Der argentinische Bandoneonist Dino Saluzzi erregte einst Aufmerksamkeit bei den berühmten „Latin America“-Platten seines Landsmannes Gato Barbieri auf dem Label Impulse. Saluzzis Erfahrungen reichen weit über die Traditionen seiner Heimat hinaus, und genau das verleiht ihm die Fähigkeit, sie über die eigenen Landesgrenzen zu transportieren, mit einem Fundus, der feinsinnige Jazzimprovisationen genauso einschliesst wie Filmmusikhaftes und Moderne Klassik.
Folgt man Leopoldo Castillas leicht euphorisiertem Begleittext der CD EL VALLE DE LA INFANCIA, so – Zitat – „atmet das Bandoneon die Luft brennenden Zuckerrohrs im Siancas-Tal von Salta, und das Saxofon ist der tiefste Schrei.“ Dem Insider der argentinischen Popularmusik mögen sich einige der Finessen dieser Musik tatsächlich als Spiegelung von Orten, Landschaften und Zeremonien erschliessen: das Heidnische und das Christliche scheinen demnach bei dieser „Familienmusik“ (drei Saluzzis wirken auf dem Album mit) geradezu eins miteinander, tiefe Melancholie und pure Glücksgefühle sind kaum einen Atemzug voneinander entfernt, zu vernehmen beispielsweise in den Anklängen an alte Tänze wie Zamba, Carnevalito und Chacarera.
Aber auch ohne solch fundierte Kenntnisse bzw. feierlich gestimmte Anmutungen kann sich der Hörer leicht von Saluzzis Reise in „Das Tal der Kindheit“ gefangen nehmen lassen. Was dieses mit zwei Gitarristen, einem Blasinstrumentenspieler, einem Bassisten und Trommler ausgestattete Sextett zuwege bringt, ist eine vollkommen klischeefreie Veranstaltung, dessen weit gespannte Palette an Emotionen und Stilelementen sich jedem routinierten Abarbeiten eines Zitatenschatzes deutlich entzieht.