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2015 10 Jan

Robert Forsters „The Evangelist“ (ein Interview von 2008)

von: Michael Engelbrecht Filed under: Blog | TB | Tags:  | 2 Comments

Michael Engelbrecht: Ihr alter Weggefährte bei den Go-Betweens, Grant McLennan,  war ja noch an drei Songs mitbeteiligt. Gab es da nur  Melodien – und Sie schrieben die Lyrik!? Was machten Sie mit diesem Material?
 
Robert Forster: Alles, was seinen Anteil an diesen drei Liedern betrifft, habe ich im  dem beiligenden Textheft genau notiert. Bei dem Song „Demon Days“ stammen die ersten fünf Zeilen von ihm, ich habe den Text weiter geschrieben. Wenn Grant in den letzten Jahren an Songs arbeitete, schrieb er die Texte immer am Ende. Er liebte Refrains und Melodien – dieser Rohstoff beflügelte seine Arbeit an den Texten. Nach seinem Tod stieß ich auf sein Notizbuch   es fanden sich keine Texte darin, ausser diesen fünf Zeilen von „Demon Days“.
 
Gerade in diesem Song ist Ihr Gesang so sanft, wie ich ihn in der Form noch nicht gehört habe bei Ihnen. Im ersten moment hatte ich eine Assoziation an die Art, wie Neil Young auf „On The Beach“ singt, einem seiner Klassiker aus den 70er Jahren. Das Album handelte ja auch u.a. von  der Einsamkeit nach dem Tod guter Freunde.
 
Das ist ein großes Kompliment, weil „On The Beach“ mein Lieblingsalbum von Neil Young ist. Tatsächlich hörte ich mir Seite zwei des Albums noch vor einer Woche an. Ich habe wohl bislang kaum in dieser Art gesungen, weil die Melodie nicht von mir stammt.  Grants Melodie hat meine Stimme verändert. Und natürlich etablierten seine Zeilen eine Grundstimmung, der ich zu folgen hatte.
 
Das Album beginnt mit einem sehr leisen langgezogen Sound, und es dauert eine ganze Weile, bis die ersten Worte fallen in dem Song „If It Rains“.  Ich empfinde das  als eine exzellenten Anfang, diese Meditation über den Regen. 
 
Meditation ist ein gutes Wort. Und da spielt etwas hinein, was Brian Eno einmal sagte. Sein Gedanke ging in die Richtung, daß auf bestimmte Weise ein Album in das nächste übergeht. Da war das Ende des allerletzten Liedes der Go-Betweens auf  „Oceans Apart“; und dann passierte das Schreckliche: Grant starb. Ich wollte,  das der erste Song von „The Evangelist“ eine Art Meditation sei sollte. Das Album durfte nicht normal beginnen. Ich wollte nicht mit einem Song beginnen, sondern mit einem Sound, der übrigens von einem alten Casio-Keyboard stammt. Ich wollte daß Menschen, die diese neue Cd hören und  wissen, was in der Zwischenzeit passiert war, diesen Nullpunkt hören, dieses Fast-Nichts, dieses „Shhhhhhh“. Dann erst beginnen sich die Dinge zu entwickeln. Es wäre falsch gewesen, hier mit einem netten Pop-Song zu starten a la „da da bam bam ba“. Die CD musste einfach ganz langsam beginnen!
 
 
 
 

 
 
 
 
Lieder wie „Pandanus“ oder „A Place To Hide Away“ scheinen eine Sehnsucht zu beschrieben nach stillen Plätzen, wo man Ruhe finden kann. Eine Vorliebe für späte Nachmittage am Meer, und andere einsame Orte.  Ich glaube , diese Songs sind autobiographisch, und Sie als Sänger sind hier eins mit der Figur der Songs…
 
Das hat wohl mit dem Älterwerden zu tun. Auch damit, Kinder zu haben in einer verrückten, einer wahnsinnigen Welt. Ich träume öfter von solchen Rückzugsorten. In Italien finde ich solche Gegenden, und einen  ganz traumhaft abgelegenen Ort haben meine Familie und ich einen Monat vor dem Beginn der Londoner Aufnahmen im Bayersichen Wald aufgesucht. Zwei Wochen verbrachten wir da ein er einer kleinen Hütte. Wir waren in einem kleinen Ort namens Brennberg, nahe Wörth a. d. Donau, und kurz vor Falkenstein. Es ist wohl ganz am Anfang des Bayerischen Waldes – für mich öffnet sich da eine ganz andere Welt!
 
 Viele Songs von „The Evangelist“ sind sehr akustisch, sehr nackt. Aber in einigen Stücken gibt es fast so einen Phil Spector-artigen „wall of sound“, sehr untypisch für Ihre Soloalaben oder die Go-Betweens. Warum haben Sie sich da für solche fast monumentale Momente entschieden? 
 
Das kam von dem Produzenten Marc Wallis. Ich hatte bei dieser Arbeit eine sehr klare Vorstellung von dem Sound des Ganzen. Ich sprach mit Marc mehr als ich je zuvor mit ihm gesprochen habe.  Ich wollte dieses Nackte und Karge! Marc liebt es, mit einer  ganzen  Menge  von Sounds  umzugehen.  Ich wollte aber einfache akustische Gitarren, Gitarren mit Nylon-Saiten, einen Kontrabass, ganz natürliche Klavierklänge, eine Orgel – und  viel Gesang. Bei Songs wie „The Evangelist“ oder “Don´t  Touch Anything“ kam der Input von Marc –  er hatte da eine Phantasie  von ganz dichten  Sounds. Und das gefiel mir. Er nahm sich eigentlich total zurück; die Musik wurde insgesamt  sparsam inszeniert, aber in bestimmten Momenten  wollte er speziellen Klangideen folgen. Für mich entstand da ein interessanter Kontrast!
 
 Dieser von Ihnen und Grant entwickelte Song „It Ain´t Easy“ kommt wie ein Porträt daher. Grant McLennans  Liebe für Filme, für Melodien taucht da auf. Und trotzdem ist da auch, unter dieser beschwingten Leichtigkeit eine Spur Melancholie heraushören.
 
Ganz sicher, aber ich wollte diesen melancholischen Unterton gegen die Melodie ausspielen. Von allen Songs war dieser Text – neben  „Ghost Town“ – am schwierigsten zu schreiben. Einige Texte  enstanden übrigens in dieser  Hütte im Bayerischen Wald.  Es war der letzte Song von Grant, an den ich mich heranmachte. Da gibt es diesen Refrain „It ain´t easy when your love is blue“ und all das. Die Frage war: wo sollte das hinführen?  Die Melodie von „It Ain´t Easy“  ist ja treibend und schwebend. ich mochte dieses unbeschwerte Qualität. Anstatt eine tottraurige  Hommage zu entwickeln, warf ich all diese Worte und  Bilder, die mir zu ihm einfielen, in einen  schnellen Song hinein. Grant liebte diese Art von Pop –  zugleich ist es ein Porträt!
 
Und letztlich führt alles zu dem Song „Ghost Town“, so bewegend und dunkel  wie „Demon Days“, ein Schattenreich. Vielen Dank für das Gespräch! 

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2 Comments

  1. Michael Engelbrecht:

    In Kürze erscheint G STANDS FOR GO-BETWEENS, eine exzellente Box, die weitaus mehr enthält als die ersten vier Studioalben dieser Band.

    Aus diesem Grund können sie hier noch einmal mein Interview mit Robert Forster lesen, und dabei vielleicht neugierig werden auf die Welt dieser aussergewöhnlichen australischen Band, die ich von ihrer ersten Platte an, lapidar gesagt, in mein Herz geschlossen hatte.

    Ich habe die beiden einige Male getroffen, und als ich von Grants Tod las, liefen mir die Tränen nur so runter, was mir sehr selten bei Musikern passiert, denen ich nur selten (oder gar nicht) begegnet bin. Ähnlich erging es mir nur bei Simon Jeffes und John Lennon.

    G Stands For Go-Betweens Volume One extensively documents the band’s origins in an ambitious box containing four vinyl albums, four compact discs and an extensive 112-page book, featuring a trove of archival photos and extensive historical liner notes from founding member Robert Forster, along with additional pieces from guest essayists, fans and contemporaries.The box set captures the band’s output from 1978 through 1984 and includes the first vinyl re-pressings of their first three studio albums in over thirty years (Send Me A Lullaby, Before Hollywood & Spring HillFair), all re-mastered from the original analog tapes. G Stands For Go-Betweens also brings together theirearly classic and collectible singles together on a fourth vinyl LP entitled The First Five Singles, featuring new artwork from its creators. Additionally, the set comes with four compact discs of rare, hard-to-find andunreleased demos, recordings, radio sessions and a complete live concert radio broadcast from 1982. If that’s not enough, the set comes with a silkscreen of their first promotional poster for their debut single, “Lee Remick”, as well as a reproduction of their very first press release from their own Able Label.

    The first 600 orders will get a randomly selected book from the late Grant McLennan’s personal literary collection along with a specially-printed bookmark signed by Robert Forster, certifying their veracity. Many of those books themselves were also signed by McLennan as he had a habit inscribing his signature, the date and the city of acquisition in the front pages (though no guarantee that every book will have said inscription… luck of the draw). Recipients will be invited to join the Grant McLennan Literary Society over at http://www.go-betweens.net to share anecdotes and book reports on the copies their receive. A small quantity of G Stands For Go-Betweens will be made available to select retail outlets at the end of the year in select markets for the holidays. However, as this is a deluxe limited package, we will only be pressing this very special collection once and the only way to guarantee your own copy is to order from Domino Mart HERE.

    The Go-Betweens were formed by Robert Forster and Grant McLennan in Brisbane, Australia in 1978 while matriculating at the University of Queensland. The duo, augmented by various drummers and guests, recorded a series of acclaimed singles for seminal Australian labels such as their own Able Label and Missing Link. After a sojourn to London and Glasgow that led to their brief relationship with the legendary Postcard label, they were joined by their more permanent rhythmic counterpart, drummer Lindy Morrison, upon their return home prior to recording their debut album, Send Me A Lullaby.

    That release brought them to the attention of Rough Trade and a more permanent re-location to London. It was then the band recorded their breakthrough album Before Hollywood. Produced by John Brand (Aztec Camera, The Waterboys), the album contains some of the group’s most beloved recordings, including McLennan’s “Cattle And Cane” and Forster’s “By Chance”. Shortly thereafter, McLennan would hand off bass playing duties to new member Robert Vickers, who joined the group prior to the recording of Spring Hill Fair.

    During their initial phase, the group went on to record three additional albums for Beggars Banquet (to be documented in Volume Two) before splitting up in 1989 in spite of their greatest commercial success with the album 16 Lovers Lane.

    Forster and McLennan went on to extensive solo careers before reuniting in 2000 and making three more Go-Betweens album together (to be documented in Volume Three), including the ARIA-winning finalé, Oceans Apart. Sadly, the reunion came to a sudden end when McLennan passed away on May 6th, 2006 from a heart attack and The Go-Betweens disbanded for good.

    It would be hard to overstate the shadows cast across the musical landscape of the last three decade by the Go-Betweens’ self-ascribed “striped sunlight sound”. The duo of McLennan and Forster ranks alongside the best of the best songwriting partnerships, influence younger musicians both expected (such as Belle & Sebastian who reference the group on “Shoot The Sexual Athlete”) and unexpected (as with the late, great Jay Retard’s fiery cover of “Don’t Let Him Come Back”).

    This anthology is sure provide inspiration to a new generation of musicians while providing a very special personal experience for the existing fans.

  2. Olaf:

    „Demon Days“ ist ein ganz wunderbares Album, dass ich erst vor ein paar Tagen wieder gehört habe, genau „It ain’t easy“ ist mir sehr wichtig. Würde mich sehr freuen, in diesem Jahrzehnt noch etwas neues von Robert Forster zu hören.


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