Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

2020 2 Sep

Echos der Erinnerung

von: Olaf Westfeld Filed under: Blog | TB | Tags: , , | 3 Comments

 

1997

 

Ein später Nachmittag im Dezember. Nach einem Besuch in den Plattenläden der Zossener Straße muss ich zu Fuß zum Karstadt am Herrmannplatz gehen. Zwei Kilometer, der Wind weht mir den strömenden Regen entgegen, Winter in Berlin. Aus Sorge, dass die Cover trocken bleiben, falte ich den oberen Rand der dünnen Plastiktüte um und drücke die Platten fest an mich. So trage ich „Brand“ von Keith Hudson durch den Winterregen. Die Spuren jenes Tages, die Öffnung ist leicht gewellt, zwei Ecken eingeknickt, haben inzwischen Gesellschaft bekommen: die Rundung der Schallplatte zeichnet sich auf dem Cover ab, die Kanten sind abgescheuert, die weiße Hintergrundfarbe auf der Rückseite gelblich verfärbt. Die Musik verströmt für mich noch dieselbe Magie wie vor 23 Jahren. Leider habe ich nie wieder eine LP von Keith Hudson in einem Laden gesehen. Besonders gerne hätte ich das düstere Sinners auf Vinyl (auf „Brand“ immerhin in einer Dub Version enthalten). Keine Ahnung, was ich an dem Tag noch gekauft habe und ob das jemals so wichtig war, wie diese reduzierten und rhythmischen Klänge.

 
 

1999

 

Frühjahr. Mein Mitbewohner hat Besuch aus den USA, zwei Freizeit Techno DJs aus Kalamazoo, Michigan, die unbedingt bei Hardwax Technoplatten kaufen wollen. Am Abend hocken sie bei mir im Zimmer und hören lautstark ihre neuerworbenen Schätze: harte Beats im 4/4 Takt, immer auf die zwölf, eine dicht gedrängte, hektische Klangkulisse. Mir fehlen Raum und Weite, meine Gedanken verklumpen, das Sprachwirrwarr aus Deutsch und Englisch tut sein übriges, ich werde ruhiger und freue mich, als alle zum Ausgehen aufbrechen. Vor dem Aufräumen lege ich mein neues Album auf, „Forward the Bass“ von den Impact Allstars. Gitarre und Saxophon sind kaltes klares Wasser an einem heißen Tag, die weiträumige Produktion lässt Luft zum Atmen, der Bass beruhigt, angedeutete oder verfremdete Sounds erzeugen einen inneren Klangraum, manchmal scheinen sich rätselhafte Muster in den Songs zu verbergen – meine Welt kommt wieder in Fluß.

 

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3 Comments

  1. Michael Engelbrecht:

    That‘s the thing with dub. You may think you know the game, but then it never stops surprising you. Thus FORWARD THE BASS is new to my ears. Sooo good.

    In den Klanghorizonten spiele ich im Oktober aus einer neuer Dub-Platte, die die gute alte Tante Theremin ehrt, „100 years of theremin“.

    Gute kleine Einführung / Entführung:

    https://www.youtube.com/watch?v=UwORVKKtUwE

  2. Michael Engelbrecht:

    Kleiner Nachtrag:

    Es ist schon verrückt, dass such da immer noch Neues / Altes findet, und wie das einen Fan solcher Musik begeistern kann.

    Ich habe von Keith Hudson PICK A DUB geordert, und mir diese Wahnsinnsscheibe von den IMPACT ALLSTARS bei Discogs bestellt. Und dann, im Dezember in den Klanghorizonten, mache ich in der NAHAUFNAHME sowas wie ADVENTURES IN DUB. In memorian of Rodigan‘s Rockers, oder wie die Show auf BFBS damals hiess …

  3. Olaf Westfeld:

    Ja, genau, David Rodigan, geboren in Hannover, hat deswegen wohl viel hier aufgelegt, habe ich aber lange nichts mehr von mitbekommen. Der Text von Stewart hat mir das Keith Hudson Echo beschert und wie es so ist, kommt dann ein Echo nicht selten allein, oder so. Ich habe damals sehr gerne und viel Dub gehört. Die Geräusche, die absaufenden, nur kurz angerissenen Melodien, die Echos, die endlosen Drum & Basslines und diese unglaubliche Wärme. Es gab zwei britischen Labels, Blood and Fire und Pressure Sounds, die sehr viele, sehr schöne Sachen wiederveröffentlicht haben: Prince Far I, Yabby You, Horace Andy, Augustus Pablo… kann es sein, dass Pick A Dub da auch bei war? Und dann kamen die ganzen Bullwackie Produktionen wieder raus, die ich aber nur am Rande mitgeschnitten habe.


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