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Archives: Black Hole

 

 

Dieses Pannel ist einer Graphic Novel entnommen, und es fällt nicht schwer zu erkennen, in welcher Zeit wir uns befinden. [Zur Vergrößerung die Bilder anklicken.] Die Frisuren, die Schlaghosen, der Hemdkragen. Die Lampe, die Bilder an der Wand. Und die Pilotenbrille. Alles deutet auf die 70er Jahre hin. Geht die Datierung genauer? Jugendliche trinken Bier auf einer Party und jemand erzählt, er hätte Karten für ein Konzert von Emerson, Lake and Palmer gekauft. Es klingt nach Geheimtipp. Chris, eine Ausreißerin, besucht ihre Freundin Marci. Die legt Harvest von Neil Young auf; sie hören es leise. Ein Lieblingsalbum der beiden, aus dem Jahr 1972. Chris nimmt eine Neuerscheinung in die Hand: Diamond Dogs von Bowie. Es erschien am 24. Mai 1974. It’s kind of weird stuff, sagt Marci. But I’m starting to get into it.

 

 

 

 

In der Graphic Novel Black Hole von Charles Burns erleben wir eine Apokalypse, einen Absturz in eine surreale Zwischenzone, in der die Systeme des Elternhauses und der Schule ihre Bedeutung verlieren. Die Körper erleben eine Revolution. Hierarchien und Grüppchen bilden sich aus; man grenzt sich voneinander ab. Auf Partys herumstehen, sich festhalten an der Bierdose in der Hand, fachsimpeln, rumkiffen im Wald, weiter hineingehen, auch wenn Knochen an Äste gebunden sind, ein zerrissenes Kostüm menschlicher Haut in den Zweigen hängt, und in einem Zelt auf einer Lichtung Playboyhefte und Snickers lagern. Was die Jugendlichen gravierend verändert, das ist das Virus, das sich durch ungeschützten Sex überträgt. Es wirkt sich unterschiedlich aus. Die Meisten entwickeln entstellte Gesichter, andere Symptome sind Schwimmhäute zwischen den Fingern, eine klaffende, offene Wunde entlang der Wirbelsäule, ein zweiter Mund am Halsansatz. Ein Mund, der die Wahrheit spricht. Angesiedelt ist die Geschichte im äußersten Nordwesten der USA, am Rande von Seattle, wo Charles Burns in den 70er Jahren seine Jugend erlebte. Seattle wird zwar nicht genannt, aber es gibt ein Pannel mit der Silhouette von Downtown Seattle, genannt wird auch Bremerton, eine Stadt im Bundesstaat Washington. Charles Burns hat Black Hole in den Jahren 1995 bis 2005 in zwölf Heften veröffentlicht. 2008 erschien die Graphic Novel als Buch, 2011 auch auf Deutsch (bei Reprodukt). In der Fassung des Buches ist der Schluss offener als in den Heften. Dafür hat es genügt, den letzten Absatz zu löschen, in dem eine Figur erzählt, dass die Symptome irgendwann verschwanden und sie „dann wieder mit den Scheiß-Normalos herumhing, so wie früher“. Das wirkte wie ein Plädoyer, die gewohnten Pfade lieber nicht zu verlassen, war unnötig und allzu moralisch. Warnungen vor dem Betreten fremder Sphären gibt es ohnehin. Gohwa heißt go away. Der Wald ist das Rückzugsgebiet der Infizierten. Die Natur bietet zwar kurzfristig, for a swim, Schönheit und Berauschung, aber keinen Schutz. Auch nicht die Häuser. Die Atmosphäre ist düster und intensiv. Schwarz ist der Farbton, an den man sich erinnert. Bedrohung das Grundgefühl. Nacht. Wie Paare aber dann zusammenfinden, am Rand einer Party. Das geht so leicht. Die Stimmung schwankt zwischen aufgeladener Lust, pathetischen Liebesschwüren, tiefer Einsamkeit und dem Glücksgefühl, das darin besteht, dass Erinnerungen verblassen. Es wäre zu kurz gegriffen, die Metapher des Virus einzig auf eine Aidserkrankung, die zur Zeit der Entstehung der Graphic Novel noch sehr gefährlich war, zu reduzieren. Black Hole ist auch die atmosphäre Schilderung einer inneren oder äußeren Transformation, einer Sinnsuche, einer Ohnmachtserfahrung.

 

 


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