Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

2020 12 Feb

Ziv Ravitz

von: Jochen Siemer Filed under: Blog | TB | Tags: , | 33 Comments

 

Schlagzeuger waren mir immer sehr wichtig. Schon damals in the early days of Rock´n Roll und folgend dann im Jazzrock war das so: Ginger Baker, Alphonse Mouzon, Billy Cobham, Harvey Mason. Eine Zeit lang hörte unsereins dann geradezu exzessiv das Peter Erskine Trio, mit Palle Daniellson am Bass und John (nicht James!) Taylor am Piano. Jack DeJohnette spielte eine grosse Rolle! Als Kind baute man sich gerne Schlagwerk auf aus Mutters leeren Waschmittel-Papptrommeln, garniert vom Küchenhocker als imaginierter Snare Drum (später dann im Spielmannszug die echte) und der Leselampe als Becken. Auf Drummer in den Jugendbands war man ebenso stolz wie auf den Fender-Bassmann an den Saiten, während man selbst dazu die Klampfe spielte, so gut es eben ging. Zurück zu rauherer Natur, genannt auch „Gegenwart“, die in ihren besten Momenten gute Konzerterlebnisse bereithält. Beim ersten Schlag gleich auf das Hi-Hat: „Hey, what´s that!“ Im Fortgang dann dieses quirlige Weather-Report-Gefühl, ein flirrender Rhythmusteppich spannt sich aus, als wenn Insektenschwärme in der Sahara sirren. Nicht nur das Ohr, auch der Verstand ist im Nu gespitzt vor Neugier. Und wiedermal taucht diese Frage auf: „Warum nur klingen manche Gruppen live um Vieles besser als auf Platte?“ Klar doch, hier geht es nicht um behutsam in Vinyl gepresste Ewigkeit, sondern um das gegenwärtige Momentum mit dem Publikum, mit Ort und Zeit. Once again the venue was the Elphi – der Anlass war ein edler: die Jubiläumstage des Labels ECM fanden statt, betitelt mit „Reflektor Manfred Eicher“. Den Abschlussakt der Programmtage bestritt das Quartett des Trompeters Avishai Cohen, mit Barak Mori am Bass, Yonathan Avishai am Flügel und eben Ziv Ravitz am Schlagzeug. Zuvor spielte im Set ein Brasilianer, solo an der zehnsaitigen Gitarre und am Piano, jeweils eine halbe Stunde, souverän und virtuos: muito obrigado, o senhor Gismonti! Die Tage darauf aber youtubte unsereins wie wild „Ziv Ravitz“, als sei dies eine Pistenabfahrt mit dem Rodelbob. Man stiess dabei auch auf Shai Maestro und so vieles mehr, die Büchse der Pandora war mal wieder offen wie ein Tamborin. Warum um alles in der Welt erreicht einen Musik denn umso intensiver, je leibhaftiger man sie erlebt? Wir ahnen es und ziehen dem Radetzky-Marsch den Ravitz-Groove bei Weitem vor.

 

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33 Comments

  1. Sonator:

    Fantastische Schlagzeug- und Schlagzeuger-Geschichte.

    Fast alle genannten Drummer haben mir schon den Puls hochgepeitscht. Meine beiden Jungs klopften auf Töpfe, schlugen die Backofentür rhythmisch auf und zu bis sie endlich groß genug für’s Drum Set waren.
     
    In deiner Story gibt es noch mehr Resonanzauslöser.
    Der Brasilianer trat in Kronach auf.
    Shai Maestro habe ich vor kurzem in Nürnberg live gehört
    das bewegendste Konzert des Jahres
    Ja, live übertrifft jede Schallkonserve – Ausnahmen gibt es
     
    Aus Israel kommen aufregende Jazzer – Pianisten, Doppelte Bassisten, Schlagzeuger. Ziv Ravitz kann ich auf 3 Shai Maestro Alben hören. Shai hat jetzt einen jungen Mann im Trio, namens Ofri Nehemya (man höre „The Dream Thief“ – ECM 2616).

    Das Omer Klein Trio ist meine am häufigsten live erlebte Band der letzen 4 Jahre. Da spielt einer meiner Lieblingsdrummer: Amir Bresler. An ihm schätze ich das dezente unaufdringliche Begleiten. Aber wenn er loslegt, bricht mir der Ekstase-Schweiß aus. Sein Solo in „Yemen“ ist von erlesener Dramaturgie. Unbedingt reinziehen!
     
    Omer-Klein-Trio – Jazz Baltica 2016

    („Yemen“ ab 45:25 – Drum Solo ab 50:15)
     
    Am 12. März spielen Omer & Friends in der Unterfahrt München. Zwei Tage davor treten dort Richie Beirach & Dave Liebman auf. Tickets sind bestellt …

    Soeben um 15:15 Uhr auf YouTube entdeckt:
    2013 war Ziv Ravitz Drummer im Omer Klein Trio

  2. Jochen:

    Thanks for responding, Sonator.

    It´s getting public: jazz musicians from Israel are on the rise.

  3. ijb:

    Lustig. Ja, das hat Eicher vor ca. zwei Jahren auch schon gesagt – dass er die israelische Szene derzeit viel spannender fände als etwa die New Yorker.

    Ich hab zwar bislang keinen der genannten live erlebt (Ich gehe aus Kostengründen sowieso selten in Konzerte, denn meist kann man sich für den Preis einer Konzertkarte drei, vier, bei teuren Konzerten auch deutlich mehr CDs bzw. Platten kaufen und für mich ist da der „Nutzwert“ der Chance, die Musik sehr, sehr viel häufiger als nur einmal hören zu können doch absolut ausschlaggebend), aber ich überlege, am Sonntag zu Oded Tzurs Auftritt zu gehen. Hat den schon jemand live gehört? Ich kenne bislang gar nichts von ihm, natürlich auch (noch) nicht das demnächst erscheinende ECM-Album.

  4. Michael Engelbrecht:

    Ein Anruf bei CS, und du landest auf der Gästeliste (Biermann plus1). Das Album habe ich zu flüchtig gehört, um mir eine Meinung gebildet zu haben.

    Ziv Ravitz (klingt schon wie ein drummer‘s name, vom Sound) wird einer von zwei Schlagzeugern sein, die am 27. März auf einer dann erscheinenden ECM-Produktion zu hören sein wird, als Teil von Avishai Cohen‘s „elektrischer Band“.

  5. Lajla:

    Mal im Ernst, ist Avishai einer der Cohen Brüder? Nein, nicht der Big Lebowski, das wäre ja dann Cohen ohne h, nein, der von „Das Leben ist ein Fest“? Der mit dem Saxophon tanzt?

  6. Sonator:

    Cohen scheint ein Name zu sein, wie Müller oder Schmidt.

    Die Coens kenne ich nicht, sie sind wohl keine Musiker. Jenseits von Musik vergrößern sich bei mir die Leerräume.

    Es gibt 2 musikalische Avishai Cohens, die nicht miteinander verwandt sind.

    Avishai Cohen, trumpet
    Avishai Cohen, bass

    NACHTRAG 1:
    hier noch ein YouTube Video des Omer Klein Trios mit Ziv Ravitz (drums) – 2014

    Ab 50:50 Yemen – don’t miss it !!! DON’T MISS IT !!!

    NACHTRAG 2:
    Shai Maestro Trio – jazzahead 2014
    Shai Maestro – piano
    Jorge Roeder – bass
    Ziv Ravitz – drums

    The Return of the NÜRNBERG FEELING

    don’t miss it !!! DON’T MISS IT !!!

    NACHTRAG 3:
    Ziv Ravitz , und kein Ende …
    Am DI. 25. Februar sendet der DLF um 21:05 Uhr in „Jazz live“
    Yaron Herman Trio
    – Yaron Herman, piano
    – Barak Mori, bass
    – Ziv Ravitz, drums

    Aufnahme vom 6.9.2019 im BLG Forum Bremen

    Yaron Herman war der erste jüngere Jazzer aus Israel, den ich vor fast 10 Jahren schon live gehört habe in Fürth und im Birdland zu Neuburg an der Donau

  7. Jochen:

    Ernsthafte Antwort, liebe Lajla: „Volltreffer!“

    Den Film kenne ich leider nicht – but in fact there are three Cohens: Avishai (don´t mix him up with a bassplayer of same name), brother Yuval and sister Anat (don´t mix her up with pianist Anat Fort).

    Hier tanzt zwar niemand mit dem Wolf, hingegen kommt der Tiger aus dem Tank:
     
    „Tiger Rag“
     
    Korrektur: Beim genannten Film handelt es sich um Bassist Avishai Cohen.

    (don´t mind the bugs, we are still humans)

  8. Lajla:

    Die Coen Brothers nicht zu kennen, ist eine Bildungslücke, Herr Sonatore ;)

    Die Filmmusik im Big Lebowski ist „Gefühlsdudelei“. Dead Flowers von Towns Van Zandt z.B., bitte heute am Valentinstag nicht verschenken.

  9. Sonator:

    Liebe Lajla, ich tu Lücken-Buße.

    Aber Valentinstage beachte ich nicht – da kannste nix machen ;)

  10. ijb:

    Stichwort Gästeliste: Ich rufe ganz sicher nicht irgendwelche Menschen an, die mich kaum kennen, um um Freikarten zu bitten.

    Ich hab ja viele Musiker zu Interviews getroffen, aber ich frage da nie nach kostenlosen Eintrittskarten; wenn es nicht zu teuer ist, bezahle ich nach einem Interview o.ä. (selbst wenn Musiker/innen, mit denen ich befreundet bin, zu Gast sind) auch für ein Konzert, es sei denn, jemand bietet das von sich aus an; dann ist das natürlich toll. Wadada Leo Smith, überhaupt ein großartiger Mensch, war da z.B. so freundlich und herzlich [wenngleich er mir die Info erst per SMS schickte, als ich schon zu Hause war, und dann bin ich mit rasanter Geschwindigkeit noch mal quer durch Berlin geradelt. :-) .]

    Ich kenne viele Geschichten aus dem Munde von Musikern, Veranstaltern und Presseleuten, die davon berichten, wie alle möglichen Leute, mit oder ohne Bekanntschaft, frei heraus nach kostenlosen Karten fragen; entsprechend habe ich da auch einen gewissen Respekt, und ganz besonders wie gesagt wenn sonst kein Kontakt besteht.

  11. Michael Engelbrecht:

    Wer so viel macht für ECM, gehört sicherlich auf die Gästeliste von Konzerten mit ECM-Künstlern. Seit ich Journalist bin, habe ich, glaube ich, noch nie Eintritt für ein Konzert mit ECM-Künstlern bezahlt. Und auch sonst kaum. Und bin meinen Meinungen stets treu geblieben. Ganz leicht ist es in der Regel auch, bei dem Veranstalter anzurufen und sich auf die Gästeliste setzen zu lassen. Du hast alle guten Gründe auf deiner Seite. Offensichtlich habe ich deinen Kontakt zu cs falsch eingeschätzt. Das war übrigens ein wohlmeinender Rat :) P.S. Musiker frage ich auch nie nach kostenlosen Tickets, das finde ich auch daneben.

  12. Lajla:

    Rosato, du hälst es dann lieber mit Karl oder Barbara Valentin? Au net schlecht.

  13. ijb:

    :-) Klar, als wohlmeinenden Rat habe ich das durchaus verstanden. (Vermutlich bräuchte es auch einige Gedankenakrobatik, es anders auszulegen.)

    Nun ja, ich habe tatsächlich nur wenige ECM-Künstler im Konzert erlebt, speziell wenn ich bedenke, wie intensiv und ausführlich hier auf dem Blog und auch in der ECM-„Fangruppe“ bei Facebook (Jan und Brian sind auch dort ganz gut unterwegs) über vielerlei Konzerterfahrungen berichtet wird. Viele Musiker, die einige von euch schon in den Siebzigern, vermutlich zahlreiche Male, in Konzerten erlebt haben, habe ich noch nie live gehört – und werde es mit einiger Sicherheit auch nie. Unlängst war mal wieder Herbie Hancock hier zu Gast, in der Philharmonie (ich wohne nur fünf Minuten entfernt), und da dachte ich durchaus wieder einmal, es könnte die letzte Gelegenheit sein – aber diese Preise … puh … das ist einfach für Normalsterbliche vollkommen absurd. Sehr schade, aber will dem auch nicht mit Bedauern und Klagen hinterherhängen; glücklicherweise konnte ich ein paar andere Leute dieser Generation (andere Stilrichtung allerdings) ein paar Mal im Konzert besuchen, wenn mein Vater hingehen wollte und ich als junger Mensch mitkommen konnte – Rolling Stones, McCartney, Aerosmith, M. Faithfull und so einige konnte ich so vor 20-30 Jahren teils mehrmals erleben, worüber ich noch heute sehr froh bin.

    Manchmal ging es mir dann auch so, dass ich in einem Jazzkonzert hier in Berlin war und dann dachte, hm, das ist schon ganz gut, was die machen, aber eigentlich sind 20 bis 25 Euro dafür schon echt ne Menge Geld (klar, für jemanden, der eher so 2000 im Monat verdient, ist das was anderes), da kaufe ich mir doch lieber 2-3 CDs und kann mehrfach in die Musik eintauchen. Insofern finde es, danke, schon nett, dass du sagst, ich „gehöre“ auf so manche Gästeliste; aber ich wüsste ja nicht mal, ob, nun z.B. im Fall Oded Tzur, ECM überhaupt etwas mit der Tour zu tun hat, wie das in ferner Vergangenheit mit Thomas Stöwsand usw. der Fall war.

    Zu CS noch ein PS: Er schickte mir über die letzten zehn Jahre einige Alben — aber für gewöhnlich nur auf Nachfrage, und natürlich speziell im Kontext mit „Nordische Musik“-Rezensionen, also alles jenseits dieser skandinavischen Interpreten habe ich ganz normal, und meist auch zu normalen Preisen im Einzelhandel gekauft, in letzter Zeit aber eher etwas weniger, aus genannten Gründen. (Das ist an sich ja auch selbstverständlich. Ich meine damit, dass ich keineswegs erwarten würde, von ECM irgendwelche Sachen umsonst zu bekommen.) Tatsächlich hatte ich erst letzte Woche mit jemandem im Hause ECM einigen Kontakt (in anderer Angelegenheit), den ich dann im Mailwechsel bat, ob er mir nicht die CDs von Tzur und Bley schicken könne, durchaus „auch mit Rechnung“ (eben mit dem Konzert jetzt am Wochenende im Hinterkopf), und das wurde zwar bestätigt/zugesagt, aber leider ist bis heute nichts bei mir angekommen. Ist jetzt selbstredend nicht weiter tragisch, wie gesagt, ich weiß natürlich, dass die dort alles mögliche zu tun haben, ist klar, dass meiner Wenigkeit dort jetzt keine bevorzugte Aufmerksamkeit o.ä. zuzukommen hat.

  14. Rosato:

    jo, mit Karl

    Barbara is eher was für Erzengel Mikal

  15. Lajla:

    Das war jetzt Gabelkommunikation. Cool.

  16. Jochen:

    @ Ingo

    Mein Vater hat mich nie mit auf ein Stones Konzert genommen ;(

    (haha, the times are permanently changing)

  17. Sonator:

    haha

    Jochen, mir scheint, du bist permanently auf Dylan Konzerten gewesen

  18. Michael Engelbrecht:

    @ Ingo:

    Du stehst auf der Gästeliste in Berlin, 1 free ticket, für das Oded Zsur Konzert. Im a-trane.

    Ich glaube, du schuldest mir jetzt ein Berliner Malzbier 😉

  19. ijb:

    Hey, danke, mal schauen, wo ich ein Malzbier finde.

    Man sieht, du bist gut vernetzt und hast die richtigen Freunde in den richtigen Positionen – wenn du sogar Freitag Abend, wo die Leute schon das Büro verlassen haben, noch solche Coups drehen kannst …

    Dann bin ich ja mal auf den Herrn aus Israel gespannt.

  20. Michael Engelbrecht:

    You‘re welcome.

    Aber Malzbier, wirklich 😉

  21. Michael Engelbrecht:

    Übrigens, hier mal das im Moment mögliche Aussehen der Jazzfacts im Deutschlandfunk am 5. März, ich warte noch auf HUBRO-Alben, von Erlend Apneseth und Christian Wallumrod.

    Aber Freunde des Jazz und seiner äussersten Randzonen, hier werdet ihr die eine und andere neue Lieblingsscheibe finden – und ich würde es hier nicht posten, wenn nicht Ziv Ravitz voraussichtlich dabei wäre….

    1) Avishai Cohen: Big Vicious (elektrische Band)

    Beitrag 1: Thomas Löwner über die neue Muthspiel-Trio Cd

    2) Samuel Rohrer: Continual Decentering (Arjuna Music)

    3) Jeff Parker & The New Breed; Suite for Max Brown (XL Recordings)

    4) Makaya McCraven: We‘re New Again – a re-imagining (International Anthem Rec.) – „With clever twists of post-production, Makaya chops and resamples not only his own band but also choice words and phrases of each stanza, making the poetry a percussive element and drawing out emphasis. A decade after his death, Gil Scot-Heron’s final oeuvre has finally settled into something great.“ Joseph Blais, line of best fit

    5) Eivind Aarset / Jan Bang: Snow catches on her eyelids (Jazzland)

    Beitrag 2: Bert Noglik über Carla Bley / Andy Sheppard / Steve Swallow: Life Goes On

    6) Avishai Cohen: Big Vicious (elektrische Band, VÖ. 25. März, with kind permission of ECM)

  22. Martina Weber:

    „Snow catches on her eyelids“ ist ein heißer Kandidat für mein Album des Jahres 2020.

  23. Michael Engelbrecht:

    In the piece played in the night, „The Witness“ there was a touch / vibe of Michael Brook‘s HYBRID in it, not the e-bow guitar only.

  24. Hans-Dieter Klinger:

     
    referring to Jochen

    Warum um alles in der Welt erreicht einen Musik denn umso intensiver, je leibhaftiger man sie erlebt?

    Das Hören von Musik über Medien ist der Normalfall geworden. Der visuelle Eindruck ist ausgeblendet. Was einst fast immer der Fall gewesen ist, ist in modernen Zeiten unüblich geworden.
     
     
    Shai Maestro in Nürnberg am 30. Nov. 2019
     
    Er setzt sich ans Klavier, neigt sich den Tasten zu,
    nein nicht den Tasten, sondern den zarten leeren Quinten,
    die er mit feinfühligen Fingern den Tasten mitteilt und den Saiten entlockt.
    Diese Geste und seine kaum sichtbaren körperlichen Reaktionen auf das Empfinden dieser scheinbar so simplen Klänge haben mich überwältigt. Das sind Wahrnehmungen und Gefühle, die beim Anhören von Tonträgern verloren sind. Das Geschehen auf der Bühne, die leuchtenden Augen der Musiker wenn sie spüren, dass sie jenseits aller Routine sich verstehen, überraschen, beglücken und das Publikum dazu …

    Das Publikum, fast ein Organismus. So wie ich ein Kribbeln in der großen Fußzehe bemerke, empfange ich das Kribbeln der Hörer bei dieser Musik.

    Es ist ein willkommener Unterschied, mit einem Freund, anstatt alleine Musik aus der HiFi-Anlage zu belauschen.
     
     
    Von größter Tragweite ist die Konditionierung der Rezeption durch die Erfindung der Schallaufzeichnung und die unermesslich angewachsene ständige Verfügbarkeit von Musik. Alles was zum Überfluss wird, verliert seine Einzigartigkeit, seine Magie – auch das Einfache.
     
    geschrieben unter
     
    Gregor öffnet seinen Plattenschrank (198)
     

  25. Jochen:

    Es ist eine interessantes Thema. Gestern stöberte ich durch ein paar hörenswerte Alben von/mit Ziv Ravitz. Sie vermittelten aber nicht annähernd den Eindruck des vergangenen Live Konzerts, das mich „angetriggert“ hatte. Sie waren sozusagen second hand.

    Apropos: mein Vorschlag wäre (auch auf Anregung eines Lesers hin), eine Liste der ehemaligen Autoren zu erstellen, damit deren lesenswerte Beiträge weiterhin leicht zu erreichen sind.

  26. Hans-Dieter Klinger:

    @Vorschlag

    eine ausgezeichnete Idee, dann stünde eventuell Gregor wieder in der Liste und mit einem Klick findet man seine Beiträge.

    Die Stürme der letzten Wochen ließen mich in Windeseile zu den Anfängen des Blogs im Jahr 2011 und anderen Eilanden verschiedener Jahre segeln und ich fand reiche Beute.

  27. Jochen:

    Definitiv – dann stünde Gregor wieder auf der Liste.

    Und was dich betrifft: du solltest eh zurückkehren :)

  28. Michael Engelbrecht:

    Interesting indeed, and I do understand all these points well, but I surely have had my deepest musical experiences at home, alone, with the music on (not depending on the quality of the sources in terms of audio equipment).

    In regards to listening, I prefer being alone at home, lights turned down low, for the most intense and immersive experiences. Again there is no this OR that. It‘s the mode of being and living that fits best for one‘s being in the world. Truth is personal in this case.

    I will never forget the most exciting live concerts of my life, but the immersion and deepness and surrender (when listening to albums in certain receptive moods at home) in most cases surpasses the peak live experiences by far. And this has, for me, nothing to do with the availability of albums versus concerts. For me, listening is more like meditating, and I simply prefer to meditate alone.

    One of my deepest concert experiences was Byard Lancaster III in Paris in 1974 (or the penultimate performance of Keith Jarrett‘s American quartet in Nürnberg 1976 or so), but the first time I listened to Jan Garbarek‘s WITCHI TAI TO on an average stereo system (or to Sgt. Pepper when it had just been released, or to Brian Eno‘s THE SHIP) simply went much deeper. There are strange and awesome spaces that can open themselves up in the most intimate or even normal surroundings – at home).

    A few years ago: Bill Callahan live – great, great concert, but, in comparison, at home in the dark, Bill Callahan, putting on his album DREAM RIVER, candle light, well, no live gig of Bill could ever rival that.

  29. Martina Weber:

    Den Vorschlag, eine Liste ehemaliger Autoren zu erstellen, wollte ich schon vor einiger Zeit machen. Halte ich für sehr wichtig und zeugt auch von Respekt.

  30. Hans-Dieter Klinger:

    ZITAT

    In regards to listening, I prefer being alone at home, lights turned down low, for the most intense and immersive experiences. Again there is no this OR that. It‘s the mode of being and living that fits best for one‘s being in the world. Truth is personal in this case.

    All right – I agree

    Nein, so einfach ist es nicht. Ich möchte ja auf Tonträger nicht verzichten. Sonst hielte ich die musikalische Erde für eine Scheibe. Den Blick hinter den Horizont erlaubten ja erst die medialen Veränderungen und Durchbrüche der letzten 150 Jahre.

    Ich beschreibe nur meine eigenen Positionen, begründet auf selbst Erfahrenem.

    Trotzdem halte ich den Überfluss und die ständige Verfügbarkeit von Musik bedenklich. Jedoch mache ich mich nicht zum Don Quixote, denn gegen die Wucht der Windmühlen komme ich eh nicht an. Ich kann mich bzw. meine kleine Welt einigermaßen einrichten & gestalten wie es mir gefällt, in der Linder Ebene radeln, im Hochland Islands wandern (leider nicht mehr), Live Konzerte und den Mana-Blog besuchen, in die Dasdadur klopfen und den Blog beliefern, Kaffee trinken, im Landgasthof Detsch hervorragend speisen, hoffen, dass Gregs zurück kommt, zu meiner 98-jährigen fast tauben Mama sagen „ey, bis jetzt warst du meine Mama, jetzt bist du meine Freundin “ …

  31. Jochen:

    @ Martina

    Das freut mich.

  32. Michael Engelbrecht:

    @ HDK

    Schön beschrieben.

    In der Sache: die ständige Verfügbarkeit von Musik halte ich an sich für kein Problem, allerdings begünstigt sie einen oberflächlichen Konsum.

    Rituale des Hörens schaffen, die das Hören einen aktiven, kreativen Akt sein lassen, das kann in privaten wie öffentlichen Räumen geschehen.

  33. ijb:

    Kurze Zwischenmeldung: Ich war bei dem Konzert von Oded Tzur – sehr schöner Auftritt, sehr dynamisch, tolle Songs … Der Anfang erinnerte mich total an „Is A Woman“, meinem Lieblingsalbum von Lambchop (überhaupt eines meiner Lieblingsalben (oder Desert Island Alben, wie ihr hier eher sagt, oder?)). Sehr interessant war auch, dass der Chef oftmals pausierte, d.h. die Band über weite Strecken im Trio spielte. Nachdem ich durch Michaels Engagement freien Eintritt erhielt (der mir allerdings fast nicht gestattet wurde, da irgendwo auf der Weitergabe-Reise mein Name verändert wurde), hab ich dann die Platte erworben und bin mein Geld dann doch losgeworden ;-). Normalerweise würde ich nie 25 Euro für eine (Einzel-)Platte zahlen, aber die CD kostete auch schon 20, und sie hat ein Foto von Jean Guy Lathuilière auf dem Cover; so hab ich ihm praktisch ebenfalls noch die Ehre erwiesen, nachdem es Jahrzehnte lang ja nur eine einzige LP mit einem Bild von ihm gab (das erste, zum Album von Alex Cline (1989), das ja Ausgangspunkt für mein Lathuilière-Portrait ist.


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