Hinsichtlich anderer Hörgewohnheiten stellt sich nun die Frage, wie sich das Ganze neu sortiert. Referierend auf Norbert Bolz‘ Loblied des Spielens, ein immerwährendes Diktum von Lebensqualität, wäre es beispielsweise reizvoll, mithilfe der durch eine veränderte Hifi-Konstellation erworbene Tiefenschärfe, die noch den entlegensten Winkel des akustischen Klangraumes auskundschaftet, eine aktualisierte Rangordnung von Musikaufnahmen herzustellen. Diese wäre nun schlichtweg an ein einziges Kriterium gebunden, ähnlich wie man das auch von Fernsehserien kennt: Inwieweit versetzt mich das Rezipierte in einen Flow? Es fing schonmal gut an, als nach dem Anschluss eines neuen Cd-Players zufällig Magico – Carta de Amor des Trios Haden-Garbarek-Gismonti zur Hand war und einen schlichtweg wegfegte. Der norwegische Über-Saxofonist mit dem eingebauten Oskar-Matzerath-Effekt und hohem „Hallo Wach!“-Faktor wäre also schonmal eine gute Zukunftsinvestition für ein Portfolio weiterer Exkursionen. Kurzzeitig sorgte „Pulling Punches“ aus David Sylvians Debütalbum Brilliant Trees für ein Wiederaufflackern der Erinnerung (deja-entendu) an aufregende Entdeckungsjahre, als man sich wie ein Sohn von Pionieren fühlte: man kennt diese flashbacks, in denen Musik auch das Biografische wiederbelebt. Das Hauptinteresse gilt aber zweifellos dem Jazz. Fragte mich jemand „Hörst du gerne Jazz?“, dann wäre meine imaginäre Antwort „Yes, but preferably those mixed forms where borders are crossed towards Rock, Folk, Classic, Fusion or whatever!“ Gemeint ist eine Vorliebe fürs Hybride. Dass nun zufällig, nachdem sich auch Jarretts Whisper Not und Bernes The Sublime And als extrem hörenswert erwiesen, ausgerechnet ein Album, zu dem man nie so recht Zugang fand, nun zwischenzeitlich auf Platz eins der neuen Bolz-inspirierten Flow-Rangliste rangiert, ist schon erstaunlich. Das Flirrende, Freigeistige, mit dem der Jazz abhebt auf einem fliegenden Teppich, in Universal Syncopations wird es einmal mehr wahr. Vitous kommt von „virtuos“, mit DeJohnette, Corea, Garbarek und John McLaughlin wird er kongenial flankiert. Wenn man hernach bei einem guten Glas Chardonnay nach Teheran zurückkehrt und sich der schönsten israelischen Agentin aller Zeiten widmet, so schliesst sich alles nahtlos an.