Manafonistas

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2018 27 Nov

Ein paar Überlegungen in der Badewanne

von: Martina Weber Filed under: Blog | TB | 1 Comment

Zwei Frauen beim Tennisspielen im Stadtpark im Sommer. Schnitt. Ein Mann blättert vor einer Kunstbuchhandlung in einem Buch, auf dem angewinkelten Arm trägt er einen Stapel Bücher. Er betritt den Laden. Nachthimmel, schwarz, mit einem letzten Hauch von Abendrot. Ein großes Gewässer. Vereinzelte weiße Lichter auf der anderen Seite. Der Mann sitzt jetzt im grellen Badezimmerlicht in der Badewanne, er hat eine Zigarette im Mund und hält ein aufgeschlagenes Buch mit beiden Händen. Es war seine Stimme, die wir gehört haben, noch bevor das erste Bild erschien. Er spricht weiter halblaut vor sich hin, und es ist unklar, ob es jemanden gibt, der oder die zuhört. Der Text handelt von der neuen Ausdrucksweise bei Velázquez nach dessen 50. Lebensjahr. Velázquez änderte seinen Stil und fing plötzlich damit an, Gegenstände und Menschen mit Licht, Luft und Dämmerung zu umgeben. Zwar standen auf den ersten Blick die Mitglieder der Königsfamilie Philipps IV, an deren Hof er arbeitete, im Mittelpunkt der Gemälde. In Wahrheit waren es jedoch Lichtreflexe und Veränderungen, und die Regie führte in den Gemälden nurmehr der Raum. Écoute ça, petite fille. Ein kleines Mädchen im festlichen Kleid legt ihre Hände auf den Badewannenrand, sie lauscht. Der König war degeneriert, die Kinder krank, und alle umgeben von Zwergen, Idioten und hässlichen Clowns. Spanische Maler gingen tagsüber nicht ins Freie, sie kommunizierten mit der Dämmerung, die alle Konturen verwischt. N’est-ce pas magnifique? Der Film läuft erst dreieinhalb Minuten, aber bereits jetzt ist klar, dass hier Erzähltechniken des Kinos revolutioniert werden. Es ist der Anfang von Jean-Luc Godards Film Elf Uhr nachts aus dem Jahr 1965. Velázquez malte sein berühmtestes Bild in seinem 57. Lebensjahr, das war 1656. Es hat den Titel Las Menidas und ist eines der meistdiskutierten Gemälde der Kunstgeschichte.

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1 Comment

  1. Martina Weber:

    Es war mir leider nicht möglich, Titel oder Autor*in des Buches zu entziffern. Michael Althen schrieb in seinem Essay „Bücher in der Badewanne“ (aus: Warte, bis es dunkel wird), es sei ein Buch von Élie Faure gewesen. Das Buch wird wohl aus der Serie „Histoire de l´art“ stammen.


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