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2018 25 Okt

E & U – Gerichte

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In meiner Kindheit kamen nur einfache Speisen auf den Tisch. Es war Nachkriegszeit und die Köchin der Familie war meine Oma Jette. Sie stammte aus einem Bauernhaus und kochte wie ihre Großmutter ein begrenztes Repertoire an Rezepten. Es gab ein paar Gerichte, die an bestimmten Wochentagen immer auf den Tisch kamen. Am Mittwoch gab es „Schnitz und Backela“ (hochdeutsch „Gemüsesuppe und Kartoffelpuffer“), denn am Mittwoch konnte man beim Metzger für 10 Pfennige 3 Liter Wurstbrühe kaufen und mit Kartoffeln, gelben Rüben, Lauch, Zwiebeln und Majoran in „Schnitz“ verwandeln. Am Samstag gab es meistens 2 Gänge. Brotsuppe eröffnete das Menu, Pellkartoffeln und Quark (oder Bratheringe) waren der Hauptgang. Ich hatte dieser Tage Lust auf #RetroCooking.

 
 
 

 
 
 

Das ist Brotsuppe, von mir gekocht am letzten Wochenende. Eigentlich ist es ein Verwerten harten alten Brotes in Gemüsebrühe, gewürzt mit knusprig gerösteten Zwiebeln, abgeschmeckt mit Salz und Pfeffer. Danach kamen Pellkartoffeln und Quark auf den Tisch. Es sind Gerichte von wunderbarer Kraft, wohlschmeckend, einfach, manchmal rauh, aber niemals dumm. Die Bauern aßen, um zu überleben.

 
 

 
 

Ein Eberkopf, seltsam grün und mit Blattgold verziert, ein Schaugericht, Essen für satte Leute. Wenige dieser Gerichte waren zum Verzehr bestimmt. Food Porn of the 18th Century, Schaustück und Attraktion für die festliche Tafel bei einem Bankett an Adelshöfen.

 
 
 

 
 
 

Die Funktion solcher Schaugerichte war, das Ansehen des Gastgebers zu erhöhen. Je bedeutender die Gäste, desto größer das Spektakel. Sie dienten der adeligen Repräsentation zusammen mit Architektur, Kleidung, Dichtung, Musik etc. und waren letztlich Statussymbole, Insignien von Macht und Herrschaft.

 
 

 
 

In den Jahren 1717 bis 1723 war Johann Sebastian Bach Kapellmeister am Hofe Anhalt-Köthen. Es muss eine gute Zeit für ihn gewesen sein, schrieb er doch im Jahr 1730: »Dasselbst hatte einen gnädigen und Music so wol liebenden als kennenden Fürsten; bey welchem auch vermeinete meine Lebenszeit zu beschließen«.

 
 
 

Leopold von Anhalt-Köthen

 
 
 

In den ersten Köthener Amtsjahren hat Bach den Herzog zweimal auf Reisen nach Karlsbad begleitet. Ein Teil der Hofkapelle hatte in dem berühmten Badeort, einem Treffpunkt der Herrschenden und Reichen, für Leopolds musikalische und gesellschaftliche Repräsentation zu sorgen. Wahrscheinlich wurde das eine oder andere der Brandenburgischen Konzerte – sie entstanden in Köthen – aufgeführt. Mit J.S. Bach und den Virtuosen der Kapelle konnte der Fürst eher reüssieren als mit seiner Kutsche und den 2 bis 4 Pferden. Heutzutage kann man wohl besser mit einem Fahrzeug als mit einem iPod Aufsehen erregen.

2018 17 Aug

E & U – Wagner

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Sandro?
nein
 
Richard?
schon eher
 
 
Ein ziemlich unscheinbarer cliffhanger in den comments von „My Ways“ ist Schuld an diesem (für manche abschreckenden) Titel.
 
 

es soll tatsächlich auch Leute geben, die ausser Wagner nichts gelten lassen

 
 

Ich selbst bin kein Wagnerianer, nicht einmal ein Opernfreund. Ich mag nur zwei Opern. Im Zeitraum eines halben Jahrhunderts habe ich vier Mal eine Aufführung der Bayreuther Festspiele besucht. In zwei Fällen war der Zutritt eher ungewöhnlich, ansonsten erhielt ich Billets von einer guten Freundin, die seit langem jährlich Festspiel-Tickets bestellt. Einst hatte man nach der Erstbestellung 8 bis 10 Jahre zu warten, bis einem Einlass gewährt wurde. Nicht warten müssen die von Hundertschaften der Polizei behüteten geladenen Gäste der Premiere. Sie sind reichlich ausgestattet mit ökonomischem und sozialem Kapital, aber bestimmt mit weniger kulturellem Kapital als die eingefleischten Wagnerianer, die später kommen, zum zweiten, dritten, vierten Zyklus. Ich erinnere mich, dass vor Jahren Franz Beckenbauer mit Gattin Premierengast gewesen ist. Im Präinternetikum hätte ich es bei diesem Sätzchen belassen müssen. Heute aber finde ich mühelos einen Artikel, der am 26.04.2008 im Berliner Tagesspiegel erschienen ist.

 

Es war Franz Beckenbauer, der Mitte der siebziger Jahre – angetrieben von seiner bildungsbeflissenen ersten Frau Brigitte – eine „Tristan“-Vorstellung auf dem Grünen Hügel besuchte und die Schallmauer durchbrach. Sein Kommentar? Er habe kein einziges Mal auf die Uhr geblickt. Im Übrigen sei die Arbeit eines Wagner-Sängers mit der eines Fußballers durchaus vergleichbar: fünf Kilo Gewichtsverlust pro Abend/Spiel. Und das Festspielhaus erinnere ihn an das Stadion Rote Erde in Dortmund: „Außen nicht besonders schön, aber drinnen hervorragend für die Spieler.“

 

Einer von jenen, die erfahren mussten, dass es Leute gibt, die ausser Wagner nichts gelten lassen, ist Gregor.

 

Ich musste um meine Musik kämpfen, sie heimlich hören, sie galt nichts, Klassik war alles, für meinen Vater vor allem Wagner. Aber für seine Musik zu kämpfen, das hat ja auch was.

 

Wie vor kurzem hier zu lesen war, blieben mir solche Kämpfe erspart. Vater-Sohn-Konflikte durchzustehen gab es für mich als opus postumum nicht. Mein Großvater aber war nicht besonders angetan von meiner Berufswahl. Er hielt Musik für eine brotlose Kunst.

Mit meinen Seminarlehrern gab es nur minimale Spannungen während des Referendariats. An die beiden blieben mir nur vage Erinnerungen. Sie rauchten wie Dampflokomotiven. Von Beat-Musik hielten sie nichts , denn da kämen ja Quint- und Oktavparallelen vor. Jo mei, wo sammer denn! Ich erlaubte mir den Hinweis, dass Carl Orff sich ebenfalls den Quintparallelen hingegeben habe, z.B. im Chorsatz Odi et amo aus Catulli Carmina. Ich bekam eine Antwort, deren Wortlaut mir entfallen ist, nicht aber der ideologische Duktus ihrer Rede, sinngemäß: Quod licet Iovi non licet Bon Jovi. Wie sie auf die Schüler wirkten, bekam ich zu spüren als ich in der 8. Klasse erstmals ohne beider Präsenz unterrichten musste. Als ich begann, den Auftrag zu erfüllen, ein Stunde über die Klarinette zu halten, brach unbeschreiblicher Lärm los, ich war hilflos im Tumult, der sich erst nach vielen Minuten legte, erst als die Schüler ihren Frust in Worten bekennen konnten und wir vereinbarten, dass in den folgenden Stunden zur Hälfte Stoff gemacht wird und sie dann ihre Lieblingsplatten vorstellen dürfen.

In Kronach war ich wieder im Hinterland angekommen. Der Musiksaal des Gymnasiums war der am weitesten vom Haupteingang entfernte Raum – ein Umstand, dem ich bald Symbolwert zuwies. Musik war kein Vorrückungsfach, die Oberstudiendirektoren, meine „Chefs“, waren keine „Wunderohrenkinder“, hatten auch keine Bücher über Polyphonie gelesen. Ich war abgesondert, vielleicht galt ich als absonderlich, niemand konnte mich an mir selbst irremachen, niemand hinderte mich, Songs der Beatles mit den Schülern zu singen. In meinem ersten Jahr in Kronach gestattete die Schulleitung gar den Auftritt der Band Ex Ovo (damals mit Klaus Kreuzeder am Sopran-Sax) vormittags zur Unterrichtszeit für die gesamte Mittelstufe. Im Sommer fuhren wir mit dem Bus nach Nürnberg zu Emerson, Lake and Palmer. Nun ja, einmal kam mir zu Ohren, dass ein Kronacher Kulturbischoff sich mokierte, der neue Musiklehrer lasse nur englische Lieder singen und spiele Beatmusik vor – das war aber nur die halbe Wahrheit.

 
 
 

 
 
 

Rechts im Bild sieht man Herrn Walter Kromp. Er ist vor vielen Jahren schon verstorben. Er hat mir einmal weitergeholfen. Es ging um den Auftritt einer Jazzband aus Hamburg, die ich von einem Jazzkurs her kannte, Musiker, die auch nach Auftrittsgelegenheiten suchten. Ich lud sie ein nach Kronach. Doch da das Konzert nur Abends stattfinden konnte, war es nicht möglich, dies als Schulveranstaltung auf die Bühne zu bringen.

Ich wandte mich an den Kulturring Kronach, der eigentlich nur sog. „Klassische Musik“ verwaltete. Den Vorsitzenden, Herrn S., versuchte ich mit besten Argumenten zu bewegen. Selbst der Hinweis, es würde den Kulturring keinen Heller kosten, fruchtete nicht, und mein vermeintlich stärkster Trumpf, der Saal würde mit jungen Leuten prall gefüllt sein, wurde mit diesen Worten niedergestreckt: „Für die sind wir sowieso nicht da!“. Ich habe den Hörer aufgelegt, ohne Gruß, und musste ein neues Telefon besorgen.

Walter Kromp dagegen, der Vorsitzende des Kreisjugendrings, antwortete auf meine Anfrage: „Klar, das machen wir.“ Das war dann erst der Anfang …

 
hm, jetzt fehlt mir aber der cliffhanger

2018 10 Aug

E & U – My Ways

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Ein besserer Titel ist mir nicht eingefallen, obwohl ich lange nach einem anderen gesucht habe. Erinnert er doch an Frank Sinatras Hit My Way, an einen Song, den ich nicht mag. Der Zufall hat es gegeben, dass ich nicht in Saudi-Arabien, nicht in Syrien, nicht in der DDR, nicht in Bangladesh zur Welt gekommen bin. Ich habe Glück gehabt. Ich bin in einem Wegenetz angekommen, das ich mir freilich nicht aussuchen konnte, das mir aber lieber ist als andere schicksalhaft mögliche.

„I did it my way“ – naja, das tut auf irgendeine Weise jeder. Freilich gibt es eine Auswahl vielgestaltiger Wege: ausgetretene broad ways, verwachsene Pfade, Sackgassen, Seitenwege ‘beyond mainstream’. Der schönsten einer, die sich mir öffneten, ist der Manafonistas Blog. Auf meinen Wegen im schwedischen Lappland umschwirren mich bald Mosquitos, sobald ich stehen bleibe. Und in der Manafonistas Welt finde ich Sätze, die – wenn ich innehalte – sich zuverlässig melden, sich nicht abschütteln lassen, mosquitoartig. Es sind nur wenige, dieser zum Beispiel:
 

Ganz gewiss gehören weder du noch Gregor zu jenen, die meinen, man sei mit „höheren Weihen“ gesegnet, wenn man in der Klassik weilt (solche Menschen kannte ich aber)

 
Bei den verzweifelten Versuchen, einen griffigen Namen für die sog. „Klassische Musik“ zu finden, taucht neben anderen der Begriff „Bildungsmusik“ auf. So übel ist er nicht. Das Verhältnis von Claydermans Ballade pour Adeline zu Beethovens Hammerklaviersonate entspricht etwa dem von Mensch ärgere dich nicht zu Schach. In beiden Fällen ist das andere erheblich anspruchsvoller als das eine. „Bildungsmusik“ respektive „Klassik“ war zu meiner Schulzeit einziger Gegenstand der sog. Höheren Bildung im Fach Musik. In den Lehrplänen tauchten Popkultur, Jazz und dergleichen nicht auf. Mein junger Musiklehrer am Gymnasium Münchberg behandelte jedoch den Jazz, entgegen aller curricularer Vorschriften. Sensationell. Seine Wissensbasis war das 1953 erstmals erschienene Jazzbuch J.E. Berendts, welches ich kurz darauf erwarb. So gab es innerhalb meines Klanghorizontes vorerst ausschließlich Klassische Musik – bis zum Alter von etwa 17 Jahren.
 
 
 


 
 
 

Mit „höheren Weihen“ gesegnet fühlte ich mich deswegen nie. Ich komme nicht aus einem Elternhaus, das dem Bildungsbürgertum angehörte. Meine Altvorderen waren vorwiegend Bauern und Handwerker, meine Mama eine Angestellte. Zu Hause wurde nicht musiziert, niemand spielte ein Instrument. Wie es dazu kam, dass mich Musik gepackt und nicht mehr losgelassen hat, weiß ich im Grunde nicht. Wir hatten ein Radiogerät. Meine Lieblingssendung war der Landfunk. Ach was! Es war die einzige Sendung, die ich mir als Vorschulkind anhörte. Die Beiträge zu Ackerbau und Viehzucht habe ich ertragen, der eingestreuten kurzen Volksmusik wegen. Mundgeblasenes gab es einmal im Jahr zum Schützenfest, wenn die Helmbrechts Marching Band zum Festplatz zog und den Tag im Bierzelt verbrachte. Man hätte mich vormittags vor der Kapelle abstellen und nachmittags abholen können. Abends im Bett habe ich dann selbst Musik gemacht, vokale Variationen über Blasmusik, autodidaktische Stimm- und Gehörbildung bis ich in den Schlaf fiel.
 
 
 

 
 

Das hat mir meine Mama vor ein paar Wochen geschildert. Sie kann noch viel erzählen, aus ihrer Jugend, von unserer Familie. Als ich 12 Jahre alt war kaufte sie für mich ein Klavier, ein Steingraeber Piano. Es kostete etwa das 10-fache ihres Monatsgehalts.

Als Teenager war ich sogar AFN-Hörer. Wenn ich nach der Schule, nach der Zugfahrt und dem Weg vom Bahnhof zu Hause eintraf, war die Zeit gekommen, da AFN Sinfonische Musik sendete. Niemand hat mich angehalten, gehindert oder gezwungen, Klassische Musik zu hören. Warum ich diesen Weg über manchmal verwachsene Pfade gewählt habe, weiß ich nicht. Die Musik hat mich einfach angetörnt.
 

Ich war von der Welt abgesondert, niemand in meiner Nähe konnte mich an mir selbst irremachen und quälen, und so musste ich original werden.

Dieser Satz ist nicht von mir, sondern von einem wahren Genie. So etwas kann mir nicht einfallen. Jedoch habe ich, seit ich ihn zum ersten Mal gelesen habe, das Gefühl, dass er nicht ganz unpassend meine musikalischen Wege charakterisiert.
 


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