Keine Ahnung, warum die drei schon deutlich älteren Damen für ihren Neujahrsspaziergang in feiner Kleidung ausgerechnet matschige Waldwege auswählten. Ich und die Hundelady haben sie jedenfalls nicht kommen sehen. Als die drei dann kurz vor uns sind, bleiben sie stehen, die erste schaut runter, hebt ihre Hände. Bevor ich reagieren kann, fasst meine kleine Begleiterin diese Geste als Aufforderung zum Spiel auf, springt an der Dame hoch und hinterläßt einen sehr exakten Abdruck ihrer Pfote in matschbraun auf der pastellblauen Hose. Ich ermahne streng und scharf und will mir die Hündin schnappen, beides wird von den Damen kommentiert: „Abstand bitte! Kommen Sie mir nicht zu nahe!“ und hämisch „Gut erzogen, ihr Hund!“ Ich leine wieder an, murmel eine Entschuldigung und suche das Weite.
Zu Hause dann Lust, „The Notwist“ zu hören. 12 Jahre ist es her, dass „The Devil, You + Me“ veröffentlicht wurde. Ich habe mir die CD damals sicher sofort gekauft; „Neon Golden“ war von vielen ein Lieblingsalbum, von mir auch. Der Nachfolger von 2008 ist unauffälliger, aber nicht weniger rund. Insgesamt träumt das Album im mittleren Tempo vor sich hin, mal setzt der Beat aus, mal die Melodie, mal das elektronische Gefrickel, Geschmatze oder Geklöppel, doch fallen die Songs nie auseinander: Wie in einem Uhrwerk bewegen sich auf engstem Raum viele kleine Klänge und halten die Dinge zusammen und im Fluß, selbst wenn es den Anschein hat, als ob die Songs ins Nirgendwo mäandern. Nichts drängt sich auf, die Musik ist vielschichtig, detailliert, Distanz und Emotion, Tag und Nacht, Wachheit und Schlaf, Melodie und Geräusch sind genau austariert. Der Titelsong beginnt mit Tönen, die beim Einstimmen der Instrumente und Verstärker im Proberaum entstehen können, aus denen sich dann langsam eine Melodie entwickelt – akustische Gitarre, der vorsichtige Gesang von Markus Acher – dann bringen irgendwann, fast unbemerkt, zusätzliche Instrumente die Sterne am Songhimmel zum Funkeln. Und so schafft auch diese Platte einen anderen grünen Planeten, mit roten Wäldern, seltsamen Federvieh und unterschiedlichen Größenverhältnissen. Die drei Damen haben da keinen Platz, aber die Hündin liegt zufrieden auf ihrem Kissen.