Als ich zum ersten Mal Gegenstände zwischen die Saiten eines Klaviers steckte, hatte ich den Wunsch, die Töne zu besitzen (und sie dadurch wiederholen zu können). Als aber die Musik von mir wegging und von Piano zu Piano und von Pianist zu Pianist lief, wurde klar, daß nicht nur zwei Pianisten sich wesentlich voneinander unterscheiden, sondern daß auch zwei Pianos niemals identisch sind. Wir haben es im Leben weniger mit der Möglichkeit von Wiederholung zu tun, als mit den einmaligen Qualitäten und Eigenschaften einer jeden Gelegenheit.
Das präparierte Klavier, die Eindrücke, die ich vom Werk meiner Künstlerfreunde erhielt, das Studium des Zen Buddhismus, mein Durchstreifen von Feldern und Wäldern, auf der Suche nach Pilzen, das alles hat mich dazu geführt, die Dinge eher zu genießen, wie sie kommen, wie sie sich ereignen, und nicht als Dinge, die man besitzt, die man hütet oder zum Dasein zwingt.
John Cage, in: Daniel Charles „Musik und Vergessen“
2018 14 Apr
John Cage auf der Suche nach Pilzen
von: Manafonistas Filed under: Blog | TB | 7 Comments
7 Comments
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Michael Engelbrecht:
Es ist, mit allem Respekt, festzustellen, dass John Cage einer der grossen Freigeister der Musik des 20. Jahrhunderts war, dessen bewusstseinswerweiterndes Gedankengut aber nur selten besonders fesselnde oder faszinierende Musik im Schlepptau führte.
Nicht nur nett ist die Schwester von langweilig, auch dem vermeintlich Interessanten kann es ganz ähnlich ergehen :)
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Martina Weber:
Some artists are more inspiring in their statements about art than in their art itself.
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Michael Engelbrecht:
Nun, mein Punkt ist ein anderer: ich bin mehr von seinen Gedanken als seiner Musik fasziniert. Anderen kann es mit John Cage ganz anders ergehen. Ich würde nie behaupten, sein theoretischer Output sei seinen Kompositionen überlegen. Das ist rein private Anmutung.
Deswegen mag ich ja auch Donovan viel lieber als Beethoven, obwohl es keinen Zweifel gibt, dass Beethoven das weitaus grössere Genie von beiden ist:) – kein Widerspruch also, dass mich der Schotte tiefer berührt.
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Martina Weber:
Äh, was John Cage angeht, bin ich ganz d´accord und habe genau das angedeutet, was du schreibst (ich sehe da keinen anderen Punkt in deinem Statement): ich finde seine Gedanken interessanter als seine Musik. Wobei ich sogar noch weiter gehen würde und sagen, ich finde es interessant, wie andere auf seine Theorien reagieren und darüber sprechen oder schreiben. Ich erinnere mich an ein Feature über John Cage und an eine „Lange Nacht“ im Deutschlandfunk, lang ist´s her, mehr als zehn Jahre. Und was mich ebenfalls fasziniert, ist, wie andere musikalisch auf ihn reagieren. Ich habe hier eine ganz hinreißende Aufnahme einer Arbeit seines Schülers Alvin Curran: Erat verbum, John. Hommage an John Cage. Da wird viel mit Geräuschen gearbeitet, sogar ein Spiegelei wird gebraten.
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Michael Engelbrecht:
Wer hat das Spiegelei zuerst gebraten, Alvin Curran oder Pink Floyd?
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Martina Weber:
Alvin Curran hatte mehrere Inspirationsquellen :)
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Rosato:
Die „Klanghorizonte“ hören und die „Klanghorizonte“ gestalten sind zwei verschiedene Erlebnisse (vermute ich mal). Musik hören und Musik selbst spielen, sind zwei …
Von Cages Stücken finde ich jene für Percussions-Ensemble und für das Präparierte Klavier ziemlich attraktiv. Sonatas and Interludes und CREDO IN US haben wir in Schulkonzerten aufgeführt. Sehr gut gefällt mir das String Quartet in Four Parts. Es gibt aber auch vieles von Cage, das mich überhaupt nicht berührt.
Gestern Abend gab es Wie präpariert man ein Klavier? zu hören – eine Radioreportage mit der Pianistin Sabine Liebner. Einfach hinreißend, wenigstens für mich.
Der schönste Film mit und über John Cage ist Henning Lohners Die Rache der toten Indianer (1993)