Manafonistas

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2015 23 Jul

David Torn besprochen: Only Sky

von: Henning Bolte Filed under: Blog | TB | Tags: , Comments off

 

Only Sky ist eine ultime Form von kosmischem Blues. Torn halluziniert vorwärts in den aktuellen physischen Raum, in dem sich die gespielte Musik vollzieht, ereignet, und rückwärts in den Raum musikalischer Vergangenheiten. Magisch ist die Weise, wie hier uralte Themen und Stilelemente aus seinem Soundscaping hervortreten, Form annehmen, ohne darin festgelegt zu werden. Im Umspielen, mit Ellipsen und Fragmenten bleibt das Ganze in offener Bewegung wobei sich sehr wohl Konturen scharf abzeichnen.

Gleich zu Beginn, in „At least there was nothing“, jagen Klangfetzen durch einen vibrierenden, anschwellenden Raum, der musikalische Urformen birgt, die der nordamerikanischen Landschaft entspringen und diese nachhallen lassen. Geradezu frappierend ist, wie dann aus dem Sturm die Klänge von Torns elektrischer Ûd aufsteigen und der Zuhörerassoziation kräftig zusetzen. „Spoke with folks“, das zweite Stück, ist eine verlangsamte, nackte Form von Urrock, die sich irgendwo zwischen Howlin’ Wolf, John Lee Hooker, Vanilla Fudge und Steve Reich bewegt – mit entfernten Echos von Pionieren des Blue Grass. „Ok, Shorty“ ist ‘a beauty of a song’ und „Was a cave, There …“ ist schlicht ein Meisterwerk auf einsamer Höhe.

Man kann den leeren Konzertraum des EMPAC in Troy, Upstate New York, mit seinem enorm langen Nachhall heraushören. Aus den Anfangsklängen steigt Konzertantes auf, das den Eindruck eines Gemisches aus Jimi-Hendrix, Arditti String Quartet, Metropolis-Filmmusik und Industrial Sound hervorruft. „Only Sky“ ist eine subtile himmlische Ballade. „So Much What“ arbeitet mit Gongeffekten und ruft entfernt Assoziationen mit Verdis Gefangenenchor aus „Nabucco“ hervor. Das Schlussstück schliesslich gleitet in einen „Shenandoa“-Archetypus.

Torn hat eine anwesende Nichtanwesenheit (und umgekehrt), die seiner Musik eine besondere Qualität verleiht. Er ist der schalkhafte Magier, immer für Überraschungen gut, sowohl was das Sanfte wie das Extreme, Bizarre betrifft. Was Torn spielt, liegt nicht auf der Hand, ist aber stets von grosser Klarheit.

 

Only Sky ist bei ECM herausgekommen. Die Rezension ist eher auch im Printmagazin Jazzthetik erschienen.

 

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