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Archives: Hauschka

 


 
 

 
 

Hauschka spielte 70 Minuten ohne Pause vor etwa 50 Museumsbesucher. Zugabe waren die „Gaffertapes“. Wahnsinnskonzert.

 

2017 3 Aug

Hauschka on stage

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Der Musikpavillon im Palmengarten ist eine der schönsten Frankfurter Konzertstätten. Eine akustisch durchdachte Muschel, die sich in den Palmengarten hinein öffnet und der Hörer dann zwischen Bäumen im Grünen sitzen und die wunderbare Akustik genießen kann. Und zudem seit Jahrzehnten ein Ort, an dem sehr unterschiedliche Musiker auftraten und das Kulturbedürfnis der Frankfurter vielseitig befriedigten. Zum ersten mal war ich da Ende der 70er Jahre zu einem Konzert des Sogenannten Linksradikalen Blasorchesters in dem mein Sportlehrer Altsaxophon spielte. Hierbei blieb mir aber weniger sein Einsatz, sondern vor allem ein Duett der beiden Gründer Heiner Goebbels und Alfred Harth in Erinnerung, die in beeindruckendem Tempo auf zwei Baßsaxophonen fast stakkatoartig einem Stück von Scarlatti ein erfrischend neues Gesicht gaben.

Am 1. August dieses Jahres läuft eine Ente zwischen den wartenden Konzertgästen umher und sucht nicht erfolglos nach heruntergefallenen Brezelstücken. Das Konzert ist Teil einer sommerlichen Konzertreihe, so dass viele Besucher gar nicht recht wissen, was auf sie zukommt und sich einfach überraschen lassen wollen. Auf der Bühne steht ein präparierter Konzertflügel und zwei teilpräparierte DisKlaviere und warten auf Volker Bertelmann, der seine Musik als Hauschka präsentiert. Nach einer kurzen Einführung in seine Ideen zu dem Konzert und seine Art Musik zu machen, spielt er sich schließlich ein halbes Stündchen warm. Ein einfaches Pattern am Anfang, gelooped und dann immer ein kleines Fragment dazu. Einige Loops sind bereits vorab aufgenommen, aber das Meiste entsteht schrittweise live auf der Bühne. Mal wird ein Fragment verzerrt oder kriegt etwas mehr Delay und so kommt die Musik Hauschkas so langsam in Fahrt, fängt an zu grooven und einen fast hypnotischen Sog zu entwickeln, dem man sich einfach nur genußvoll und widerstandslos hingeben möchte. So geht es auch denen, die noch nie zuvor etwas von ihm gehört haben.

 
 
 

 
 
 

Jeder Ton zählt, egal ob verzerrt oder schön, egal ob im Takt oder fast suchend verschoben. Fast als ob sich die Klangfarbenfreude John Cage’s mit dem Rhythmusvergnügen Steve Reich’s zusammengetan hätten, um elektroakustischen Techno zu machen, minimalistisch, verspielt und doch treibend. Nach der Pause baut Hauschka ein langes Set auf, dass sich stetig steigert, mal die Richtung wechselt und endgültig abhebt, als die DisKlaviere anfangen wie von Geisterhand neue Grooves hinzuzufügen und das Empfinden weiter zu verdichten. Da sind die Klangfarben von What if, aber die Musik ist offener, manchmal suchend während der Beat weiterläuft, manchmal tanzend.

Nachher erzählt uns Volker, dass das meiste improvisiert ist und er nur kleine Patterns benutzt, die er dann ganz flexibel abrufen kann und so stets die Richtung des Flows verändern kann. Oft unsynchronisiert, was zu Rhythmusverschiebungen, von nur etwas Hall überlagerten Schwebungen und offenen Strukturen führt, die ganz subtil die Aufmerksamkeit und die Neugier aktiv halten und die Spannung weiter steigern. Und schließlich der Showdown, in dem er die Präparationen des Flügels – kleine Glöckchen, Metallkettchen und -klemmen, Kronkorken, Filzkeile in allen Größen, Schraubenzieher und eine kleine Trommel – gleich kurzer Ghostnotes aus dem Flügel entfernt, bis dieser zum Schluß wieder rein erklingt. Als Zugabe gibt es dann das Stück Gaffer Tape, bei dem Volker die Saiten kurzerhand mit dem gleichnamigen Textilband durchgehend beklebt und den dadurch entstehenden trockenen Klang für eine wunderbare Miniatur aufblühen lässt. Einfach ein einzigartiges Vergnügen von bislang in dieser Form Ungehörtem. Irgendwie öffnet sich im Kopf der Raum der Möglichkeiten, der ahnen lässt, dass diese Performance nur die Spitze des Eisbergs zukünftiger Klangräume gewesen sein könnte … wie wunderbar.

2017 11 Apr

Was wäre wenn …

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… man Radiergummis, Kalbellitzen, Schrauben, Butterbrotpapier, Alufolie, Holz, Filz und Kork, kleine Metallgegenstände, found objects, akademisches Treibgut und anderes schwer Vorstellbares nähme um damit John Cage’s Versuch einem Konzertflügel neue Flügel zu geben mit apokalyptischen Phantasien zu neuen Horizonten zu treiben? Wenn diese neuen Klangräume nicht nur allerlei sonderbare Klangfarben enthalten würden, sondern einen Rhythmus, einen Puls, einen sogartigen Groove, der nur durch gelegentliches zartes Oszillieren und Zirpen unterbrochen wird, um dann sich gleich wieder treibend neu aufzubauen? Und das alles noch eine kaum identifizierbare elektronische Würze bekäme?

Dann wäre man im düsteren Herzen der Abandoned Cities, in den noch nachglühenden Reaktoren, die alles Wasser verdampft, die Bäume in Buchseiten verbannt und alles Vertraute zum Verschwinden gebracht haben. Ein musikalisches Exil? Das, was sich in Harold Budd’s Abandoned Cities noch bedrohlich und präapokalyptisch angehört hat und in Hauschka’s gleichnamigem Werk zu einem Rundgang durch zerfallende Städte wurde, ist nun einen Schritt weiter nur noch eine Erinnerung an die Vitalität des Zerfalls und des Lebens davor. Denn die Kinder leben längst auf dem Mars und ich habe noch über neunhundert Jahre vor mir …

Als Sohn einer Musiklehrerin hat mich Musik von Kindheit an begleitet. Aber das war, durchaus zum Leidwesen meiner Mutter, nicht unbedingt die klassische Musik: bei Mozart und einigen Romantikern verspüre ich heute noch eine leichte Übelkeit, von der Langeweile des tausendmal Gehörten ganz zu schweigen. Es war die Suche nach der Magie des Neuen, des noch nicht Gehörten und so entwickelte ich früh eine Faszination für experimentielle Musik und neue Klangräume, die sich mir zunächst in der elektronischen und psychedelischen Musik der 70er Jahre eröffneten, dann aber auch bald den Weg zum Jazz, besonders zur improvisierter Musik, aber auch ambienten Klängen fanden. So gestaltete sich die Suche nach einem geeigneten Klavierunterricht auch hinreichend schwierig, weil es mir nur schwer gelang dem klassischen Reproduktionsgeschäft etwas abzugewinnen. Schließlich fand ich als 16jähriger eine Klavierlehrerin aus der damals sehr aktiven und brodelnden Wiesbadener New Jazz Kooperative, die mir zum Glück nicht nur „Literaturspielen“ beibringen konnte. Hier konnte ich über die Jahre eine Form des Improvisierens erarbeiten, die inzwischen viele Grenzen hinter sich gelassen hat und dennoch jedes mal wieder neue Herausforderungen findet. Wozu auch das Präparieren eines Konzertflügels – meist zum Leidwesen seines Besitzers und zur Freude des Publikums – gehört. So ist What if ein Eintauchen in eine zutiefst vertraute Welt von experimentellen Ereignissen, ein Heimkommen in ein futuristisches Haus, in dem die klassischen Regularien verwelkt auf dem Boden liegen und in jedem Raum anstelle von Bildern organisch artifizielle Klänge für die Atmosphäre sorgen. Und wenn die Musik einmal vorbei ist, läuft sie traumgleich einfach im Inneren weiter. Was wäre wenn …

 
 
 

 


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