Manafonistas

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Archives: Roberta Flack

 

Liebe Uschigestern sassen wir (also du natürlich nicht) hier noch zu dritt am Frühstückstisch, und Annelie und ich stellten fest, wie wenig wir Romane in Briefform mögen, nicht mal reale Briefwechsel zwischen noch so geschätzten oder berühmten Personen. Manchmal verhindert die Form allein den Zugang. Aber so ab und zu einen Brief einstreuen, das hat was. Vieles aus unseren Würzburger Jahren liegt in warmen Nebel gehüllt, der manchmal aufklart, und sich dann wieder dem fragmentierten und fabulierenden Charme früher Kindheitserinnerungen nähert. Die folgende kurze Geschichte ist so wahr wie sie nur wahr sein kann, aber mit einigen Unschärfen behaftet, die ich durch den flow der Sprache auszugleichen versuche. Sie spielte sich ab, in der Zeit zwischen dem denkwürdigen ersten Statistikseminar bei Armin Rausche (the first time i ever saw your face (Roberta Flack-style, the only memory here on solid ground), und jener Fahrstuhlfahrt im I-Haus, als ich mich in meine zukünftige Verlobte verliebte. Ich tippe auf das zweite Semester Psychologie. Nun kommen zwei Personen ins Spiel, die ich überhaupt nicht gut unterbringen kann. Er war deutlich älter und wohl schon in der zweiten Hälfte des Psychologiestudiums angelangt. Jahrzehnte später hatte er eine Praxis in Dortmund (er kam, glaube ich, mich dunkel zu erinnern, wie ich aus dem Pott), und ich war überrascht, dass ich auf Anhieb seinen Namen auf dem Praxisschild am Alten Markt wiedererkannte. Nebenbei, ich erzähle hier mit Punkt und Komma, aber ohne Absätze, so dass nur die ganz Hartnäckigen das Verfolgen dieser Zeilen nicht aufgeben. Ich sah ihn später im Fernsehen, in der Lokalzeit von WDR 3, wo er einmal die kriselnde Gruppendynamik des BVB kommentierte. Die andere Person war ein Botticelli-Engel, blond, hinreissend, Augen wie Mondseen, zart, grazil, und alles andere als mein (androgyner) Urtyp. Ich weiss überhaupt nicht mehr, wo ich sie erstmals sah, was sie studierte (Pädagogik?), aber bis heute sehe ich ihr blond gelocktes Haar in frühlingswarmer Luft leuchten. Wäre dieser Brief eine Playlist, würde ich jetzt einen Song aus Joni Mitchells „Blue“ auflegen. Das, was jetzt kommt, ist tollkühn und banal, ein Ausreisser aus meinen damaligen Liebesgeschichten, die  gerne mit längerer Träumerei aus sicherer Distanz bzw. romantischer Ferne begannen, und mitunter auch so aufhörten. Anders als in späteren Jahren war ich noch recht schüchtern, und gewöhnt, eigene Unsicherheiten in grösseren Zusmmenkünften mit einem gern bereitgestellten Lächeln zu kompensieren. Hier aber schaltete ich in den Aktions-Modus um. Ich war fraglos verliebt, ich hatte, als psychosomatisches Korrelat dafür, ein seltsames Ziehen in einzelnen Fingergelenken, weitaus weniger poetisch als die  mir unbekannten, vielzitierten „Schmetterlinge im Bauch“. Jedenfalls wusste ich bald, wo sie wohl mit dem erfahrenen, älteren Studenten mit Schnauzbart lebte, wahrscheinlich war es sogar sein Haus. In meiner Erinnerung war es ein himmelblauer Tag, ich hatte mir einen zugegeben sehr kleinen Plan zurechtgelegt, der allein darin bestand, ihr ohne  viel Herzklopfen vorzuschlagen, einmal gemeinsam mit mir zu frühstücken, im Cafe Michel, im Zentrum unserer damaligen Stadt der Träume und Engel. Tatsächlich kellnerte dort eine junge Frau namens Petra, mit der ich Jahrzehnte später in Kiel…. ich schweife ab. Und jetzt also der Showdown: zu dem Haus führte ein Gartentor, das ich öffnete und hinter mir schloss, ich wusste weder, ob ihr Freund oder sie selber zuhause war. Als ich klopfte, öffnete mein Botticelli-Engel die Tür und blickte mich verwundert an. Wahrscheinlich sagte ich Sätze wie „Wir kennen uns“, oder „Darf ich eintreten“. Ich verkniff mir also solch romantischen Unsinn wie ihr ein besonders ausgefuchstes Liebesgedicht zu überreichen, um dann möglichst elegant den Rückzug zur Gartenpforte anzutreten. Sie bat mich herein, in eine Küche, die in warmen Holztönen gehalten war, und an einem grossen Eichentisch nahm ich Platz. Ihr Blick reine Verwunderung. Sie bereitete einen Tee zu, und ich habe keine Ahnung, wie wir diese ersten Minuten mit Wörtern füllten, bis auf einmal ihr Freund auftauchte, aus einem hinteren Zimmer, und sich scheinbar souverän und ruhig dazugesellte. Nach meiner halblaut vorgetragenen, wohl jetzt recht dreist rüberkommenden Frühstücksidee, lächelte sie unsicher und gab mir zu verstehen, dass der Mann hier, Rolf nämlich, ihr Lebensgefährte sei. Ich hatte keinerlei Argumente mehr, und auch keine Ideen. Leicht betretene Stille. Nach der Tasse Tee verabschiedete ich mich freundlich, und sah sie nie wieder. Ich glaube, der Liebeskummer war nur sehr kurz, und es wäre übertrieben, wenn dieser Brief eine Playlist wäre, nun „Nobody Loves You When You’re Down And Out“ von Janis Joplin und Jorma Kaukonen aufzulegen. Eher passend: „Cloud Dancing“ von The Roches. Als ich in einem späteren Leben in Dortmund auf das Praxisschild ihres damaligen Partners stiess, überlegte ich kurz, ob ich mal reinschneien sollte, aber liess es bleiben. Samsara. Es erschien mir  alles, was ich erträumt hatte, bereits damals unheimlich fern, als ich die Gartenpforte zum zweiten Mal schloss. Würdest du mich nach ihrem Namen fragen, würde ich ins Grübeln kommen und Friederike sagen, oder Erika, oder Susanne. Es gibt noch eine Geschichte, mit einem weiteren Botticelli-Engel (so viele trifft man nicht in einem Leben), und jene andere Story aus dem Bahnhof Langendreer verlief noch um einiges absurder, aber auch melodramatischer. (Das nenne ich mal einen cliffhanger.) Ein andermal. Liebe Grüsse, Michael!

 

2020 22 Mrz

Der doppelte Richard

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Als ich gestern in Ruhe das „Uncut Magazine“ in die Hände nahm, das ein sehr intessantes Interview mit den „Elderly Brothers“ Roger und Brian Eno enthält, entdeckte ich auch Richard Williams‘ Besprechung der 50th anniversary edition von Roberta Flacks erstem Album First Take. Tatsächlich ist mir dieses Album komplett entgangen, ich kenne nur ihren einen, so berühmten Song. Ich besorgte mir den Download, warf im Bad die kleine UE-Boom-Box an, und hörte das Album wie gebannt, von vorne bis hinten, umgeben von Schaumkronen und Salzkristallen. Purer Eskapismus, von wegen! Richard beschrieb in der Online-Ausgabe der Zeitschrift das kulturelle Klima, in dem dieses Album 1969 landete, ohne sich den expressiven Gesangsstilen anzupassen, für die Aretha Franklin oder Mavis Staples standen. Zwar kommt auch ein Gospel vor, aber aller Innbrunst beraubt, so in-sich-gekehrt, nah an der Selbstauflösung, dass „I Told Jesus“ kaum wiederzuerkennen ist. Und dann erst der Saloon-Song am Ende, ich staune. Und begegne dieser Musik sicher nicht als Soul-Experte. Roberta Flack changierte hier eh von Genre zu Genre – dabei ging es ihr nicht darum, in solcher Melange neue Räume für afro-amerikanische Sängerinnen aufzuschliessen – ausschlaggebend für ihre Auswahl war einzig und allein, das sie diese ausgewählten Lieder auf ganz besondere Weise berührten. Und am gleichen Tag lag, schöne Synchronizität, das lang erwartete, neue Buch von Richard Williams in der Post: „A Race with Love and Death – The Story of Britain‘s First Great Grand Prix Driver, Richard Seaman“.

 


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