Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

Es ist einfach, diese Musik zu lieben, wenn man einen guten Draht zu freien Jazzklängen hat – und das Melodische auch da gern aufspürt, wo Anarchie und Ausbruch Optionen sind. Andrew Cyrille muss Freunden der Free Jazz-Historie kaum vorgestellt werden, aber es sollte unbedingt der Hinweis erfolgen, dass ein Etikett wie „Free Jazz“ für dieses Album so irreführend ist wie der nach alten Losungen der wilden 60er Jahre klingende Titel „The Declaration of Musical Independance“ (ECM 2430).  Andrew Cyrille muss niemandem mehr etwas erklären. Das ist stiller freier Jazz, jederzeit auch  extrem dynamisch, nie nervös sich verzettelnd, immer konturiert, luftig, abenteuerlich. Für den Gitarristen Bill Frisell, der lang kein bedeutendes Album mehr unter eigenem Namen aufgenommen hat, ist dieses Dokument eine Erinnerung an seine kreativsten Jahre bei ECM, an frühe Zeiten bei NONESUCH. Anders geerdet, und ähnlich eindringlich, sein raues Spiel auf Lucinda Williams jüngsten Liedern vom „Highway 20“! Ben Street ist der Bassist, der sich hier nicht nur im Tiefkellerbereich der Sounds abarbeitet, sondern gleichermassen zur Luftkunst dieser neun Kompositionen beiträgt. Hinzu kommen all die sparsam gesetzten Töne und Klangwirbel des Synthesizer- und Pianospielers Richard Teitelbaum. Eine Platte wie ein Vermächtnis des Poeten am Schlagwerk, an der Perkussion. Der Produzent ist Sun Chung, und wer immer das ist, er hat exzellente Arbeit geleistet. Von ferne erinnert mich diese „Unabhängigkeitserklärung“ an eine ältere Manfred Eicher-Produktion mit dem schlichten Titel „The Paul Bley Quartet“ (ECM 1365). Der in diesem Jahr verstorbene Klavierspieler war ein ähnlich stilgrenzenbefreiter Pionier, ein Seelenverwandter von Andrew Cyrille. Und bei jener Produktion waren, neben John Surman und Paul Motian, auch ein gewisser Bill Frisell dabei. Und damit habe ich Ihnen eigentlich gleich zwei Aufnahmen wärmstens empfohlen. 

This entry was posted on Freitag, 14. Oktober 2016 and is filed under "Blog". You can follow any responses to this entry with RSS 2.0. Both comments and pings are currently closed.

3 Comments

  1. ijb:

    Sehr schön geschrieben.

    Ich mag die CD auch sehr, habe sie aber erst drei mal gehört. Sun Chung (nicht Yung!) ist der Sohn des bekannten südkoreanischen Dirigenten und Pianisten Chung Myung-whun (auch mit einer Solo-Piano-CD bei ECM vertreten und war Assistent bei früheren Eicher-Produktionen.Das weiß ich lustigerweise, weil ich die Frage, wer das ist, Eicher kürzlich selbst gestellt habe.

    Er hat auch die Produktion von Strønens Time Is A Blind Guide übernommen, weil Eicher da aus gesundheitlichen (o.a.) Gründen nicht konnte. Auch die schönen ECM-Alben von Ben Monder, Aaron Parks und Yeahwon Shin hat er produziert.

  2. ijb:

    … ach, was ich eigentlich sagen wollte: Ich empfehle allerwärmstens Cyrilles (bislang vier) Alben mit Søren Kjærgaard und Ben Street beim dänischen Label ILK!

    „Femklang“ finde ich am besten, aber „Open Opus“ ist auch großartig.

  3. Gregor:

    „Femklang“ ist in der Tat eine großartige Platte. „Open Opus“ kenne ich noch nicht.


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