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2017 21 Juli

Carlos Goes Wild

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Mr. Santana plays Coltrane runs and anti-nostalgic ray guns, it’s all abstract, metallic, sensual, and this is a „super-group“ deserving the name. Why? Because it risks everything, simple as that. Even „Black Magic Woman“ gets the honky-tonk-fire-treatment. (M.E.)

 

„Lotus“ has always been the Holy Grail for the hardcore Santana fan, and this super-deluxe version is definitely that, but it’s also a document of a creative peak most bands never get near. (Philip Greeman, Wire)

 
 

Als Teenager gab es für mich vier beeindruckende Santana-Alben, und 1974 hatte Carlos in meinem Leben genug Spuren hinterlassen. Irgendwann, denke ich,  ist der Deal beendet, die Begeisterung verflogen. Der Rest ist Nostalgiezirkus. Tatsächlich bin ich in den vielen nachfolgenden Jahren nicht mal den alten Faszinationen nachgekommen: das erste Album mit dem schwarzweissen Cover, „Abraxas“ mit Mati Klarweins unvergesslicher Coverkunst, „Caravanserai“ und  „Welcome“ blieben wohlbehütet in ihrem Wilde-Zeiten-Schlummer, ich kann mich nicht mal an ein Girl erinnern, mit dem ich zu „Samba Pa Ti“ rumgeknutscht habe. Tatsächlich habe ich nurmehr einen verschlafenen Samstagnachmittag bei Freunden vor Augen, bei denen  Mati Klarweins Bild wie ein Joint herumgereicht wurde, und dabei den gleichen magischen Realismus verströmte wie die Lieder ringsum. Mehr durch Zufall las ich vor kurzem einen Lobgesang im „Wire“ auf die Wiederveröffentlichung eines Live-Opus von 1973, also aus der Zeit, als der Zauber noch funktionierte, und, abracabraxas, kam das japanische, opulent aufgemachte Opus in mein Heim gerauscht.

 
 
 

 
 
 

Die leicht ergrauten Erinnerungen wandeln sich nach guter Pop-Art-Sitte in ein knallbuntes Farbenmeer. Der Raum ist abgedunkelt, Santana in der Form seines Lebens, einige Lektionen hat  er von Coltrane und dem elektrischen Miles gelernt, um sie in eine überraschend gnadenlose, latineske Parallelwelt zu transportieren. Ich kenne LOTUS überhaupt nicht, und frage mich, ob eine sich um stilistische Grenzen keinen Deut scherende „Rockmusik“ (ist das schon „metal abstract fusion with a bang“?) mehr als ein Dutzend solcher Live-Dokumente abgeliefert hat. Wohl kaum. Schön, dass ich das jetzt auch mitkriege. P.S.: Die Raumakustik ist im Surroundmix eimgefangen, so dass man auf der richtigen Seite des Applauses sitzt, und das Stereobild an Tiefe gewinnt. Also kein klassischer Quad-Sound.

 

 
 
 
1) natürliche Akustik
 

ansonsten verträgt so ein Garten am ehesten eine dezent im Hintergrund ablaufende Musik, ganze Alben, kein Mix. Es gibt ein knallrotes Schwimmkissen, in das man sich bequem fallen lassen kann. Ohne jeden elektrischen Antrieb entsteht eine ganz leichte Bewegung, der Blick geht himmelwärts, die Baumspitzen treiben in extremer Zeitlupe am sonnenbrillenverdunkelten Blick vorbei. Pures Driften, wozu noch in einen John Lilly-Wassertank steigen. Ein kleine Einbuchtung im „Drifter“ erlaubt das bequeme Abstellen eines eisgekühlten Pils. Wir empfehlen Brinkhoff’s No. 1.

 
2) Neil Young: Comes A  Time
 
3) Michael Brook w/ Brian Eno and Daniel Lanois: Hybrid
 
4) Nick Drake: Pink Moon
 
5) Arve Henriksen: Towards Language

Das ist natürlich ein Problem, wenn man in die Jahre kommt, und im Zeitalter des Recycling auch die edelsten Aufbereitungen von Klassikern nie an das erste Mal heranreichen, die frühen Begegnungen und ihre Folgen. Oder doch? Wer im besten und zweitbesten Alter benennt heute noch den „soundtrack of my life“, ohne mit Worten, Augen und Ohren weit in die Vergangenheit zu schweifen?! Im nun eher sepiagetönten Damals hingen die Trauben auch hoch, man sprang trotzdem auf die Bäume, bastelte Mixtapes zur Eroberung von Herzen und Körpern, hatte konkrete, diffuse Visionen von einer Zukunft, die aus lauter Gegenwart bestand, und einem Klangteppich aus 150 Schallplatten. Die Befeuerungsanlage mutiert mit den Jahren leicht zur edel gebundenen Erinnerung mit Goldschnitt. Sgt. Pepper 50, Heart of the Congos und Before and After Science 40, OK Computer 20. Kraftwerk: Der Katalog. Gibt es ein Gegenmittel für Nostalgitis? Tatsächlich gibt es zwei! Zum einen kann man den der alten Stoffe heutzutage so springlebendig und highfidel wie nie zuvor hören, im einzig wahren Mono, im superkristallinen Stereo, im berauschenden Sensurround. Das ist der Trick der Zeitreise. Wenn ich einen meiner Lieblingsmusikfilme, „Stop Making Sense“, von Jonathan Demme im fünf zu eins Raumklang erlebe, mische ich mich unters Publikum, und bewege mich wie ein Jungspund zu den hypomanischen Vocals von David Byrne, ein Sitztanz mindestens auf der Petrolcoach. Zum andern kann man wie damals, kleineren Knie- und Rückenbeschwerden zum Trotz, schlicht weiter auf die Bäume springen, den Geist des steten Neubeginns üben, und (ein Beispiel von tausend) den Tag mit einem Augenzwinkern tiefe Nacht werden lassen – und vor dir steht, mit seiner Akustikgitarre bewaffnet, Jeff Tweedy und singt das Lied  „Sky Blue Sky“, in dem er in die alte Heimat zurückkehrt, die sich als tote Stadt entpuppt. Aber was passiert mit dem Sänger und seinem Lauscher? Ein vitaler Elan durchströmt sie, dass sich alle ersten Male, alle staubwolkenwirbelnden Erinnerungen warm anziehen müssen und ihre gesammelten Pastelltöne besser gegen das kälteste Blau der Welt eintauschen.

Da bist du, allein, gestrandet. Das Raumschiff, auf dem du erwachst, kreist um einen unbekannten Planeten, die Elektronik ist abgeschaltet, weder weisst du, wer du bist, geschweige denn, wann. Dumm gelaufen. Ein Mix diverser Science-Fiction-Topoi. Und was passiert nun?

Der potentielle Horror der Situation wird erstmal gemildert durch den Bordcomputer, der dir „Wach auf, wach auf!“ zuruft, bevor er dich anweist, den Generatorknopf zu drücken, um den Strom anzuschalten. Das bringt deinen „Dinge-Macher“ ins Spiel, der dazu da ist, Dinge zu machen. Unglücklicherweise wurde die umfangreiche Bibliothek der machbaren Dinge erheblich beschädigt – anstatt nun also schlichweg alles mögliche erzeugen zu können, bleibt es einzig bei Kartoffeln – mit einem gewissen Potential.

Ein närrisches Spiel voller bizarrem Humor, doch trotz aller Skurrilität bleiben zum Ende hin sehr  nah gehende Emotionen nicht aus. Wie gut, dass sich aus diesen Kartoffeln einiges herstellen lässt, das pure Verzweiflung unterläuft! Du und dein Computer lösen das Geheimnis des Planeten durch einen recht grotesken Einsatz der Kartoffeln. Nach einigen Stunden nimmt das Spiel eine Wendung, und grössere Themen geraten ins Blickfeld.

Du entwickelst einen Plan, die Erde zu retten, indem du rückwärts durch die Zeit reist, oder, eher vorwärts, bis sich die Zeit umkehrt, so dass du technisch rückwärts in der Zeit reist, bis du den Ursprung, den „Big Bang“ erreichst, und genau an diesem Knallpunkt beginnt die gute alte Tante Zeit vorwärts zu strömen. Natürlich verläuft das nicht plangemäss, es entwickelt sich eine quantensprunghafte Reise Richtung Heimat. Das alles bisher war nur der Prolog zum ganz grossen Abenteuer.

Wir spielen lang genug, bis das Spiel seinen Ton gefunden, seine Voraussetzungen geschaffen hat – ein Universum einer auf Kartoffeln basierenden Aeronautik und Astrophysik – und der grosse Showdown in Sicht kommt (stell dir „2001 – Odyssee im Weltraum“ vor, gefiltert durch den Humor eines Douglas Adams).

Du reist durch Zeit und Raum und Dimensionen, du beobachtest, wie der Planet unterhalb deiner Umlaufbahn Umfang und Form verändert, mal ein totes Feld, mal ein exlodierendes Etwas, eine gelbe Sonne, eine rote Sonne, eine pinkfabene Sonne, ein Teepott, eine zerschmetterte Tasse, ein Riesenauge, und so viel mehr. Während die verrückten Bilder vorbeigleiten, hören sie lange Zeit nicht auf, sehr unterhaltsam zu sein, aber schließlich werden sie doch immer weniger spassig. Endspiel. Du bist einigermassen erschöpft, und möchtest, dass alles vorbei ist.

In diesem Moment berührt das Spiel seine eigene absurdistische Wahrheit: du wirst nie verstehen, was du siehst, das Universum ist komplett verrückt, und es wird nie Sinn machen, du kannst bestenfalls lernen, es zu ertragen – willkommen im Café der Existenzialisten! (Ich werde dir hier nicht preisgeben, ob du es zurück zur Erde schaffst, weil das schlichtweg nicht der Punkt ist.)

2017 15 Juli

CRB

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k

 

For Lajla, the CRB is even better than a cuppa coffee. They travel through America, rocking the coasts and mountains, like all those archetypal bands with a knack for well-crafted melodies and high-flying guitar work. They inherit the freewheelin‘ sprit of the Allman Brothers in their early salad days, get rid though of any nostalgic overkill. Within the last years they have been extremely busy in the studio, too, refined their tried and trusted formula for blending all those sub-genres, sub-portals of country, blue grass, blues, folk vibes, and mandolin-fuelled Appalachan echoes with some psychedelic twists. The Brotherhood does it again. Their new record will be out next Friday and dealing, besides everything else, with different states of being barefoot in the head. A different kind of dance, a whole book of sidesteps. Their best album since „Big Moon Ritual“ (2012). One outstanding track is titled „Glow“, feat. Sarod player Alam Khan and, for sure, rattling at one of these tricky gates of perception. „There’s always this other place you can go“, says the leader of the pack, „Is that place it real? That’s your decision to make, what you’re going to let be real to you.“

 

Thomas Köner wohnte über Jahre in meiner Nähe, einen Ortsteil weiter, im Kreuzviertel. Er war der erste und wohl auch letzte (Wahl)-Dortmunder, den ich in den Klanghorizonten spielte. Thomas Köners Ambient-Platten (Teimo, Permafrost, Nuuk etc.) sind kleine Meisterstücke, eine Variante von „Ambient“ und „Arctic Noir“, die auch Brian Eno (er schickte mir einen Brief dazu, in dem er von Grenzzonen zwischen Schlaf- und Wachzustand berichtete), Holger Czukay und Deathprod (alias Helge Sten) in den Neunzigern beeindruckten. Das raumgreifende Opus „Morals and Dogma“ des Norwegers aus dem Jahre 2004 (jüngst wieder aufgetaucht) war fraglos inspiriert von Thomas Köner – und Porter Ricks. 

„Deepness“ hiess das Zauberwort. Unglaublich fein gearbeitete Sounds, die Thomas von Gongklängen samplete und dann einem Verwandlungsprozess unterzog, nach welchem kein Mensch mehr „Gongs“ mit dem Klang der Musik assoziieren würde. Es gab keine Beats, die Musik lockte immer tiefer in sich hinein, monochromatisch und Schicht für Schicht. Engländer nennen so etwas trefflich „an immersive experience“. Dass die Reise weiter geht, ganz andere Zonen noch erschliesst, beweisen die jüngsten Soloalben Thomas Köners auf den Labels Touch („Novaya Zemlya“) und Denovali. Auf  der feingesponnenen Kammerelektronik von „Tiento de la Luz“ (2015) hört man ein, zwei ferne feine Anklänge an Enos Ambient-Werk „The Shutov Assembly“ heraus. Hinzu kam auch, schon eine Weile her,  eine Arbeit mit dem Klangkünstler Asmus Tietchens – unser Mann in Pittsburgh kennt sie wohl am besten. 

Nun hat man vor einigen Jahren bei typerecords die andere, pulsierende Seite des Thomas Köner wieder ans Tageslicht gelockt  (Kollege Andreas (Andy) Mellwig war damals auch gerne damit beschäftigt, die Bild- und Sound-Ebenen in den Filmen von Wim Wenders zu vervollkommnen), ein Dub-Techno-Duo namens Porter Ricks. Kommt einigen der Namen bekannt vor? Eine Filmfigur aus den 60er Jahren der Bundesrepublik, allwöchentlich zu sehen in der Serie „Flipper“. Die Wiederveröffentlichung Biokinetics faszinierte wie in den Pionierzeiten von „Basic Chanel“, sorry, „Basic Channel“. 

Das Duo transportierte den „dancefloor“ von 1996 bis 1999 mitunter in arktische Gefilde. Zumindest in raue Weiten. Fairbanks, Alaska, ist in solchen Fällen immer eine gute Wahl. Das maritime Element. Ich sehe noch den hutzeligen Raum vor mir, in dem sie an den Sounds arbeiteten. Und gerne spielten die Zwei zwischendurch, zum Dämmerlicht von Vulkanlampen, das erste Album von Gas. Das Unheimliche im Sinne von schönem Fürchten, schönen Schauern, hat Bestand. Aber funktioniert das Klanglaboratorium von Mellwig und Köner auch heute noch? „Anguilla Electrica“ heisst ihr jüngster Streich seit langer Zeit. Das Teil befindet sich auf dem Postweg. Ich bin gespannt. 

 

2017 4 Juli

Die Zeitreise des Monats (remix)

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Cardiff 1980, milestone, one-album wonder. Fitting the black, the noir, the empty spaces, here we are: the first book ever that moves around the gist of a truly unique album, „Colossal Youth“ by Young Marble Giants! Most  of the time You will be flying through the pages of the book by Michael Blair and Joe Bucciero. Minor quibbles: the stories  of the three are at times more interesting than some of the commonplace academic references to „Vexations“, Cage’s „4’34“, or Eno’s eternally quoted story about his key experience to make Ambient Music happen. The amazing small moments of wonder and recognition are still holding majority, and you will love sinking  into the music even more after reading the little book. When I was speaking to Alison Statton and Philip Moxham some years ago, I asked them at one point – because their record was so anti-punk and different to the fashions of that era – what they had been listening to in the time of the creation of their masterpiece, and they answered, nearly unisono, that they were listening a lot to Brian Eno’s „Another Green World“. With their kind of minimalism, they created more of „Another Bleak World“, though the vibes of childhood, old hymns, nursery rhymes and merry-go-rounds were never that far away.

 

„Allow me to guest in your chair, this is a very nicely warmed chair by Brian. Well, we all came from Cardiff. They were in Cardiff, we were in Cardiff. So it was a sort of crossover time when power pop and new wave was making waves as something else. And there was this little group of artists in Cardiff that were making some other music. It didn’t make any sense at all, but it’s a little bit – there’s a film I’m trying to think of now where I’m reminded … where you go and see something and you know it’s the broom that’s sweeping you off the streets.

There was a couple of groups at that time, who were doing things that were kind of Gang of Four-ish, and then there was the Young Marble Giants, and we went to see them one day, my band and I. We went to see them in this little cafe, with maybe a dozen utmost people in this cafe, and they had this little cassette-machine with this rhythm on it, and a bass player, and a guitarist, and this girl’s singing lalalalaa (Karl imitates a naive way of lalala-singing), and every song was like that, and I just remember guys crushing cans with extreme boredom, and frustration: when is it gonna have a crescendo? When is there gonna be some passion? And it was so restrained. We all came out of it and went: „Oh my god, if I never hear that again, it will be too soon“.

And at the time, I remember saying, thinking, mmmhhhmmm, mmhhmmm, may be that’s just a new music that we’re not prepared for yet, were still focussed on being pop stars and trying to be Elvis Costello, and all the other people. And the guys come along and have done this thing. And they were the first of the new wave of artists that came out of Wales. We got others … they were kind of based in Rock’n’Roll, or guitar-based rock music, and some great players, but they were the first really in a long time to do anything that meant something special. They really tapped into something, and I like the album now!“

(from my interview with Karl Hyde and Brian Eno, Notting Hill, 2013)

2017 1 Juli

Hier kommt er

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Ich wusste von nichts, als der Mann von BFBS (es war ein Samstag und ein Vormittag, es war eine Küche und ein Kofferradio), einen Anfall guter Laune bekam und seinen Hörern mitteilte, dass es ihm „extremely well“ ginge. Er hatte von Berufs wegen gute Vibrationen über den Äther zu bringen, aber von mir aus hätte er auch ein Nörgler vor dem Herrn sein können, denn ein Lächeln, so breit und strahlend, als hätte ich es von Sophia Loren geborgt, breitete sich in meiner unteren Gesichtshälfte aus, als er aus dem heiteren Nichts „Here He Comes“ spielte, und klar war, bald würde es ein neues Songalbum von Brian Eno geben. Der Song enthielt alles, was ich von einem perfekten Lied erwartete, dazu noch meine Lieblingsgesangsstimme, und nach dem ersten Hören war Fakt, es würde sich einreihen in die Liste der Lieder für die blauen Stunden, Everblues wie „In My Life“ und „Waterloo Sunset“. 

Das zugehörige Album, BEFORE AND AFTER SCIENCE, sollte das Songalbum Numero Vier von Brian Eno den Siebziger Jahren werden, nach HERE COME THE WARM JETS, TAKING TIGER MOUNTAIN (BY STRATEGY) und ANOTHER GREEN WORLD (eigentlich nur ein halbes Songalbum). Jedes unvergleichlich, jedes ein Meisterwerk, jedes fünf Sterne.  Nun wird Brian selbst sein 70. Lebensjahr im kommenden Mai vollenden, und in wenigen Wochen liegen diese vier Platten in einem wohl sehr sorgsam durchgeführten Remastering vor, auf je vier Vinylseiten mit 45 Umdrehungen pro Minute, und dem Segen der Abbey Road Studios. (Eine ähnliche Behandlung erfuhren vor Jahren die ersten vier, und, meiner bescheidenen Meinung nach, besten Soloalben von Peter Gabriel, aus den Jahren 1977 bis 1982.)

Die CD-Remasters von 2004 waren schon so gut, dass nur Vinylliebhaber die neue Edition in Augenschein nehmen sollten. Ich werde mir vorerst eine Ausgabe aus dieser Kollektion gönnen, und herausfinden, ob vielleicht irgendein winziges Detail aus „Here He Comes“ anders in Erscheinung tritt, und sei es ein Knistern an der richtigen Stelle. Wer sich an die Deutung des Songtextes macht, landet ohnehin in einem weiten Feld, von Sehnsucht und Tod, Verwandlung und Zeitreisen. Von purem Glücksempfinden könnte sicher auch die Rede sein. „Here he comes the boy who tried to vanish to the future or the past / Is no longer here with his sad blue eyes / Here he comes he floated away and as he rose above reason / He rose above the clouds he was seven feet high (…)“

Vor Wales kommt der Bodensee, Lindau, genauer gesagt, lieber Gregs! Wie ich heute aus bester Quelle erfuhr, gab es dort einen geschichtsträchtigen kleinen Jazzclub, in dem viele Cracks spielten,  auch Barney Wilen, der in den nächsten „Klanghorizonten“ eine besondere Rolle spielt.  Manfred Eicher sprang manchmal am Bass ein, in seiner Heimatstadt. Vielleicht war unser Hans-Dieter Klinger einst mal da (der auf dem Sprung nach Island ist) –  „Zur Fischerin“ heisst der historische Ort.

Zuletzt überquerte ich den Bodensee, Anfang der Neunziger, als ich unterwegs nach Appenzell war, um den Violinisten Paul Giger in seiner Berghütte zu interviewen. „Alpstein“ heisst sein Zauberwerk mit Jan Garbarek und Pierre Favre. Aber das Teil hast du sicher in deinem Plattenschrank. Zuallererst war ich am Bodensee, und mehr als diese frühen Erinnerungen habe ich nicht zu bieten, als ich sieben Jahre alt war, in einem Dorf, empfundene sieben Kilometer von Lindau entfernt, und mindestens vier Wochen unter der Fuchtel einer strengen Gouvernante! Einmal fiel ich in einen Brunnen, und als ich rausgeklettert kam (oder rausgerettet wurde), erhielt ich eine wilde Tracht Prügel. Ich sollte jeden Mittag einen Mittagsschlaf machen und bekam von Tante Mia regelmässig Burlecithin, oder wie das Zeug heisst, gereicht. Ich schlief natürlich nie, und las, kein Witz, Detektivbücher für Kinder, und Westernhefte.

Ich empfehle dir eine Schallplatte, über die ich vor einer Woche schon schrieb, aber inzwischen habe ich sie noch etliche Male gehört, und sie erzeugt bei mir einen gewissen Suchtfaktor. Dabei hat sie nichts Grenzsprengendes oder Spektakuläres, Jeff Tweedy ist einfach allein im Studio und singt ausgewählte, verdammt gut ausgewählte, Lieder, meist nur von seiner Akustikgitarre begleitet. Der Bandleader von Wilco dosiert dabei den Sprung seiner Stimme in höhere Gefilde so zurückhaltend, wie Beimischungen aus seinem elektrischen Gitarrenarsenal. Die Mundharmonika, nie mein Instrument, erklingt nur einmal, und in diesem einem, ersten Song möchte ich sie gar nicht missen. Kriegt nur gemischte Kritiken, oft ein gutes Zeichen, siehe, höre, Sun Kil Moon’s „Common As Light And Love Are Valleys of Blood“.

Und Tweedy ist, aber wem erzähl ich das, ein exzellenter Texter – hier spielt er jedenfalls, inspiriert ohne Ende, zur privaten Hausmusik auf. „Together at Last“, so der Titel. Zur Zeit neben „Resin Pockets“ von Crescent aus Bristol „on high rotation“. Ach, genau, nach Cardiff, Bristol, Prembrokeshire, geht es dann etwas später, das wird dann der Abenteuerurlaub. Brauchst du noch einen 1000-Seiten-Romantipp? „Die Stunde zwischen Frau und Gitarre“, jetzt als Suhrkamp Taschenbuch. Hammer! Mit herzlichem Gruss, dein Pokalsieger!

2017 26 Juni

Longmire 5, Laramie 1

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K

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Western waren eine frühe Nahrung, sie enthielten alles, was man für eine Rabaukensiedlung brauchte. Das Buch war aus Hartkarton, mit Bildern vom ersten Western Ranger, dem ich vertraute. Der zweite war Robert Fuller und kam schwarzweiss vom Fuss der Blauen Berge angeritten. Später wurden meine Westernhelden härter, abgründiger, der letzte in einer langen Reihe ist Walt Longmire. Fünf Staffeln, die finale sechste wird bald gedreht. Als ich die ersten Folgen sah, kamen die auf den Romanen von Craig Johnson basierenden Geschichten noch etwas gediegen daher, wie einst Detektiv Rockfort in seinem Wohnmobil. Die beiden Protagonisten ähneln sich auch in der Optik. Aber als sich das Drehbuchteam eingeschrieben hatte, begriffen wohl alle miteinander, was da für ein prächtiges Schauspielerensemble beieinander war. Die Stories nahmen an Fahrt und Tiefgang auf. Die alten neuen Geschichten von Macht und Tod und Vergeltung, die kurze Titelmelodie kaum mehr als ein kratziger Gitarrenakkord. Robert Taylor, Kattee Sackhoff (a name like from Bavarian ancestors!), Lou Diamond Phillips und Cassidy Freeman sind eine Schau, und sehen in den verwitterten Landschaften und rauchigen Bars am Rande des Indianerreservats ungleich vitaler und verwundbarer aus als auf akkurat designten Fotos der Casting-Agenturen. Die letzte Szene bislang ein einziger Peyoterausch. Die ersten Folgen von Laramie, damals, vielleicht 1963, ein Traum.


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