Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

 

 
 
In London befindet sich mein Lieblingsrestaurant, Khan’s, an der Westbourne Grove (indische Küche), in Dortmund geh ich am liebsten in „Hürsters Kochwerkstatt“ (phantasievolle, sog. gutbürgerliche Küche), und auch in Aachen muss ich nicht lange überlegen, um meinen Favoriten zu benennen: das „Red“ in der Schlossstr.16, im Frankenberger Viertel. Ist das nun mediterrane oder internationale Küche? Egal …

Im „Red“ stimmt einfach alles: das Preis-Leistungs-Verhältnis, die unangestrengte, minimalistische Raumgestaltung (cool, aber nicht kalt, und selbst ein Rot-Ton kann dezent daherkommen), der Service (aufmerksam, informiert), die im Schnitt alle acht Wochen wechselnde Speisekarte – die Phantasie, mit der hier Speisepläne zusammengestellt, ja, komponiert werden, sucht ihresgleichen, soviel vorweg!

Natürlich kann man hier jederzeit a la Carte essen, zugleich gibt es an bestimmten Tagen Programm gewordenen Überraschungen, zum Beispiel mittwochs das aufgrund der immensen Kleinarbeit nur tischweise angebotene „Fine-Wining-Menü“. Für sage und schreibe 39 Euro pro Person (Stand gestern) gibt es ein fünfgängiges Mahl vom Allerfeinsten, wobei zu jedem Gang ein Wein (0,1l) serviert wird. Ästhetisch zubereitet, ohne nouvelle-cuisine-mäßig mit dem leeren Raum zu kokettieren …
 
BLOODY MARY ESPUMA MIT GEGRILLTEN RIESENGARNELEN (dazu ein Atlantik D.O. 2010 (Rias Baixas) – eine neue Rebsorte aus dem Norden Spaniens, Rieslingseele mit Sauvignon Blanc Aromatik)
 
GEEISTE FENCHELSUPPE MIT STREIFEN VOM FRISEE UND FLUSSKREBSSCHWÄNZEN (dazu ein Grauburgunder Burgfräulein – würzig-mineralisch, leicht fruchtig, solide im Abgang mit Schmiss und Extrakt)
 
Das waren die zwei ersten Gänge. Nun war ich schon einige Male hier, habe jedesmal aufs Neue das angenehm ungezwungene Flair genossen. Der Küchenchef hat im Lauf seiner Zeit gewiss schon etliche „Klassiker“ kreiert, doch gehört es zu den Grundideen des „Red“, sich nicht auf noch so edlem Lorbeer auszuruhen, und stetig den Punkt 0 in Angriff zu nehmen. So verschwinden viele Gerichte auf Dauer von der Speisekarte, um ihren festen Platz im Langzeitgedächtnis der Gäste einzunehmen.

Zum Beipiel habe ich nur beste Erinnerungen an ein Dessert, dass sich mittlerweile im Nirvana der verloren gegangenen Köstlichkeiten befinden dürfte, eine Süssspeise mit Rharbarber und diversen Zutaten,  an die ich mich um so weniger erinnere, je mehr ich mein Gedächtnis zwingen will. Der Geschmack liegt mir auf der Zunge, die Worte verflüchtigen sich: das Geheimnis jeder großartigen Küche, die etwas Neues aus oft bekannten Zutaten entwickelt, aber in der Kombination und Zubereitung jenen magischen Faktor X erzeugt, der bei anderen, weniger begabten Köchen, allenfalls zu steriler Perfektion führt.
 
SAFRAN-SPAGHETTINI MIT BELUGALINSEN, CHORIZO UND HÜTTENKÄSE (dazu das dritte Glas Weisswein, ein Lugana DOC 10, Venetien, Gardasee, Trebbiano Bennati; im Bouquet Anspielungen auf weiße Johannisbeeren und Stachelbeeren, sowie Nuancen von Vanille und Brotduft)
 
LAMMRÜCKEN „KRÄUTER DER PROVENCE“ MIT EINER LASAGNE VON POLENTA, BÜFFELMOZZARELLA UND ROTER PAPRIKA (dazu ein Merlot 10, Casa Vinicola, Bennati, Venetien, ein in Eichenfässsrn gereifter Merlot)
 
Man könnte natürlich einwenden, dass mir spätestens nach dem vierten Glas Wein die kritische Urteilskraft abhanden gekommen sein müsste, aber dem war nicht so, was ich zumindest mit dem Abstand eines Tages klar erkennen kann. Im übrigen: mir geht diese ganze „Sternekocherei“ mit ihren einengenden Vorgaben gegen den Strich. In jedem wunderbaren Restaurant muss sich – für meinen Geschmack – eine Basisportion Anarchie mit Phantasie und Disziplin paaren. Nur so bleibt die Qualität garantiert, ohne dass sich sog. Erfolgsrezepte durchsetzen und das Unberechenbare eliminiert wird. Auch hier scheint das „Red“ Massstäbe zu setzen.

Zum Schluss das Dessert (das Wort Schmand hat für einen Ostwestfalen etwas eher Unattraktives an sich, abhängig natürlich auch von bestimmten Kindheitserlebnissen, aber selbst solche sprachlichen Konditionierungen werden von der Realität mit einem milden Lächeln in Luft aufgelöst):
 
GEBRATENE APRIKOSEN MIT LAVENDEL UND HONIGSCHMAND (dazu Weißer Portwein, Taylors Chip Dry)
 
Und die Musik danach:
 
OLD IDEAS, von Leonard Cohen
FEAR OF MUSIC, von den Talking Heads
 
restaurant-red.de
Reservierung empfehlenswert: 0241-1606061
 
 

 

This entry was posted on Donnerstag, 12. Juli 2012 and is filed under "Blog". You can follow any responses to this entry with RSS 2.0. Both comments and pings are currently closed.

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