Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

2014 21 Nov

Der Nostalgiereflex

von: Michael Engelbrecht Filed under: Blog | TB | 2 Comments

Wie kann es sein, dass so ein unglaublicher musikalischer Schwachsinn wie das jüngste Pink Floyd-Album so wohlwollend besprochen wird, selbst von renommierten Musikkritikern wie Alex Petridis u.a.? Es ist der Nostalgiereflex. An jedem Echo aus alter Zeit (einer Anspielung an „goldene Zeiten“, die es nie gab) lassen sich Geschichten knüpfen. Und man erzählt und erzählt, und merkt gar nicht, dass das einstige „Shangrila“ der psychedelischen Rockmusik im Rückblick nur noch die eigene Lebensgeschichte absichert. Weisst du noch? Das abgesichterte „Wissen“ ersetzt jeden Blick ins Unbekannte. Und jede Prüfung einer ernüchternden Gegenwart. Schlimmste Selbstkarikatur. Welche Pilze muss man nehmen, um dem Retro-Rausch zu erliegen? Peyote, das kann nicht sein. Eher Billigchampignons aus der Dose. Etwas, das nach nichts schmeckt. Kein britischer Musikjournalist hat den vollendeten Kitsch des Albumcovers von „The Endless River“ ins Spiel gebracht, der Bände spricht. Einen besonders elaborierten Quatsch durfte man spaltenlang in der SZ zu diesem Mist von Alexander Gorkov lesen. Glaubt der das selber, oder verbucht er es unter postmoderner Ironie? Besessen wird nach magischen Momenten geforscht. Wenn man aus den CDs nur Frisbiescheiben basteln könnte: das wäre eine würdevolle Art des Recycling von Herrn Pink und Frau Floyd. Die geriatrische Abteilung der Rockrezeption hat schon lange ihre Pforten geöffnet. Die Platte verkauft sich wie doof. Titelbild in der Mojo. Als wäre das Werk ein Ereignis. After all  these years. Es ist ein Nicht-Ereignis. Die Non-Event-Kultur muss noch erfunden werden. Andy Gill war einer der wenigen, welche Hohn und Spott über dieses Machwerk gegossen haben, und der Sturm der Entrüstung war ihm sicher. Diese Verehrung alter Helden, die nur noch Requisiten rücken, ist peinlich. Da kann man auch gleich Zeuge Jehovas werden. Oder das faschistoide Weltbild von Scientology als Weltkulturerbe verhökern. Alles Wahnsysteme – in solcher Musik bleibt der Irrsinn wenigstens harmlos. Bis auf ein paar Gift spritzende Fans, die den Schluss nicht gehört haben. Vor Jahrzehnten.

This entry was posted on Freitag, 21. November 2014 and is filed under "Blog". You can follow any responses to this entry with RSS 2.0. Both comments and pings are currently closed.

2 Comments

  1. Fünf Sterne Deluxe:

    Lieber Michael, offensichtlich existiert die Non-Event-Kultur doch längst. Pink Floyd, die Stones, Grönemeyer, AC/DC, Rebekka Bakken singt Tom Waits etc. pp. Man muss sich das alles ja nicht anhören. Ich habe seit 1975 keine „neue“ Pink Floyd-Platte mehr gehört und noch nie ein Album von AC/DC auch nur in den Fingern gehabt. So what. Aber wertet dein fortgesetztes Geschimpfe das Nichts nicht erst zu etwas von Bedeutung auf? Worüber man nicht reden muss, dazu kann man auch mal schweigen. Und stattdessen lieber die neuen Alben von Anouar Brahem oder Robin Williamson hören. Oder sich auf den CD-Release von The Cocoon auf Staubgold freuen.

  2. Michael Engelbrecht:

    Da hast du schon teilweise Recht. Aber ich habe beim Schreiben eine Entdeckung gemacht: dass Zombies ein sehr reales Phänomen sind. Ganz im Ernst: eigentlich intelligente Zeitgenossen beteiligen sich an diesen gesammelten Respektsbezeugungen, und vertun sich schlicht um vier Jahrzehnte (!!!). Das ist ein interessantes Phänomen. Und, ehrlich, auf den Zusammenhang von Champignons aus der Dose und Pink Floyds „Spätwerk“ muss man doch erst einmal kommen :) – und bedenke, ich habe stets Spass am Schreiben, da wird mir nicht der Kopf hochrot. Hast du die Emailadresse von Alexander Gorkov von der SZ, seine Büro-Email?


Manafonistas | Impressum | Kontakt | Datenschutz