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Archives: Jamie Cullum

Samstag 16. Juli 2016 – München, Gasteig
 
Keith Jarrett, piano solo
 
Ich habe Jarrett am 23. Oktober 1992 im Gasteig zu München live gehört und damals beschlossen, kein Konzert Jarretts mehr zu besuchen. Warum?

Jenem Konzert drohte der Abbruch. Es stimmt schon, in den ersten 10 Minuten wurde gehustet wie in einer Lungenheilanstalt. Jarrett hörte auf zu spielen, wandte sich zunächst freundlich ans Publikum: „can we cough all together at the same time?“, worauf es lange ruhig blieb bis eine weitere Ermunterung ein paar bemühte Verhüstungen hervorrief. Es dauerte nicht lange bis zum nächsten Einhalt. Diese Unterbrechung war jedoch ernster, unangenehmer, denn Jarrett verließ die Bühne, Ende der Vorstellung? Es schien so, denn es dauerte lange, bis er zurück kam. Zuhören mit einer Schlinge um den Hals, die bei jedem Husten im Saal sich enger zusammen zieht, ist nicht mein Ding.

Mit einem solchen Vorfall hatte ich nicht gerechnet. In jenen Zeiten des Praeinternetikums war die Kunde von Jarretts Publikumsbelehrungen noch nicht bei mir eingetroffen. Im Oktober 1992 besuchte ich das zwölfte Mal ein Konzert von bzw. mit Keith Jarrett. Nur einmal erlebte ich eine Unterbrechung. Das war beim Auftritt seines Amerikanischen Quartetts 1976 bei Jazz-Ost-West in Nürnberg, wo er nach wenigen Sekunden sich an die Herde von Fotografen wandte: „If you don’t know when to take pictures – I don’t want any pictures – we stop immediately“. Einverstanden. Es sei gesagt, dass es das sog. Ambiente Konzert war, bei dem simultan im Großen Saal, im Foyer und im Kleinen Saal der Meistersingerhalle Bands spielten und die Besucher nach gusto hin und her wanderten. Es gab Unruhe die Fülle als Jarrett, Redman, Haden und Motian eine fantastische Performance der „Survivors’ Suite“ spielten – ohne weitere Unterbrechung!

Nun habe ich doch noch einmal ein Jarrett Konzert live erlebt. Leise muss es da zugehen.
 
 
 
Jarrett2016
 
 
 

Dieses Ticket war ein Geschenk, das mir zwei Tage vor dem Event zugefallen ist. Natürlich ist mein 1992 gefasster Vorsatz obsolet geworden. Aber was ihn auslöste spielt freilich eine Rolle, zumal medial vermittelte „Erkenntnisse“ über Jarretts gelegentlich sogar unflätige Belehrungen des Publikums, über seinen neurotisch anmutenden Zwang, mangelnde Konzentrationsfähigkeit des Publikums zu beklagen etc. den zum künstlerischen Hochamt Pilgernden begleiten. Die frischen Nachrichten kamen aus Wien – vom 9. Juli 2016.

Keith Jarrett tritt nicht auf, um Mühselige, Beladene oder Gutgelaunte zu erquicken. Er verlangt dem Publikum Einiges ab, wobei die einfachste Übung darin besteht, SmartPhones still zu legen und auf schlecht belichtete SmartPhotos zu verzichten – eine Aufgabe, an der mindestens 2 Wiener scheiterten. In München – und wie ich erfahren habe auch in Wien – gab sich der Veranstalter alle Mühe, das Publikum auf Jarretts Ansprüche vorzubereiten, niemand sollte versehentlich einen Eklat provozieren. Auf jedem Sitz lag ein Infoblatt mit Verhaltensregeln, zu denen auch ein Fotografierverbot während des Schlussbeifalls (!) zählte. Der Saal wurde verdunkelt, die Seitentür zur Bühne öffnete sich, und es trat auf … ein abhängig Beschäftigter der Veranstalterfirma, welcher den Text des Infoblattes vorlas, das Blatt wendete und alles in English wiederholte.

Ich bin trotzdem auf das Schlimmste gefasst, aber es kommt ganz anders. Das Publikum ist lautlos still und bleibt es nach dem einleitenden sperrigen Jarrett’schen Impromptu. Eine lange Generalpause, dann Jarretts erste kurze Ansprache: man möge ruhig applaudieren, wenn einem danach ist – Erleichterung auf beiden Seiten. Das zweite Stück ist von düsterer Art. In den anschließenden Miniaturen erklingen hellere Farben, fassliche Melodien, es folgen glitzernde Passagen, pianistische Bravourstücke, impressionistische Klänge. Gelöst und ohne jeden Hinweis auf einen Verfall der guten Atmosphäre geht es durch den zweiten Teil.

Zu Jarretts Konzerten gehören offenbar Ansprachen, dem Vernehmen nach meistens Belehrungen oder gar Beschimpfungen. Er hält im zweiten Teil eine längere Vorlesung, sie handelt von den Herausforderungen an einen Improvisator, der sich nicht wiederholen, der nicht in Routine verfallen will, davon, warum er nach weit über 100 Solokonzerten immer noch die Anstrengungen von Solo Recitals auf sich nimmt – „who else will do it?“

Er schließt, sich gut gelaunt entschuldigend, mit „Why am I giving a lecture?“ Ich höre ein „thank you“ und halte das für mehr als eine höfliche Floskel der Art thank-you-for-listening

Zurück zum Pianoforte für einen stilisierten Blues und ein paar schöne Préludes vor herrlichen Zugaben: „Answer Me, My Love“, eine zweite, die mir kein Standard zu sein schien, und „Somewhere over the Rainbow“. Standing Ovations nach jeder Zugabe, ich hatte den Eindruck, es könne sogar ein viertes Encore geben. Es war ein großartiges Konzert. Dann ist es doch passiert – ein paar SmartPhlitzlichter …

 

Ferdinand Ries

 

Dieser Marsch veranlaßte übrigens das Gute, daß Graf Browne gleich die Composition dreier Märsche zu vier Händen, welche der Fürstinn Esterhazy gewidmet wurden (Opus 45), von Beethoven begehrte.
Beethoven componirte einen Theil des zweiten Marsches, während er, was mir noch immer unbegreiflich ist, mir zugleich Lection über eine Sonate gab, die ich Abends in einem kleinen Concerte bei dem eben erwähnten Grafen vortragen sollte. Auch die Märsche sollte ich daselbst mit ihm spielen.
Während Letzteres geschah, sprach der junge Graf P…. in der Thüre zum Nebenzimmer so laut und frei mit einer schönen Dame, daß Beethoven, da mehrere Versuche, Stille herbeizuführen erfolglos blieben, plötzlich mitten im Spiele mir die Hand vom Clavier wegzog, aufsprang und ganz laut sagte: „für solche Schweine spiele ich nicht.“
Alle Versuche, ihn wieder an’s Clavier zu bringen, waren vergeblich; sogar wollte er nicht erlauben, daß ich die Sonate spielte. So hörte die Musik zur allgemeinen Mißstimmung auf.

 

 (vorgefallen im Jahr 1803)

 

 

Montag 18. Juli 2016 – München, Tollwood Festival

 

Jamie Cullum

 

Der Besuch eines Jamie Cullum Konzerts ist bei uns ein Familienausflug, dreimal schon hat das stattgefunden. Da geht es ganz schön laut zu. Ich habe mich nicht vorne in Nähe der Bühne aufgehalten, sondern hinter dem Geviert der Licht- und Tontechnik. Vielleicht ist dort der Sound der bestmögliche im Tollwood-Zelt. Eine Schalldruckanzeige verrät präzise, wann es ratsam wird, die Ohren zu schützen. So weit kam es nicht, 103 dB war der einmalige Spitzenpegel. Außerdem gab es kühlende Ventilatoren für die Belegschaft und einen großen Flachbildschirm – ich hatte also beste Sicht auf die Bühne und Jamie Cullums Finger.

 
 
 

 Cullum2016

 
 
 

Jamie Cullum tritt auf, um viele Gutgelaunte zu erquicken. SmartPhotos ohne Blitzlicht, gedacht für den Privatgebrauch sind erlaubt – so die Durchsage des Veranstalters. Jazz mit Popschminke, Pop mit Jazzschminke unterhalten mich glänzend. Jamie, das Energiebündel, ist ein wirklich guter Klavierspieler und Crooner mit einer perfekten Band. Große Überraschungen gibt es nicht und bald fühle ich mich wie im Fußballstadion, umgeben von Fangesängen, die Songs werden mit Jubel begrüßt wie Kicker, wenn sie in die Arena einziehen. Jamies Intros funktionieren, wie Ansagen des Stadionsprechers. Beim nächsten Familienausflug bin ich bestimmt wieder dabei.

 

fast vergessen: Jamie Cullum ist ebenfalls in Wien aufgetreten.


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