Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

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Archives: Januar 2023

Es waren die Teenagerjahre, die späten, in den ich in zwei Erzählwerken von Stanislaw Lem versank –  die „Sterntagebücher“ und „Solaris“ zählen  zu meinen grössten Sci-Fi-Abenteuern. 

Als ich heute nachmittag „Hypnagogia“ hörte, mit dem grauen Dauerregen vor dem Fenster, nahm mich diese anheimelnd-unheimliche, und unheimlich fein gestaltete, Musik von Minute zu Minute mehr gefangen. Ich fragte mich zwischendurch, wie der Regen aussähe, würde er die Farbe blau haben, welche fallenden Muster und Schleier er vor dem Grauwald formen würde. Die Musik sorgte dafür, dass sich zu der Frage auch eine Antwort gesellte.

 

 

 


In recent times some women have entered the field of „leftfield cello music“ combining the craft of their instrument with electronics, digital processing, loops etc. Martina Bertoni is one of these studio wizards. She says about her new album „Hypnagogia“ (soon to be released on Karl Records, and to listen to on bandcamp):   

„The six tracks that constitute Hypnagogia have been written during 2021 and partially inspired by the reading of Stanislaw Lem’s book Solaris. The title refers to a transitional state of consciousness from wakefulness to sleep, during which one might experience sensorial hallucinations, and can tap into the pristine structures of the subconscious.  Hypnagogia portraits an imaginary cosmic journey of the Self that crash ends into a blinding sun.“ 

 


One – Hainsbach and Mengkoven won‘t appear in another song again too soon, i think. What are your memories of those roads – no problem, if you speak your  „broken German“ in an evening radio show   – and what, apart from that, has been inspiring for that song called  THE ROADS?

Two – I  DONT DO DRUGS I DO TIME: that‘s what I call an instant classic. A song with sharp edges, full of memory flashes, and the things we can do with time. Not a wasted second. How did this song grow that makes me think, too, about the delicate balance between our experiences with time, and, well, drugs?

Three – I cannot remember I ever saw an album with the line  „The  musicians in order of their appearance are“ – this is something I know from movies, and in some ways one can experience this album like a movie. Can you explore the special affinity of your new album THE CANDLE AND THE FLAME with a  certain cinematic quality, and, did there come up a film in your mind… whatever….?

Four – Around the time you got to know Regensburg I was living in the Northern Bavarian Wood, working at  my first job as psychologist in a big clinic near the border to the former Tchechoslowakei. I know you returned quite often to that city. Can you bring up first memories that spring to mind when thinking back, the first deep impacts Regenburg left on you… may be a certain picture or some  imagery …?

 

Robert Forster‘s forthcoming album (to be released on Feb. 3, on Tapete Records), grew, in quite strange ways, around a dark time for his family, and ended up in a collection of heartbreakers, power pieces, singalongs (nearly), lifers, growers, invocations, deep sinkers,  straight rollers, and road meditations. The most exciting thing for me (as someone who followed the Go-Betweens and their „in-between“ solo albums from the first longplayer onwards) is how easily Robert seems to wander and stroll through different periods of his life, from teenage angst and dreams, over the sophisticated folk pop of the salad days (all the spaces between rural hinterland to 16, Lovers Lane), towards the ways of looking back, with a sharp eye and a decent quantum of sepia tinged sincerity. There‘s a cinematic feeling all over the place on this record! 

 

2023 12 Jan.

Deus Arrakis

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Es ist wahr, dass ich nie in Ruhe einem Album von Klaus Schulze zugehört habe – bis jetzt. Schuld daran ist, dass damals, als der „Krautrock“ Gestalt annahm, Tangerine Dream und Klaus Schulze einfach nicht so meins waren. Schuld daran war auch eine junge Frau, die bei Michael Hutter im Zündfunk-Studio sass und mitteilte, dass sie einfach mehr auf Eno als auf Tangerine Dream stände – in der Musik des Engländers seien, ich höre ihre Stimme noch genau, „mehr Widerstände“. Was für eine kluge Wortwahl, ich hätte mich gut möglich auf der Stelle in sie verliebt, aber, war damals noch zu zurückhaltend, um sofort alle Hebel in Bewegung zu setzen. Und im Bayerischen Rundfunk anzurufen. Ihre Stimme wie Honig, ihre Worte simple Wahrheiten, gelassen ausgesprochen. She must have been a beauty. Aber es ist nie zu spät für ein zweites Mal, und so besorgte ich mir das Farewell-Album von Klaus Schulze, gutes Gras, und ab ging die Waldfee. Da ich das Album nun auch ohne ein kleines High, und sogar noch ein Drittes Mal (unter Kopfhörern) gehört habe, bin ich bekehrt. Es tut mir so gut, ich mag diese Wellen, Bewegungen, Farben, Pulse, Stimmen, Atempausen, Schwebungen, Celli, die Entwicklung von Passage zu Passage, die grossen und die kleinen Bögen. Deus Arrakis ist bei mir angekommen. Gut so. Feines Cover. Next time I will  go down to the sea, swim, and listen. 

 

2023 11 Jan.

Ein Singspiel

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Eine Figur namens VV klettert aus dem Fenster ihres Zimmers. Sie merkt, dass sie nicht mehr sprechen kann und geht auf eine lange Wander-Reise. In einer orangefarbenen Hütte schläft sie ein und wird mit einem wahren Wortsturm in Form von zerstreuten Buchstaben konfrontiert, die „an incoherent flock of signs… above the earth“ formen. Sie verlässt die Hütte und folgt Blutspuren im Sand in der Erwartung, eine Leiche zu finden. In einem Wald wird sie in einen Austausch mit einer Reihe an nicht-menschlichen Wesen wie Vögeln, Bäumen oder Felsen verwickelt.

Die Vögel weisen ihr den Weg zu einer Seiltänzerin und einem Gelehrten, die tagaus, tagein mit der Beschreibung eines Analemma beschäftigt sind. VV trifft The Woman und gemeinsam wollen sie eine physisch wie auch symbolisch riesige Mauer zerstören. Sobald die Mauer niedergerissen ist, gehen sie ihrer jeweiligen Wege. VV dringt in eine, auf keinen Landkarten eingezeichnete Todeszone ein, die sie in Begleitung ihres Schattens erforscht.

Während ihrer Reise kreuzen sich VVs Wege mit denen literarischer Geister, bis sie in einer Stadt ihre Sprache wiedererlangt und eine Tür aufstößt …

 

2023 10 Jan.

Mission accomplished

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Man war in AVATAR 2.

Als Cineastin mit immer einem Auge auf die Entwicklung des Trivialfilms, kommt man natürlich an den jetzt erwachsen gewordenen blauen Schlümpfen nicht vorbei. Eines steht fest: Um der Handlung willen geht niemand in „Avatar“ oder dergleichen, da kann man sich ebenso gut Winnetou oder Pocahontas oder den König der Löwen als Culture-Clash-Melodram reinziehen. Der Evaluationsstatus der special effects und 3D-Kapriolen ist bekanntermassen immer umgekehrt proportional zum künstlerischen Wert des Filmwerks und der Differenziertheit der Figurenzeichnung. Lohnt also nicht, denn 3D hat man ohnehin den ganzen Tag. Wenn man um derlei Einschränkungen weiss, ist man auf alles gefasst und hält dergleichen aus, auch wenn noch so viel geemmericht wird. Das All-in-one-Paket „The Way of Water“ arbeitet sich gerade wacker zum Titel „erfolgreichster Film der Pandemiezeit“ mit bereits 1,5 Mrd Einspielergebnis nach vorne und hat den Doppelnullagenten samt Olive bereits geschüttelt, durchgerührt und überholt.

Dabei begann alles durchaus charmant: Teil 1 „Aufbruch nach Pandora“ (aus deren Büchse allerlei Unheil über die Welt kommt; ein Schelm wer bei diesem Mythos an Sexualsymbolik denkt!) hatte ja anno 2009 noch den Reiz der Neuheit und die Na’vi – Schlümpfe, ein spirituelles und im Einklang mit der Natur lebendes Volk (den Apostroph nicht vergessen, es handelt sich nämlich nicht um das Dingens, das einen beim Autofahren immer in den Wahnsinn treibt) vermochten das Herz derer zu rühren, die immer schon gern Indianerfilme geguckt und blutige Stammesfehden, Skalpierungen, Folterungen und Marterpfähle geflissentlich ausgeblendet hatten. Ab 1962 gehörten die Indianer zu den Guten, aber das ist eine andere Geschichte und hat mit deutscher Nachkriegspsychodynamik zu tun.

But back to Pandora Teil 1: eine kühne Mischung aus Western, Science-Fiction, Antikriegsfilm und Magic-Mushroom-Drogentrip mit Anklängen an das schon in der „Matrix“ intelligent angerissene Thema über den Charakter von Realität, und wie wir uns ihrer Authentizität versichern können – nämlich eigentlich gar nicht. Das hat ja schon die alten Griechen beschäftigt. Das Ganze natürlich in 3D, ein Effekt, der zunächst überwältigt, aber den Film nicht über Stunden zu tragen weiss.

Doch bekommt die Räumlichkeit eine eigene Poesie – weniger in den hintereinander gestaffelten Landschaften, die wir betreten dürfen, sondern in den kleinen Dingen: dem Wassertropfen, dem Funkenflug, den kleinen Insekten und Medusen, die in den Zuschauerraum zu schweben scheinen und für kurze Momente eine Verbindung zwischen irdischem Kino und Pandora herzustellen verstehen. Freilich donnern uns auch Pfeile entgegen. Und wir teilen die Freude des querschnittgelähmten US-Marines Jake Sully, der sich in einem unversehrten Avatarkörper wiederfindet und damit auf einen anderen Planeten geschickt wird und dort keinen Rollstuhl mehr braucht, sich wie ein Schimpanse von Ast zu Ast schwingt und dann die schöne Häuptlingstochter kennenlernt, die allerdings blitzblau ist; aber wer fragt danach in einer Schäferstunde? Hier lassen schon mal Tarzan und Pocahontas grüssen. Das ganze gekonnt gemacht mittels des aufwendigen Motion-Capture-Verfahrens, wofür sogar Schauspieler von Rang und keineswegs No-Names herhalten mussten, damit der Sigourney Weaver-Avatar auch wirklich wie Sigourney ausschaut.

Jetzt, 13 Jahre später, wird die Büchse der Pandora erneut geöffnet, und es entweichen ihr neue Schrecken und Freuden. Cameron entführt uns in die Welt am, auf und unter dem Wasser, mit einer Tierwelt, die merkwürdig unschön und gestaltlos anmutet, aber dem Volk, das sie als Reittiere zu zähmen wusste, treu ergeben sind. Die Idylle wird aber immer wieder gebrochen durch den Überfall der schurkischen Komantschen in die Jagdgründe der edlen Apatschen … ähm … sorry … ich meinte der Orks in das Reich der Elben … nee … von Lord Voldemorts Dementoren nach Gryffindor … auch nicht? … wurscht! Langsam kommt man wirklich durcheinander bei diesen ständigen Deja-vus, die sich im Verlauf des Filmes immer zahlreicher einstellen.

Als die braven Na’vi zum Wasservolk der Metkayina flüchten (sehen genauso aus, nur mit Maori – Ornamenten im Gesicht) und sich dort integrieren müssen, entsteht eine Anmutung von West Side Story mit Spannungen zwischen Zugewanderten und Ureinwohnern bei gleichzeitigem Knüpfen zarter Bande zwischen den verfeindeten Fronten. Das Romeo-und-Julia-Drama in Teil 3 wäre damit auch gesichert, gottlob singt niemand „Maria“ oder „Tonight“. So manches erspart man uns doch.

Danach cirka eine Stunde ein „Flipper“ – Verschnitt, eine symbiotisch-telepathisch getragene Liebesgeschichte zwischen einem Jungen und etwas Walfischartigem, bei dem man bis zum Ende nicht dahinterkommt, wo hinten und vorne ist, aber auf jeden Fall ist es edel und herzensgut wie Lassie. Oder Fury.

Zunehmend sieht man sich also in immer kürzeren Abständen mit Versatzstücken anderer Filmgenres und deren Erzählmustern und Trivialmythen konfrontiert, ausgelutscht wie die Kaugummis, die man in der Schule zurückbekam, nachdem man sie vorher an sämtliche Freunde verliehen hatte. Und die einem den Spass an der ausgefeilten Optik gründlich verderben; nicht zuletzt die Familienpimpelei zwischen Winnetou, Ribanna und ihren adoleszenten Kindern nee, natürlich Franz Josef und Sissi, ach zum Teufel, ich brauch ne Pause!

Ich meinte den Clan um Jake und Neytiri – ganz im Sinne einer american suburbian family. Wobei es übel aufstösst, dass die Kinder ständig „Yes, Sir! „zu ihrem Vater sagen. (Bei Marines heisst es korrekt „Sir! Yes, Sir!“. Warum auch immer!). Good american education auch bei spirituellen Naturvölkern, warum auch nicht? Die unterwandern wir doch auch noch mit dem american way of life, ist schliesslich der einzig richtige … wer daran zweifelt bekommt sowieso immer gleich eins auf die Zwölf!

Ein Ziehsohn der Sullys entpuppt sich als genetischer Sprössling des Hauptbösewichts und teilt damit das Schicksal von Luke Skywalker als heimlichem Sohn Darth Vaders der auch …psst … der Vater von Prinzessin Leia … oder so! Irgendwie …! Dann hätten wir diese Herrschaften auch noch mit drin. Blickt noch jemand durch? Nö, oder? Aber warum solls Euch auch besser gehen?

Nachdem hinreichend mit Flipper geflirtet worden war, bricht für cirka anderthalb Stunden eine Orgie der Gewalt los, als die in Avatarkörper gesteckten US-Marines in die Idylle einbrechen, um Pandora zu kolonisieren und den aufrührerischen Sully zu finden, der sich auf die Seite der Pandoraner geschlagen hat wie Old Shatterhand zu den Indigenen, nur mit dem marginalen Unterschied, dass ersterer seine NschoTschi heiraten durfte anstatt sie zu Grabe zu tragen. Es hebt also ein ohrenbetäubendes Geballer, Geflüchte, Explosionen und Feuersbrünste und sonstiges Martial-Arts-Gefuchtel an, das mit einer Akribie und Begeisterung dreidimensional auf die Leinwand geklatscht wird, als wäre es das Hauptanliegen des Filmes und das die gesamte Gutmenschenbotschaft konterkariert.

Aus guten Filmen lernt man etwas über den oder die Menschen, aus schlechten Filmen etwas über den Zustand der Gesellschaft und ihrer Wünsche und Ängste – was lernen wir also hier?

Vor einigen Monaten habe ich wortreich das Verschwinden der inneren Bilder unter dem Trommelfeuer äusserer Reize beklagt (Juni 22). Den hier zu verkraftenden Bilderfluten in ihren raschen Schnitten, Schuss-, Gegenschuss-Einstellungen und den mentalen Anstrengungen der Handlung zu folgen (da sich die Bläulinge alle irgendwie ähneln, ist es schwierig zu identifizieren, wer nun gerade mit wem agiert und aus welchem Grunde er das tut, was er gerade tut) ist genauso unmöglich wie Reflexion, Nachspüren, und einen eigenen Standpunkt zu finden – die nächste lautstarke Sensation durchbricht sofort den Reizschutz.

Das ist bekannte Strategie von Kriegspropaganda und hat schon immer funktioniert, das beherrschen scheinbar nicht nur Reichspropagandaminister,  sondern auch Regisseure. Nur nicht in die Reflexion kommen – was richtig ist, sagt uns die Leinwand. Auf dem Heimweg fühlte ich mich auf Krawall gebürstet, reizbar, zuviel action, zuviel Gewalt, zuviel B-Movie. Nachdem die Vorbereitung des Filmes sich über viele Jahre hinzog, ist auch schwer zu sagen, inwieweit das Pentagon hier wieder mitgemischt hat und auf welche Aktion hier eingestimmt werden sollte.

Der Film ist ein unverbundenes und sorgfältig in der Spaltung gehaltenes Nebeneinander von Zerstörung und breitestgetretener Sentimentalität, die bekanntlich das Alibi der Herzlosen ist (nicht von mir, sondern vom geschätzten Kollegen Schnitzler so formuliert). Am Ende dann der übliche Cliffhanger: Jake Sully gibt den Selensky und teilt dem Zuschauer eben mal Auge in Auge mit, dass man für seine Heimat kämpfen muss anstatt sich aus ihr vertreiben zu lassen – klar, die Fortsetzung ist für 2024 geplant, da muss ja auch irgendetwas passieren und Krieg hat immer seinen Unterhaltungswert. An Ende beschäftigen wir uns nur noch mit Natur, Liebesgeschichten und Spiritualität …. schnarch!

Und über dem ganzen Getöse haben vermutlich sämtliche Rezensenten und Woker versäumt, den Tatbestand der kulturellen Aneignung der Dreadlocks tragenden Schlümpfe zu rügen. Für ein Wasservolk ohnehin ungünstig, die Dinger trocknen nämlich ewig nicht. Und schliesslich sind die auch keine Rastafari, wo kommen wir denn da hin? Und die Maori sind sicher auch wieder nicht gefragt worden, ob man ihr Make-up so einfach abkupfern darf. Da hätten die Designer und Maskenbildner wirklich originellere Trachten kreieren können – das wäre dann aber wirklich das einzig Neue in diesem Film.

 
 

 
 

Als Kontrastprogramm dann heute früh die immersive (das Wort kannte ich auch noch nicht)  virtuelle Ausstellung über Frida Kahlo in München genossen: ein auch räumliches Eintauchen in den Seelenkosmos einer vor Schmerzen und Kreativität berstenden Künstlerin, von deren Innenwelt man eine Stunde lang geradezu schwindelerregend umkreist wird. Das hat die blauen Schlümpfe endgültig aus dem Gehirn gepustet oder anderweitig verstoffwechselt.

 


 
 

 

2023 10 Jan.

Radio on!

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    1 – “The feeling that’s projected“ … Das war wieder mal ein netter Mailwechsel mit „Henning, The Bolte“. Es ging um den Thrill der Oberflächen. Dass Oberflächen Portale sein können. Und meine frohe Botschaft war: wenn man Oberflächen spielerisch bedient, kann Tiefe begünstigt werden. Deepness. Was sich etwas kryptisch anhört, wird im Kontext vom „Schreiben oder Reden über Musik“ sonnenklar. Es geht bei meinem Verständnis von „sinnlichem Radio“ darum, manch komplexe Sache mit „Sound & Vision“ und langem historischem „Bart“ (Appendix) bildhaft zum Aufleuchten zu bringen. So kann es noch leichter „einleuchten“. Die akademische Analyse bitte schön kurz und schwunghaft! In einem Jazzmagazin (und ich mag dieses Format) will ich, dass Zuhörer von Klängen überrascht werden. Ich will Geschichten erzählen, selber Stories erzählt bekommen (ruhig und sachlich wie bei Niklas Wandts Begegnung mit dem Pianisten aus Ungarn und den Folklorismen eines Komponisten der Klassischen  Moderne – oder assoziativ, schillernd und fokussiert zugleich, wie es Karl Lippegaus mit Albert Ayler anstellt). Wenn ich mich eine Zeitlang seitwärts treiben lasse, wie es Robert Pirsig einst trefflich ausführte, als „lateraler Drift“, in „Zen und die Kunst, ein Motorrad zu warten“, ergeben sich mit der Zeit automatisch „rote Fäden“, Leitmotive (dieses Ein-Ding-kommt-zum-andern-Phänomen): in der„blue jazz hour“ am kommenden Donnerstag um 21.05 Uhr im Deutschlandfunk sind es, unter anderem, diverse Verbandelungen von Folk und Jazz, von „free play“ und „pure melody“.

     
     

    2 – „… that is sometimes …“ Ganz zu Anfang schwebte mir ein Mittelteil voller „free music“ vor, in dem ich zwei im letzten Herbst rausgekommene „Klassiker ihrer Art“ vorgestellt hätte, das Mammutwerk „Centipede“ au dem Jahre 1971 (mit einem kleinen Erinnerungstext  von Robert Wyatt (zum Schmunzeln)), und die „Schwarzwaldfahrt“ von Brötz und Bennink aus dem Jahre 1977 (neu inszeniert von Trost Records, Wien). Mittendrin hätte ich das aktuelle Soloalbum der Sängerin Maggie Nicols präsentiert (nur Gesang und Piano, betitelt „Are You Ready“, und u.a. mit einer Liebeserklärung an Albert Ayler – Maggie war schon 1971 dabei, bei „Centipede“, und ganz nebenbei, wer hat dieses Doppelalbum der damals jungen wilden Briten produziert? Ein gewisser Bob Fripp!) Aber plötzlich sah ich: mein Plan würde den zeitlichen Rahmen sprengen – was nun? Und genau an diesem Vormittag, als ich erstmal dumm guckte und wild rätselte, lag, unangekündigt, unerwartet, Andrew Cyrilles brandneues Soloalbum aus dem Hause Intakt in meinem Postkasten. SYNCHRONIZITÄT! Ihr hättet mal meinen „inneren Luftsprung“ sehen sollen! Andrew Cyrille – perfekt! (s. das Foto von Ingo, und sein Statement über „Feeling“, ein paar Blogeinträge früher!)

     
     

    3 – „… the most difficult …“ Das ist ein anderer Punkt: nie wie von der Kanzel verkünden (jede Beweihräucherung verliert den klaren Blick), und vor dem Mikrofon die Nüchternheit genauso meiden wie die Ergriffenheit (heiterer Ernst und leise Ironie sind willkommen). The feeling! So nahm alles seine Formen an – Melodiker und Soundschöpfer an den Drums, von Sebastian Rochford bis Jon Fält. Die „japanischen Noten“ bei Uusi Aika und Anders Jormin. Die (en passant) bewegenden Erinnerungen von Sebastian zu seiner „Hausmusik“ (die nach innen gekehrte Langsamkeit seines Sprachflusses!). Wie Manfred Eicher sich in einen Raum einfühlt, in dem er selbst nie anwesend war. Wie Mette  Henriette auf einmal (aus heiterem Himmel) über das Kreisen der Planeten im Sonnensystem spricht (live in Frankfurt am 15. Januar im KVFM). Oder die Begleittexte zu Anders Jormins „Pasado En Claro“ – wenn man das eine oder andere Gedicht auf sich wirken lässt, in der Sendung wird es wohl „The Woman of the Long Ice“ sein. Oder Petrarca. Wir sind alle Fährtenleser. The space under surfaces.

     
     

2023 10 Jan.

Vålnad Av Fornskog

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Gestern schrieb uns unser Mann aus Leinfelden-Echterdingen eine Notiz zu einem neuen Album von SUSS, seltsamen Querverbindungen von Ry Cooder, Brian Eno, und amerikanischen Horizonten. Zugleich wurde ich einmal mehr aufmerksam auf eine andere Klangschmiede, in der field recordings und post-ambient zusammenfinden. „Discreet Music“, aus Göteborg. Fantasieanregend allemal, die Beschreibung der Schweden einer ihrer jüngsten Veröffentlichungen …

 

“Das Album ist stark von den schwedischen Herbsttagen der 80er Jahre inspiriert und beginnt am Ende des Sommers. Fragmentarische Erinnerungen an Dinge wie Regen auf einem Blechdach, leere Spielplätze und windige Tage, an denen man im Dunkeln nach Hause läuft, werden in den fünf Segmenten des Albums lebendig, Klänge, die mit sich auflösenden melodischen Synthie-Primitivismen und kruden Tonbandtechniken integriert werden. Die gebrochene New-Age-Musik von Vålnad Av Fornskog stösst nun noch weiter an die Grenzen der Klangtreue, wobei am Ende fast alles in sich zusammenfällt. Anklänge an frühe Pacific City Sound Visions oder Dreamtime Tape Sounds-Veröffentlichungen treffen auf Tangerine Dream aus den 90ern, die mit einer unbestreitbaren Dosis „schwedischen Bandrauschens“ durch brennende Lautsprecher laufen.“

2023 9 Jan.

Stiller Tanz und alte Hüte

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Es gibt eine grosse Tradition des Kitsches, was die Cover-“Kunst“ in der Klassischen Musik angeht, und dieses hier ist ein Musterbeispiel. Bei YouTube findet man unzählige Filmchen, in denen Klassisch-Angehauchtes (und Klassik pur) in edel inszenierter Natur zu Markte getragen wird: ein Steinway auf einer Eisscholle, eine Blockflöte vor der Kulisse der Highlands. Ein Waldhorn vor heissen isländischen Quellen. Exotisch garnierte Gesten der Ergriffenheit. Das tut weh, wie hier. Geht es noch spiessiger?! Die Lady mit der Harfe im ewiggrünen Wald, wahrscheinlich lauscht sie, bevor sie zupft, dem Gespräch der Bäume. Das rote Kleid verkündet (ach wie „cozy“!) Sinnlichkeit im Evergreen-Ambiente. Und wo guckt sie denn hin?

Nun spielt Frau Koell Lieder und Stücke von Komponisten, die mit der damals erstmals grassierenden Welle der „Melancholia“ bestens vertraut waren. Selbst Sting griff schon zur Baritongitarre, um den Dowland zu geben. Ganz abgesehen davon intoniert Margret ganz und gar kitschfrei und wenn man ihr lauscht, kann man auch diesen Rosamunde Pilcher-Wald getrost vergessen. Guter Sound, auch das! Man möchte auch nicht gleich Alan Stivells keltisches Harfenspiel auflegen. Zuviel Harfe geht sowieso nicht, selbst bei den Marx Brothers übertrieb man es nie. Feine Musik für einen entspannten Abend am Kaminfeuer, mit einem Viertel Liter Rotwein.

Also, mich haut das jetzt nicht vom Sessel. Wenn man aber die Musik so leise stellt, dass sie sich an der Hörschwelle bewegt, so dass man draussen den Regen hören könnte,  und dann noch einen Lautsprecher ausstöpselt, erfährt man mal am eigenen Leibe, wie Brian Eno einst, mit Harfentönen im Krankenhaus (keine Melancholie, ein kollabierter Lungenflügel!), die Ambient Music entdeckte. Ich gebe den gesammelten Weltverlorenheiten von „Silent Dance“ 🎩🎩🎩 –  und empfehle, danach mal  „Discreet Music“ (🎩🎩🎩🎩🎩) von Eno zu lauschen. Willkommen zu den Monatsempfehlungen des Februars, u.a. mit Helmut Muellers Erinnerungen an das erste Hören von „Discreet Music“ – ein experimentelles Label aus Göteborg nennt sich mittlerweile genau so – „Discreet Music“.

 

2023 8 Jan.

2023 KW1 LP CD

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Keine Ahnung wieso, aber ich habe mir in der ersten Kalenderwoche die gehörten Schallplatten und CDs notiert. Nicht die Streams, da wär dann noch einiges mehr dazu gekommen. Mal sehen, ob sich diese Mitschriften hier wiederholen fortsetzen.

 

    1. Uusi Aika: s/t
    2. Nik Bärtsch‘s Ronin: Awase
    3. Caribou: Suddenly
    4. Augustus Pablo: El Rocker‘s
    5. Timo Lassy Trio: s/t
    6. Musica Esporadica: s/t
    7. Ella Fitzgerald & Louis Armstrong: Ella & Louis Again
    8. Charlie Haden: Ballad Of The Fallen
    9. Donald Fagen: The Nightfly
    10. Designers: s/t
    11. Fleet Foxes: Shore
    12. Jon Brion: Meaningless
    13. King Crimson: Discipline
    14. Imarhan: s/t

 


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