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2023 6 Apr

„A virgem de Saint Tropez“ (1973)

von: Michael Engelbrecht Filed under: Blog | TB | 2 Comments

Damals hat man sogar an Trailern gespart, und statt kunstvoll-rasanter Schnitte quer durch die Story einfach die ersten Filmminuten als Einstimmung gewählt. Annie – Die Jungfrau von St. Tropez – der schlichte Titel täuscht über die Klasse dieses sog. „soft porn“-Klassikers hinweg, und auch das Etikett „soft porn“ lässt den kundigen Betrachter schmunzeln. Der Film ist tatsächlich die Vorlage von Bertoluccis „Last Tango in Paris“, und der Italiener hat sein „Skandal-Filmchen“ diesem „Vorbild“ aus St. Tropez abgeschaut, abgeluchst. Er hat etwas Psychoanalyse fürs seriöse Feuilleton beigemischt, etwas Existenzialismus für den Hausgebrauch, und Marlon Brando als Zugpferd für die Hochkultur. Tatsächlich werden viele Cineasten, welche sich auf „A virgem de St. Tropez“ einlassen, hier einen viel ursprünglicheren, auch erotischen, Zauber verspüren als in Bertoluccis Machwerk mit der Butter im Anusfalte. Zygmunt Sulistrowski gehörte als Pole zu den Pionieren des „erotischen Impressionismus“, wie er seine Filme selbst benannte, aber erst nach seinem Tod wurden seine Werke angemessen gewürdigt, auf kleinen Filmfesten in San Francisco und Kyoto. Eine Sache hatte Bertolucci allerdings begriffen: wenn er schon so eine deprimierend-stumpfsinnige Story darbietet, die dem Film des polnischen Kollegen nicht das Wasser reichen konnte, dann musste er wenigstens auf der Ebene des Soundtracks Ebenbürtiges abliefern, und dafür sorgte Gato Barbieri mit seiner grandiosen, letztlich um ein einziges Motiv kreisenden, Filmmusik. Vor ein paar Tagen hat meine Kollege, der Waldpädagoge Schlechtriemen, ja ein reflektiertes Loblied gesungen auf den verdammt guten Soundtrack Salvaninis zu einem anderen Zauberfilmchen des Polen, und der grosse Salvanini hat auch hier seine Hände und Gitarren im Spiel. Aber was rede ich: geniessen Sie den Trailer, die sanfte Titelmelodie, die wunderbare Ton-in-Ton-Textur dieser Eröffnung. So sah es aus, 1973, in dieser Stadt, die so viele populäre Gassenhauer inspirierte. Salvanini meidet alle grellen Sounds, und fühlt sich in die Bilderwelten von „Sulli“ ein, wie ihn seine Kumpels nannten.

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2 Comments

  1. Ursula Mayr:

    Im Tango fand ich damals Marlon Brando eine Fehlbesetzung – zu bullig, zuviel Testosteron, zu wenig feinnervig und sensibel, auch den plot zuwenig ausgearbeitet – und die Butter nun vollends eher ein PR – Gag.Peinlich, aber hat den Film eben bekannt gemacht. Maria Schneider – nuja, hätte eine andere auch gekonnt. Bin damals zu dem Schluss gekommen dass Bertolucci wohl einen finanziellen Engpass hatte.

  2. Michael Engelbrecht:

    Der Engpass wurde dann aber schnell beendet.😉


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