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2015 17 Nov

„ja, teil dieser / welt / zu sein, unwiderruflich“ (Paul-Henri Campbell)

von: Martina Weber Filed under: Blog | TB | Tags: , | Comments off


 
 
 

Es ist die vierte Ausgabe eines von Michael Braun herausgegebenen Gemeinschaftsprojektes, von dem ich hier bereits erzählt habe, und das nur aus verkaufstaktischen Gründen als „Kalender“ daherkommt, das aber wie ein normales Buch funktioniert. Wir kennen den Begriff des „Sequencing“ aus Musiksendungen im Radio. Es geht darum, die Reihenfolge der Stücke zu gestalten, sie so ineinander übergehen zu lassen, dass etwas entsteht, das mehr ist als die Summe der Stücke. Diesem Gedanken folgt auch der Aufbau einer durchdachten Zeitschrift oder Anthologie, – und auch des Lyrik-Taschenkalenders. Deshalb beginnt diese Sammlung mit einem Liebesgedicht von Goethe, das einen Moment umschreibt, der so nicht bleiben kann. Und am Ende, in einem Kommentar von Urs Allemann zu einem Jandlgedicht heißt es: „Ich lebe. Aber wie lang noch?“

Dazwischen alles, was das Leben und die Sprache hergibt. Der Aufenthalt in einem Stipendiumsort, eine heimliche Liebesgeschichte mit einem Geistlichen, Lebensrettung durch einen Herzschrittmacher. Eine Dichterin in der Badewanne, das ist mehr die Betrachung einer Kachelwand und weißem Schaum. Andreas Altmann, der seine Gedichte immer draußen schreibt, verknüpft eine Landschaftsbetrachtung mit der Geschichte der DDR und einer Wiese, auf der alle Schafe schwarz sind. Marcel Beyer, einer der wichtigsten Historiker in der Gegenwartslyrik, hat ein Gedicht von Hoffmann von Fallersleben ausgewählt, das in einer Geheimsprache verfasst ist, und er bezeichnet den Verfasser des Textes der Nationalhymne als „Andreas Baader seiner Zeit“. Meine Wahl traf das Anfangsgedicht aus Jennifer Poehlers leider einzig gebliebenem Band „Türkises Alphabet“, ein Buch, das ich zehn Jahre lang immer in meiner Nähe hatte, weil die Leichtigkeit ihrer Worte alles Schwere schweben ließ. Levin Westermann hat das Gedicht „Alter Mann“ des Schweizer Schriftstellers Renato P. Arlati ausgewählt und er spricht von der Bedeutung des Schweigens für das Gedicht.

 

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Der Lyrik-Taschenkalender 2016 enthält – in der Reihenfolge ihres Auftretens – kommentierte Gedichte von: Johann Wolfgang von Goethe (Willkommen und Abschied), Sarah Kirsch (Aus: Wiepersdorf), Peter Rühmkorf (Wo die Götter die Daumen drehen), Nora Bossong (Große Exerzitien), Johann Christian Günther (Als er der Phillis einen Ring mit einem Totenkopf überreichte), Sibylla Schwarz (Auß dem Lob einer Nachtmusic), Katharina Schultens (susurrus), Quirinius Kuhlmann (Liebküsse Jesu), Albert Vigoleis Thelen (Franziskanerhütte), Andreas Gryphius (An die Sternen), Henning Ziebritzki (Lamellenstunde), F.-G. Klopstock (Die frühen Gräber), Paul-Henri Campbell (Implantable Pulse Generator), Judith Zander (und wo kein ausweg ist), Johann Wolfgang von Goethe (Nähe des Geliebten), Marion Poschmann (vage Einsichten), August Graf von Platen (Ghaselen 25), Martina Weber (beim durchblättern dieser bewerbung), Ulrike Draesner (Sub-sub „p“), Wilhelm Müller (Der Lindenbaum), Levon Westermann (der leere raum mit schwarz), Annette von Droste-Hülshoff (Die Mengelgrube), Henning Ahrens (Bekenntnis), Dirk von Petersdorff (Von Jena), Tom Schulz (Nysa), Hendrik Jackson (Rauschen), Andreas Altmann (geschichte im landschaftspark), Erich Arendt (Sétif), Ernst Jandl (Der wahre Vogel), Joachim Ringelnatz (Schindluder), Franz Josef Czernin (auch rex, ruinen, vögel), Jügen Theobaldy (Blüten, Stile, Blumen), Marina Zwetajewa (Baut einer kein Haus), Oskar Loeke (Genesungsheim), Mirko Bonné (An Bobrowski), Jennifer Poehler (fortgezogenes stück land), Martin Zingg (Hinterhof Nachteile), A.H. Hoffmann von Fallersleben (Rotwälsch), Marcel Beyer (Deine Silbe Grimm), Anja Utler (entgegen zu stehen IX), Dagmara Kraus (voyeuse klinkt nicht), Franz Dodel (Aus: Mikrologien), Thomas Rosenlöcher (Fenster im Spiegel), Hans Arp (Mein eigenes Gesicht), Asmus Trautsch (Erinnerung, unangebahnt), Rainer Maria Rilke (Mausoleum), Renato P. Arlati (Alter Mann), Tobias Roth (Dämmerung), Ludwig Steinherr (Isaaks Opferung), Urs Allemann (altern als problem für brünstler), Martin Zingg (Zuguterletzt), Ernst Jandl (die ersten zwölf zeilen).

 

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Präsentationen der Gedichte und Kommentare:

19.11.2015: „Lyrik-Taschenkalender 2016 + Space race“

Mit Paul-Henri Campbell und Michael Braun

Ort: WortReich Buchhandlung, Blumenstraße 25, 69115 Heidelberg

Beginn: 20.00 Uhr

02.12.2015: „Lyrik-Taschenkalender 2016“

Mit Michael Braun und Martin Zingg

Ort: Eikones – Institut für Bildkritik, Rheinsprung 11, 4051 Basel/Schweiz

Beginn: 19.30 Uhr

09.12.2015: „Lyrik-Taschenkalender + erinnerungen an einen rohstoff“ 

Mit Michael Braun und Martina Weber

Ort: YPSILON-Buchhandlung, Berger Straße 18, 60316 Frankfurt

Beginn: 20.30 Uhr

2.01.2016: „Lyrik-Taschenkalender 2016“

Mit Michael Braun und Henning Ziebritzki

Ort: Galerie piberhofer k produktion, Schwartzkopffstraße 3, 10115 Berlin

Beginn: 19.30 Uhr

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