinnerungen spielten auch hinein, an Reise der Kindheit. Von Kent nach Cornwall.


In jenen Tagen erschien auch Bob Dylans „Time Out Of Mind“. Wir kauften die Cd in Portsmouth und das Album war ein wunderbarer Kontrapunkt zu John Surmans Werk. In einem langen Song unterhielt  sich der Sänger  mit einer Frau in einer Bar am Ende der Welt, und ich spielte „Tintagel“ und „Highlands“ nacheinander, verbunden allein mit der kleinen Reisegeschichte, mit dem Steinhaufen von Trethewy Quoit, Daphne de Mauriers Himmelbett, und einer Ausstellung in der Tate Galery in St. Ives: als ich nichtsahnend durch die Gänge stromerte, erklang auf einmal leise Musik, die mir seltsam vertraut war, von Gavin Bryars.

 


Wäre dies ein Musikrätsel im multiple choice-Verfahren, mit der Frage, wem aus der folgenden Künstlerschar der Titel des Albums mit dem Tunnel unter dem Ocean Boulevard zuzuschreiben sei, Jan Reetze wäre der Favorit: nur ein flüchtiges Huschen über die Liste, und er hätte Lana Del Ray identifiziert. Passt einfach perfekt zu ihren Erkundungen amerikanischer twilight zones. Nun ist dies aber kein Quiz, sondern das erste bedachte „sequencing“ meiner „Klanghorizonte“ vom 27. März. 55 Minuten statt fünf Stunden. Prime time. 21.05 Uhr. Fast all diese Arbeiten werden zwischen Januar und März veröffentlicht, und sind hier bereits sinnfällig, zumindest traumlogisch, geordnet. Das gar nicht imaginäre Zentrum wäre eine Passage aus  dem kommenden Album der Necks, die es ja bekanntlich selten unter 20 Minuten machen. Es muss schon noch verdammt gute Musik am Horizont auftauchen, um dieser Auslese den einen oder anderen Platz streitig zu machen. John Cale, James Yorkston, oder Robert Forster möglicherweise. Diese playlist in progress bleibt bis Ende März an diesem Ort. 

 

Yo La Tengo*
Eluvium
Anders Jormin
Meg Baird
Ryuichi Sakamoto
The Necks
Lana Del Rey
Ralph Towner
Jan Bang
Stephan Micus
Biosphere
Robert Forster

 

 

 

* everything you‘d want from a Yo La Tengo record at this stage: noise, tunes, tenderness, regrets, sage advice, goofiness, smudgy  motoric jams, yoyo moves, and an evening in Cologne in April.


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