Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

You are currently browsing the blog archives for the tag ‘Conspiracy’.

Archives: Conspiracy

2020 18 Sep

Konspirative Gruppe

| Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | Tags: , 2 Comments

1975 oder 1976 muss es wohl gewesen sein, als es mich mit meiner damaligen Gang in die Hamburger „Fabrik“ verschlug. Angekündigt war das „1. New Jazz Festival“, federführend stand wohl der NDR dahinter, dennoch hat es meines Wissens nie eine zweite Ausgabe gegeben.

Ich meine, es hätten drei Gruppen an dem Abend gespielt. Die beiden anderen habe ich vergessen (bestimmt zu Unrecht), aber eine hat sich mir unauslöschlich ins Gehirn eingegraben: die Band von Terje Rypdal, dessen Album Odyssey damals noch als eine Art Geheimtipp herumgereicht wurde. Die „Fabrik“ war zum Bersten voll, die einzigen (Steh-)Plätze, die es noch gab, waren ganz hinten im Saal, oben auf der Galerie, direkt hinter dem Elefanten mit den nickenden Kopf und den Glühbirnenaugen. Die Luft war blau, und auf der Bühne war es dunkel. Tatsächlich, Rypdal spielte annähernd im Dunkeln. Mehr Licht hätte gestört. Aus dem Dunkel schälte sich Terjes singender, vom Spiel mit dem Volumenpedal geprägter Gitarrensound heraus, füllte die „Fabrik“, kombiniert mit dem Klang eines damals neuen Keyboard-Instruments, dem sogenannten „String-Ensemble“ (eine Solina, dem Klang nach). Dazu vorsichtig tappende Drums, ein zurückhaltender, aber hochpräziser Bass, eine geheimnisvoll klagende Posaune. Für mich damals der Beginn einer wunderbaren musikalischen Freundschaft.

 

 

 

 

Nach langer Pause — sein letztes Album liegt sieben Jahre zurück — ist Terje Rypdal zur Atmosphäre von Odyssey oder Waves zurückgekehrt. Mit seinen Mitstreitern Ståle Storløkken (Keyboards), Endre Hareide Hallre (fretless und Fender Bass) und Pål Thowsen (Drums und Percussion) ist ihm ein Album gelungen, das mühelos an das Konzert von damals anknüpft und trotzdem keine Sekunde lang „alt“ klingt. Hier ist er wieder, der schwebende, raumfüllende Gitarrenklang, der mal flüsternd, mal auftrumpfend, mal singend, mal wild daherkommt; ein Sound irgendwo zwischen Mike Oldfield und Robert Fripp, dabei aber immer präsent und unverwechselbar Rypdal. Diesen Klang kann kein anderer.

Aufgenommen im Osloer Rainbow Studio und produziert von Manfred Eicher ist Conspiracy ein strahlendes Polarlicht in einer Zeit, in der der Rauch von der Westküste auch hier im Nordosten den Himmel seltsam zu färben beginnt. Schade lediglich, dass das Vergnügen mit gerade mal 32 Minuten recht kurz ist. Und das Schlagzeug könnte vielleicht ein wenig präsenter sein. Das ist aber auch alles, was es an dem Album auszusetzen gibt.

Damals wusste ich ja, dass über jazz by post, meine Dealer-Adresse, ein kleines Paket kommen würde, mit der neuen LP „After The Rain“ von Terje Rypdal, und konnte es kaum erwarten, das Teil auf den Plattenspieler zu legen. Die Alben davor, seine eigenen, und die zwei Studioaufnahmen in der Gruppe von Jan Garbarek, hatten mich zum Fan gemacht. Ich habe damals „What Comes After“ wohl öfter gehört als „Ege Bamyasi“, und das will was heissen. Als ich nun, einige Wochen vor der Veröffentlichung von „Conspiracy“ am 11. September, das neue Teil in der Post hatte, aus dem Münchner Hauptquartier, war meine Verwunderung gross. Mit einem Spätwerk hatte ich nicht mehr gerechnet, es ist tatsächlich seine erste Studioaufnahme seit zwei Jahrzehnten, der Aufnahmeort das Rainbow Studio, der Produzent Manfred Eicher, und der Nachfolger von Jan Erik Kongshaug gibt den Toningenieur. Ich scheute ein wenig davor zurück, mindestens eine Woche lang, das Album zu hören, befürchtete eine allzu gemütliche Reise in ein altes Jahrzehnt. Aber dann siegte die Neugier. Sechs Kompositionen, jede öffnet eine andere Sphäre, ich schweifte, lauschend, keine einzige Sekunde ab, ein fantastisches Quartett. Es ist schon rätselhaft, dass das hier dermassen taufrisch, so sehr nach einem Heute, klingt, und nicht nach einem erinnerungsselig aufgewärmten Damals. Eine zauberhafte Scheibe. (Ich stelle sie vor in den JazzFacts am 1. Oktober, in den Klanghorizonten am dritten Samstag im Oktober – eine Stunde lang werde ich in jener Nacht, in der „Nahaufnahme“, auch den frühen Klassealben Rypdals widmen – und es ist eines der Alben des Monats hier auf dem Blog im September.)


Manafonistas | Impressum | Kontakt | Datenschutz