Fast wäre ich damals, Ende der sechziger Jahre, auf die Tod-der-Literatur-Kampagne hereingefallen, obwohl ich erst kurz zuvor zu schreiben begonnen hatte.
Dann aber kam Günter Eich und schützte mich vor meiner Ernsthaftigkeit.
Sein Rettungsbuch hieß „Maulwürfe“ und erschien 1968. In diesem Buch stehen viele ironische, befreiende, absurde Sätze, von denen ich viele heute noch auswendig kann. Zum Beispiel diese hier: „Ich wache auf und bin gleich im Notstand. Die Gründe weiß ich nicht genau, verhafte aber vorsorglich meine Kinder, Verhaftungen müssen sein.“ Oder diesen: „Endlich weiß man, was Zeit ist: Solange man auch trödelt, es wird nicht früher.“ Und diesen: „Wäre ich kein negativer Schriftsteller, möchte ich ein negativer Tischler sein.“ Und noch diesen: „Die Zusammenhänge sind deutlich, wenn ich auch nicht weiß, welche Zusammenhänge.“
Und das 1968! Als es überall von Durchblickern wimmelte, die uns die Zusammenhänge erklärten, besonders oft und gern die nicht existierenden. Erst viel später habe ich bemerkt, dass Eich mit den „Maulwürfen“ auch gegen die eigene Ernsthaftigkeit agitierte. Vermutlich war er nur heiter, um hinterher wieder besser ernst sein zu können.
Ich war von den „Maulwürfen“ derart begeistert, dass ich Günter Eich sofort kennenlernen wollte. Man möchte seinem Retter doch danken, nicht wahr? Und das, obwohl ich in den „Maulwürfen“ gelesen hatte: „Ich habe keine Wohnung, bloß ein Postfach, besuch mich da!“
Die „Maulwürfe“ waren damals erstaunlich erfolgreich; das Buch erlebte mehrere Auflagen. So dass Günter Eich ein zweites Maulwurf-Buch nachschob: „Ein Tibeter in meinem Büro“ (1970).
Der neue Band war allerdings bei weitem nicht mehr so tiefsinnig und abgründig wie der erste. Danach war es mit den „Maulwürfen“ ganz vorbei. Günter Eich wurde wieder so ernst wie ein gewöhnlicher großer deutscher Lyriker.