Manafonistas

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Eine retrospektive Studie über Rattenfänger und verführbare Generationen im Zustand unangebrachter Selbstgerechtigkeit

 
 

 

 

Ja, wir hielten uns für unangreifbar und resistent gegen jede Art von Gurus und Führerpersönlichkeiten, so schön hätte gar keiner die Flöte spielen können, dass wir ihm gefolgt wären – und Che Guevara hing nur über dem Bett, weil er so gnadenlos gut aussah, nicht wahr? Das hatte gar nichts mit Führersehnsucht oder Leitwolf oder Sozialromantik oder gar Vaterlosigkeit zu tun … nönö … schliesslich hatte man seinen Freud gelesen und war immun gegen dergleichen Verführungen, das war lediglich ein Logo um zu demonstrieren, dass darunter ein revolutionärer Geist sein Haupt bettete – aber keinesfalls ruhte – der wahre Revolutionär schläft nicht und hat pflichtschuldigst ein gebrochenes und durch Kritik veredeltes Verhältnis zu etwaigen Rudelführern zu pflegen, so wollte es das linke comme il faut und das war strenger als die Regeln eines wilhelminischen Mädchenpensionats. Enver Hodscha hing da nur einmal bei einem strammen Marxist/Leninisten, aber der sah auch nicht so gut aus. Der Hodscha, nicht der Marxist. Der übrigens auch nicht.

Und die Fehler der Elterngeneration wiederholen wir ja schon gleich gar nicht, das war klar, aber sowas von … Trotzdem hätten wir ihn am liebsten geknuddelt, den Alten, so ausgehungert waren wir damals offenbar nach etwas Sonne, Tanz und Lebensfreude und so satt hatten wir unsere depressiven, kriegstraumatisierten und herumschnauzenden Väter, die sich nach der notwendigen Existenzsicherung total dem Leistungsprinzip ergaben, weil sie nicht mehr wussten, was sie sonst tun sollten und familiäre Kollateralschäden billigend in Kauf nahmen bzw überhaupt nicht bemerkten, dass sie solche anrichteten und die Kinder ihnen verlorengingen. Da konnte so ein Typ gut landen – der Strahlemann mit dem halb aufgedröselten Strickpullover und der verschwitzten Mütze, den überhaupt nichts zu kratzen schien, immer in der Dialektik zwischen Strassenköter und weisem Sokrates herumoszillierend. So wird man zum Mythos wenn man nur den Nerv der Zeit trifft. Und der so wunderbar in der Sonne tanzen konnte, dass man alles drüber vergass, sogar unsere Asshole-Familienpatriarchen, von denen wir nie wussten, ob ihre Abwesenheit nicht segensreicher war als ihr Dasein. Konterfeis von gefallenen Kriegshelden auf der Kommode können einen immensen Einfluss auf kindliche Identifikationsprozesse ausüben, vor allem bei Jungs. Da bekommt man hinter der Couch so manch Liedchen gesungen in all den Jahren …

 
 

 
 

Und da verzieh man dem übersprudelnden puer aeternus kleine Schnitzer im Plot, die bei näherem Besehen so klein doch nicht waren. Nach dem Tod seines Sohnes habe er getanzt bis zum Umfallen, um nicht verrückt zu werden, sagt er – das versteht man, die Formen des Trauerns sind sehr individuell – danach hatte er sich offenbar zum Herumstreunen entschlossen und seine Gattin musste sich wohl alleine im Olivenhain abrackern, um werweisswieviele Kinder durchzubringen. Da hat man leicht tanzen, wenn jemand anders die Windeln wäscht und die Oliven vom Baum klaubt; da könnte den Zuschauer und vor allem der Zuschauerin doch der Geist altbekannten Machotums anwehen wenn, ja wenn wir ein bisschen aufmerksamer gewesen wäre für die eigenen Anachronismen und unsere eigene Verführbarkeit.

Eine alternde Prostituierte, Madame Hortense, eine griechische Kameliendame, hält er im Arm und begleitet sie mit herzschmelzenden Worten beim Sterben, um sich danach aus deren Bett zu erheben und etwas wie „alte Schlampe“ zu murmeln. Anvertrautes Geld verjubelt er im Bordell und hat darob auch keinerlei schlechtes Gewissen, vermutlich wusste er gar nicht, wie man das schreibt und sein Buddy Basil ist schon so in seiner westlichen Loyalitätsblindheit verheddert und von dieser südlichsonnigen-hellenischen Andersartigkeit so angefixt, dass er noch nicht mal sauer ist. Heute würde man dergleichen einen Co-Narzissten nennen.

Danach gibt unser Freund den Herrn Jesus und schützt eine junge Witwe mit grosser Geste und markiger Rede vor der Steinigung und verlässt nach seinem Auftritt ebenso stolz wie rasch den Schauplatz. Hinter ihm prasseln dann natürlich die Steine, klar – mit Herumtönen ist der Volkszorn noch lange nicht befriedigt – aber das ging ihm auch wieder am Hintern vorbei.

 
 

 
 

Sorbas geht unberührt durch alles Störende und Tragische hindurch, als existierte es nicht, auch wenn er die Suppe selbst angerührt hat. Das hat was! Und später manchmal auch nicht mehr, wenn man alte Filme guckt und so manches doch seine Glorie verliert und das Gucken in eine unangenehme Form der Selbsterfahrung einmünden könnte. Was hat einem bloss alles gefallen im magischen Damals und warum? Und warum ist James Dean in seiner bockigen Pubertiererei heute bloss noch peinlich, wenn wir ihm doch damals am liebsten die Füsse geküsst hätten? Und warum will der Woody-Allen-Humor so gar nicht mehr funktionieren bei dem man sich früher gekringelt hat? Und Monty Python staubt auch schon etwas ein. Der Zuschauer ist dann am Ende auch nicht mehr überrascht, als die zusammen aufgebaute Seilbahn, die die Existenz des Ich-Erzählers sichern soll (eines der mühsamen Konstrukte, das die Beziehung zusammenhält und immer wieder neu erschaffen werden muss) bei der Generalprobe grandios zusammenkracht. And then dancing on the beach as usual – was denn auch sonst? Damals ging man befriedigt aus dem Kino und natürlich sofort zum Griechen seines Vertrauens (in Würzburg war das der Theo), um die Seligkeit noch ein bisschen zu verlängern. Und spätestens dann war auch klar, wo man im nächsten Urlaub hinwollte.

Gegen den Film – klassisches buddy-movie – ist nichts zu sagen, gegen den Roman auch nicht, ausser vielleicht einer gewissen Vorhersehbarkeit – ersterer zeigt, auch durch seine Schwarzweisszeichnung, ein anderes Griechenland als sonst – karg, trocken, finster, archaisch, die Frauen in ihren schwarzen Kleidern bedrohlich als sie sich im Schlafzimmer von Madame Hortense versammeln wie Trauervögel und auf deren Tod warten, um dann in rituelles Wehklagen auszubrechen, für das sie vermutlich einige Drachmen einsacken – eine anachronistische mittelalterliche Welt im Jahre 1946, ohne Farben und mit einem grauen zurückweisenden Meer – ein Griechenland in einer reizvollen melancholischen Brechung eingefangen, die Story in kurzen und scheinbar zusammenhanglosen Episoden kollagenartig zusammengesetzt und durch ein leicht geschwärztes Glas betrachtet, da hat ein Regisseur durchaus seine atmosphärischen Hausaufgaben gemacht. Der Soundtrack war natürlich ein donnernder Erfolg und sicherte wiederum die Existenz von Theodorakis. In den Discos wurde Sirtaki getanzt bis zum Abwinken, wir schnipsten uns die Finger wund und ich wollte unbedingt eine Bouzouki, nicht um sie zu spielen sondern … ja …. ähm … zur Dekoration, ich gestehe – womit wir schon wieder im Dunstkreis des Narzissmus wären. Auf Fotos hätten wir beide sicher ein spektakuläres Paar abgegeben, wenn ich etwas irgendwie griechisch Anmutendes angezogen hätte. Der Exotenbonus war damals durchaus hilfreich auf der schlüpfrigen Piste der Erotik, by the way … am Ende war mir dat Dingens aber dann doch zu teuer.

Viele Restaurants nannten sich „Zorba“, die Kneipe im Ashram in Poona hiess „Zorba the Buddha“ – von Bhagwan/Osho gedacht als Erinnerung über dem Spirituellen die Freuden des Körpers nicht zu vergessen. Das machte den Letzteren auch so verdammt attraktiv für ausgedörrte Westler in ihren grauen Städten und ihren freudlosen Eltern und Lehrern, die ihnen gerne ein ständig dräuendes und drückendes Nichtgutgenugsein als Daueretikett in die Seele gestanzt hätten. Noch so eine Nachthemdlichtgestalt mit leicht geschwärzter Weste, der die Mitte zwischen tiefen Weisheiten und wohlfeilen Sprüchen nicht immer zu finden verstand und dem auch ziemlich wurscht war ob er sie fand. Angehimmelt wurde sowieso … Soweit alles prima mit den Übervätern – nur was mich beunruhigt ist die Tatsache, dass wir offenbar nicht bemerkt haben, was für ein narzisstisches empathiefreies Windei diese Filmfigur war. Wo war dieses Loch in der eigenen Wahrnehmung und wie kam es dazu? Waren wir doch leitwolfbedürftig? Bereit alles andere – nicht nur zu verzeihen sondern sogar völlig auszublenden, nur weil einer fröhlich war und uns endlich mal zeigte wie man gut lebt? Und dem dauergrollenden Übervater über den Wolken flugs den Blitzstrahl aus der Hand fingerte? Waren wir auch in Gefahr, einem Rattenfänger hinterherzuziehen, nur weil der um 180 Grad anders gedreht war wie der vorherige? Unsere linken Gurus, für die wir Mädels … pssst … die Flugblätter tippten, was war mit denen? Hatten unsere Väter solche Skotome hinterlassen, dass wir auf  jeden Papiertiger hereinfielen, der sich auf zeitgerechte Selbstinszenierung verstand? Fragen über Fragen … Eins der grossen Verdienste dieses Filmes – er zeigt uns den inneren Zustand seiner Fans und Rezipienten – wieder einmal der Spiegel der Schneekönigin, der uns beim Reingucken das zeigt, was wir so gar nicht leiden mögen. Unsere überstürzten Idealisierungen …

Darauf einen Ouzo! And another dance ... und schon macht einem die ganze Sache viel weniger aus … selbst wenn man statt Maria Farantouri nur noch Vicky Leandros aus dem Plattenfach zu fingern imstande war. Schliesslich auch ne Griechin und Hauptsache Fingerschnipsen … jede Generation hat etwas, das sie besoffen macht – so auch wir. Und wer ist schon ganz zurechnungsfähig in seinen hellen Zwanzigern? Und bei uns ging es immerhin ohne Todesopfer und grössere Kollateralschäden. However!

Und eine neue Definition von Weihnachten hatten wir auch:

Weihnachten geht man nicht in die Kirche! Gott ging auch nicht in die Kirche, der ging zu Maria und dann wurde Christus geboren!

Was für eine lebensstrotzende Interpretation einer ansonsten blutleeren Geschichte, da hebelt einer die dröge Story vom Heiligen Geist und der Jungfernzeugung mal eben mit ein paar Worten aus – da ists wirklich langsam egal, ob der Typ bloss dämlich oder genial ist. Zitierfähig ist er allemal.

Also … Jamas und … dings … Kali nichta!

And never touch an archetypus!!

 

 

               

 
 
 

               

 
 
 

Die Glyptothek München ist mittlerweile dafür bekannt, Altes und Neues kreativ zu vermischen oder provokativ gegenüberzustellen – zuletzt mit der Ausstellung Zerklüftete Antike mit den Holzbildnissen von Andreas Kuhnlein. Geschaffen wurde ein visueller Dialog zwischen Zerstörung und Bewahrung, Zeit und Ewigkeit, Zerfall und Unberührbarkeit. Man erlebte ein essentielles Angerührtsein. Die Ausstellung  Musa von Luca Pignatelli ist eine weitere Variation dieses Ansatzes. Pignatelli ist ebenfalls ein Künstler, bei dem die Zeit in sein gesamtes Werk verwoben ist – er arbeitet mit Materialien, die bereits weggeworfen wurden, mit Abfällen und Dingen, die keine Zukunft mehr zu haben scheinen und setzt sie in einen neuen Zusammenhang.

Zwischen den antiken Plastiken der Glyptothek hängen deren zweidimensionale Abbildungen der ausgestellten Skulpturen, meist in Blau. Man spaziert durch die vertrauten Gänge, beobachtet von blicklosen Augen, von denen wir gerne wüssten, wie sie uns sehen – und plötzlich sind es viel mehr Augen als gewohnt, denen man standhalten muss. Ein seltsames Beobachtetwerden. Als wären sie aus ihren steinernen Hüllen herausgetreten und betrachteten ihre unsterblichen Körper von aussen. Flächig aufgeteilt, in andere Muster eingebettet leben sie bereits in einem anderen Kontext, stille Wächter ihres Ursprungs.

Warum „Muse“? Schutzgöttinnen der Kunst … heute würden wir sagen: der kreative Anteil eines Künstlers, der sich von Zeit zu Zeit Bahn bricht und nach aussen drängt. In der Antike gefiel offenbar der Gedanke, dann von einer Göttin geküsst worden zu sein besser – eine Art Befruchtungsakt, bei dem etwas zur Welt kommt, eine verlockende Phantasie, besser als ein einsames Gebären, bei dem einem niemand erwartungsvoll über die Schulter schaut. Der Glanz im Auge der Mutter, über den ersten selbstgebauten Turm …. ja, auch Künstler sind nicht gern allein, da greift man gern auf Mythen zurück. Wie heisst dann der gute Geist der Künstlerinnen? Musus?

Sehen die blauen Wesen überhaupt etwas mit ihren blicklosen Augen? Oder sehen sie mehr, weil sie sie geschlossen haben? Man sieht nur mit dem Herzen gut sagte der kleine Prinz – diese Geschichte konnte ich nie leiden, ein hochgejubeltes Kinderbuch mit reichlich Plattitüden, Sentiment und Wortgeklingel, aber die Welt hat offenbar beschlossen, ihn der grossen Literatur zuzuordnen. Und wie oft täuscht sich das Herz in seiner Einschätzung und täte gut daran den Verstand herbeizurufen?

Das Motiv der Doppelaugen finden wir bereits bei Cocteau, der den Dichter gerne als sehend – nichtsehend – mit auf die geschlossenen Lider aufgemalten Augen abbildet. Sie wirken unheimlich – wie alles, wovon wir nicht wissen, ob es tot oder lebendig ist, der Blick ist seelenlos. Vielleicht ist es ja auch kein Sehen – eher ein Drohstarren, das sich den anderen vom Leibe halten will, dergleichen braucht man wohl manchmal auch als Künstler – und wies dahinter aussieht, geht niemand was an. Ein guter Schutz.

 
 
 

 
 
 

Seltsame Wege gehen die Gedanken zwischen blauen Musen, die die Körper betrachten, aus denen sie geschlüpft sind. Wie ist das wohl wenn man sich von aussen sieht? Fühlt man sich wie der Schmetterling vor der Larvenhülle oder möchte man zurück in die Stabilität des Dreidimensionalen? Oder bleibt man einfach – wie der Zuschauer – in dieser dialektischen Spannung und schaut was passiert? Mit zunehmendem Alter sympathisiere ich immer mehr mit dieser Position, sie scheint mir unterhaltsamer … Superposition.

Seltsame Wege …

 

2024 22 Sep

postcard from ithaka

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„Wohin geht die Fahrt?“ fragt Odysseus den Steuermann. Der guckt verdutzt: „Richtung Altern, Alter – müsstest du doch wissen!“ Ob wir denn ein gutes Buch dabei hätten? Ja, von Elke Heidenreich – und falls das nicht gefiele, auch das alt bewährte von Carl Amery. Revolte ja, doch für Resignation sei es noch zu früh. An diesem Morgen hielten sich die Nebelschwaden zäh, die Sonne würde wie am Vortag schon, erst gegen Mittag mit ihren Strahlen wärmen, dann allerdings recht stechend und die Wespen lockend. Zunächst mal legte der Steuermann ein Stück von David Sylvian auf den Plattenteller der Bordanlage: “ … all set for sail … little girl dream taking the veil …“ erklang es gutgelaunt aus den Backbord-Boxen. Auch akustisch reichlich Proviant an Bord – und was die Playlist alles hergab: Florian Weber, Mary Halvorson, die Silly Sisters, Nic Jones und vor allem die wunderbaren Milton und Esperanza im Duett. „Das macht Hoffnung“, meinte der Meister der Heldenreise, König von Ithaka – „Fahren wir nach Europa?“ Nein, dort sei die Lage kritisch, Krieg und Klimawandel, neue Nazis sässen dort am Kabinettstisch, polterten des Nachts durch enge Gassen, marode Brücken stürzten ein. Man sei besonders in Germania im Wirtschaftwunder-Wahn gefangen, aber kein Nachwuchs käme nach mit protestantischem Arbeitsethos, Arbeit und Leben seien in Disbalance geraten. Ob die denn keine trojanischen Pferde hätten? Eher zuviele, das sei ja das Problem: Einwanderer mit anderen Werten brächten orientalische Gebräuche in Gegenden, wo sie nicht hingehörten. „Ja, heiliger Sarrazin, das ist ja zum Haare raufen!“

 

2024 12 Sep

R.I.P

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Ciao, ciao, Bambina – im Geiste sehe ich Dich noch umherstreifen, mit schwarzen Locken und buntem Röckchen unter Palmen am blauen Meer, neben Dir ein Esel mit zwei Orangenkörbchen und ein paar kleine braungebrannte Jungs mit rot-weissen Ringelpullis, begleitet von Mandolinenzirpen. Du warst nicht nur eine Sängerin, Du warst auch Trägerin eines Lebensgefühls, trugst wieder eine Spur von südlicher Sonne und Meeresbrise in die hermetisch nachkriegsverrammelten deutschen Wohnstuben, für deren Bewohner noch hinter jeglicher Grenze Feindesland lauerte und die nur Heimatfilme aus Tirol guckten. Dabei warst Du nie anrüchig, sondern immer adrett, ohne überbordende Erotik und frisch mit Kernseife gewaschen, so dass die Deutschen in ihrem neu entwickelten Waschzwang Dich gut annehmen konnten – so etwas wie die europäische Antwort auf Doris Day. Und so richtig Italienerin warst Du auch gar nicht – gebürtig in Lugano. Die Schweiz war für den Deutschen ja nie so wirklich Ausland, das machte es für uns auch leichter. Und in jedem Deiner Songs wurde die Welt wieder ein Stückchen freundlicher, begehbarer und nahbarer und schliesslich trauten sich doch die ersten mit der Isetta über den Brenner und fanden’s dort toll. Danach rückten die Filmproduzenten in Scharen ans blaue Meer aus und der Bikini war en vogue.

 

 

 

 

Ciao, Caterina – Du warst ein Stück Historie der Trivialkultur und Teil eines Mythos der die Grenzen in Kopf und Herz zu öffnen verstand für die Schönheit des gerade noch verteufelten Fremden und Ausgegrenzten, Du warst die Sirene die Odysseus dazu brachte sich vom Mastbaum wieder losbinden zu lassen und des Lebens Ruf  zu folgen, der bekanntlich niemals endet. Wenn Du drüben ankommst grüsse Vico Torriani, ihr habt zusammen verdammt gute Integrationsarbeit geleistet für ein Land im Zustand der bleiernen Zeit, der Schuld, des Heimatschwurbels und der Duldungsstarre. Freddy Quinn, der Spezialist fürs Dauerfernweh, wird halt noch ein bisschen auf sich warten lassen, dann könnt Ihr zusammen den Olymp rocken. Arrivederci!

 

2024 12 Sep

If I was a painter …

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2024 9 Sep

Richters Richtung

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Der Filmemacher Pepe Danquart begleitete den Maler Daniel Richter über einen längeren Zeitraum und herausgekommen ist ein spannendes Porträt, zumindest für einen Kunst-Sozialisierten, wie ich es bin. Ja ich, der wahrscheinlich nicht den Mut, vielleicht auch nicht die Reife oder auch das Können hatte, mich ernsthaft der Frage auszusetzen, was ich von der Kunst will und was die Kunst von mir. „Kunstgeschichte machen“ meinten Studienkollegen auf dem Weg ins Atelier, ein Selbstverständnis, das unsereins nie hatte („Vielleicht war es einfach nicht dein Ding!“) – dafür aber umso mehr die Bewunderung und das Interesse, spannend wie ein Thriller dies, wie andere diese Herausforderung meisterten. Zu ihnen gehört gewiss auch Daniel Richter, und in der kurzweiligen knapp zweistündigen Dokumentation wird vieles davon aufgezeigt: was es heisst für einen zeitgenössischen Maler, sich der weissen Leinwand auszusetzen, wo ein einziger unbedacht ausgeführter Strich die Arbeit von Tagen zunichte macht. Dann gilt es zu übermalen, ausradieren, neu anfangen. Neben dem mythenhaften Sisyphos sitzen dem Maler oft zwei Papageien auf der Schulter wie der Schalk, scheint’s, schauen ihm beim Malen zu. Auch Daniels Freund Jonathan Meese kommt im Film zur Geltung und es würde mich wirklich mal interessieren (Wink mit dem Zaunpfahl), wie eine gestandene Psychoanalytikerin den inzestuösen Mutterkult des erfolgreichen Tausendsassas interpretierte. Die Kunst der Vaterlosen, Schizo-Wege? Zumindest scheint das Reich der Freiheit hier eine neue Nuance zu bekommen, denn nicht alles von Meese ist Käse. Zurück zu Richter: ich kann seine Formsuche gut nachvollziehen und finde seine Bilder, in denen Assoziationen zu Miro, Strawinsky, Punk und Political Art entstehen, höchst ästhetisch. Apropos Strawinsky: allein der Soundtrack dieses Films – was der Daniel so hört beim Malen – ist aller Ehren wert und ich möchte nicht wissen, was diese da Boxen kosten, die zwischen seinen Bildern stehen. Soviel wie das für knapp eine Million Pfund versteigerte fantastische, überdimensionale Bild „Tarifa“ gewiss nicht, das im oberen Bildrand Flüchtlinge im Boot in der spanischen Meerenge bei Gibraltar zeigt. Politik trifft hier auf Kunst – und die so oft auf Kapital. Richter weiss das, er ist links. Ja, was denn sonst!

 

2024 9 Sep

con fusion

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„two in one“

 
 

 

Aus der Oldies-but-goodies-Reihe:
MASH (USA, 1970) von Robert Altman

 

Gibt es eine funny side of war? Natürlich nicht und schon gar nicht in einem mobilen Hospital in Südkorea knapp hinter den feindlichen Linien, in dem ständig Helikopter neue Verwundete anliefern. Kein Ort zum Lachen, sondern eher zum Verrücktwerden, wobei sich die Protagonisten auch oft schon reichlich dergestalt benehmen bzw eher deplaciert verhalten – so als befänden sie sich im Lausbubenalter in einem Schullandheim, um dort die permanente Grenzüberschreitung zu proben. Trotzdem wurde der seinerzeit sehr erfolgreiche Film als witzig erlebt – aber darf denn gelacht werden angesichts der Situation des Koreakrieges und des während der Drehzeit weitertobenden Vietnamkrieges, da schleicht sich bereits Unbehagen in die Vorfreude, da hätten wir schon die erste Verwerfung?

Der Film traf einen kollektiven Nerv und eine offene Wunde, das ist sicher, wie kann das bewältigt werden? Er verlangt ein starkes Sich-Einlassen auf eine Form von Komik, die man nicht sofort versteht und wenn der Regisseur nicht Altman geheissen hätte, könnte man glauben, in eine aus den Fugen gelaufene Militärklamotte geraten zu sein. Der Regisseur, der mit den narrativen Konventionen des konservativen Hollywood brach und eine neue Erzähltechnik – ein mosaikartiges Zusammensetzen von Szenen sowie den mixed dialogue – einführte, schuf mit MASH und Nashville zwei seiner meistdiskutierten Werke. Rezensenten liessen sich aus über den galligen Humor, das damals schon antiquierte Frauenbild und die Bitterkeit der Situation die zu entsprechenden Verwahrlosungserscheinungen der Soldaten führte und zu Kollisionen und Parteienbildung zwischen denen, die noch an Ordnung und Sinn dieses Krieges glaubten versus der im Zentrum des Filmes stehenden Chaostruppe, die das Klinikgelände auch mal rasch zum Footballfeld oder Golfplatz umfunktioniert und denen alles andere am Hintern vorbeigeht.

Der gleich zu Anfang eingeblendete Song „Suicide Is Painless“ wurde als ein Motiv von Todessehnsucht interpretiert, das Verhalten der Hauptfiguren von vielen Rezensenten als zynisch, desillusioniert und als kriegsbedingte Verwahrlosung und Verbitterung. Trotz dieser Ansagen gab es im Kino wenig Schaudern, es wurde vielmehr herzhaft gewiehert und danach heftig diskutiert, manche Sprüche erreichten Kultstatus. Altmans lustvolles Unterlaufen von Genrekonventionen – dafür war er bekannt – wurde vom meist jungen Publikum, das immer Abwechslung schätzte und militanten Militarismus verurteilte durchaus goutiert, man spürte dass hinter Chirurgenmetzgerei und abgestandenen Machowitzen noch etwas anderes und noch viel Schaurigeres lauerte, das noch herauszudestillieren wäre. Und der linientreue weibliche Kommißkopf Margaret O‘ Houlihan zog reichlich Aggressionen auf sich, bekam dafür ihr Fett ab als verdiente Strafe – da kamen sogar Feministinnen der ersten Generation noch ins Grinsen und verziehen dem Regisseur sogar die legendäre Duschszene. Dergleichen konterrevolutionäre Schnepfen wollte man in der Bewegung natürlich auch nicht haben – der Feminismus hatte durchaus seine eigenen Hexen zum Verbrennen.

Der Film funktionierte gut in seiner Zeit – die Zeit der erstarkenden Antikriegs – und Friedensbewegungen; der kommerzielle Erfolg und die Bepreisung mit 5 Oscars führten zur Etablierung einer Fernsehserie gleichen Namens von 1972 bis 1983 – länger schaffte es nur noch Dallas. Die Anfangssequenz mit den Helikoptern und vor allem dem Song in seiner einschmeichelnden Simon&Garfunkel-Intonierung erlebte ich für mich als massgeblich für die gesamte Filmatmosphäre – eine Art Narkotisierung, die sich während des gesamten Filmes nicht mehr so recht auflösen wollte – ich hatte nicht den Eindruck einem Kriegsfilm – auch nicht einem Antikriegsfilm – beizuwohnen, daran änderten auch die blutigen Szenen im OP nichts. Man wird von vorneherein durch den Song anders eingestimmt – die Stimmung wird beruhigend und tröstlich, als sänge eine tiefe väterliche Stimme ein Schlummerlied, das für das Kind die Schrecknisse des Tages auflöst … alles wird schon nicht so schlimm werden, selbst der Tod ist painless und davor gibt’s noch reichlich Spass. Keine Sorge, Zuschauerkind, ich geleite Dich in einen schönen Traum!

Assoziativ stellt sich Das Leben ist schön von Roberto Benigni dazu ein, in dem ein Vater seinem Kind vormacht, das Leben im KZ sei nur ein grosses Spiel und alle machten mit und am Schluss gäb’s einen Preis obendrauf, ein nach wie vor umstrittener Film und verpönt bei jenen die glauben Kintopp müsste etwas mit Realität zu tun haben. Der Song wird später nochmal eingespielt beim assistierten Suizidversuch des passager impotenten Schmerzlosen Bohrers und hat eine ähnliche spannungslösende Wirkung – man ist sicher dass es gut ausgeht. Wir werden erfolgreich sediert, genau wie der Kerl im Sarg. Altman führt hier über den Soundtrack atmosphärisch ein beruhigendes väterliches Objekt ein und der Zuschauer kann selbst dessen Wirkung erfahren – vielleicht kam der Film auch deshalb bei der „vaterlosen“ Generation der Sechziger (und ihrer ins Unbewusste hinuntergedrucksten Vatersehnsucht) so gut an.

Eine Satire auf Militarismus? Nein, Militarismus findet hier kaum statt ausser im Kopf von Frau Major, die anderen Figuren scheinen dafür bereits viel zu verlottert und aus etwaigen Kriegshandlungen bereits ausgestiegen, ihre Wahrnehmung ist auf ihre chirurgische Tätigkeit und ihre Freizeitvergnügungen eingedampft – ein Kriegsfilm in dem Krieg nicht stattfindet. Höchstens painless …

Es ist wirklich eher ein Schullandheim oder Ferienlager für Halbwüchsige, das wir hier betreten dürfen, die sich mit grösseren oder kleineren Streichen an der Grenze des guten Geschmacks die Zeit vertreiben, saufen, kiffen und Frauen aufs Kreuz legen. So weit, so … tja … auf jeden Fall wird gelacht, und viele fanden die approbierten Freaks ziemlich cool, zumal sie auch moralisch integer interagieren und für Schwächere einstehen – was für feine Kerle sind doch unsere Jungs mit ihrem Understatementhumor, da schmunzelt Uncle Sam von einem Ohr zum anderen. Kein Schaudern befällt uns wie bei Platoon, bei  Apocalypse now oder  Full Metal Jacket – nein, ein Antikriegsfilm ist es nicht, zumindest nicht im herkömmlichem Sinn. Die Empörung über Kriegsaggressivität und Kriegsverwahrlosung bleibt aus, diese wird auch gar nicht gezeigt. Always look at the bright side … der Film ist nicht davon abzubringen.

Man beginnt die jokes der Chaostruppe zu geniessen wie weiland in einem Paukerfilm aus den 70ern mit dem ebenso narkotisierenden Säuselsoundtrack eines James Last in einem ähnlichen Zustand der milden Besoffenheit angesichts der unerhörten Leichtigkeit des Seins nach den Kriegsschrecken. Auch der Nachkriegsfilm mit seiner fröhlichen Musikberieselung war eine willkommene Droge und Aufruf zur Dauerfröhlichkeit. Feuerzangenbowle in Südkorea! Und als Krönung obendrauf noch das amerikanische Footballgekasper, episch breit zelebriert in seiner ganzen Lächerlichkeit und Regression in den Infantilismus, spätestens jetzt weiss man, was es mit dieser Nation auf sich hat. Ist noch irgendwo Krieg? Wurscht! Gehts naus und spielts Fussball! (Beckenbauer in den Jahren seiner Trainerzeit beim Versuch seine Jungs vom Nachdenken abzuhalten).

Ich sehe in diesem Film vorwiegend die Dokumentierung des Schwindens eines bewährten amerikanischen Mythos und die Etablierung eines neuen, den Altman hier gut erspürt und satirisch auf die Spitze treibt – das ist ein Verdienst des Filmes.

Seit etwa 1970 registrieren wir das Verschwinden des shining hero auf der Leinwand, Typen a la Gary Cooper, Richard Widmark und John Wayne und wie die Westernhelden unserer Jugend alle so hiessen. Um 12 Uhr mittags wurden sie anscheinend sang- und klanglos zu Grabe getragen oder haben sich im eigenen Glorienschein aufgelöst – die Absetzung der Institution des Vaters als idealisierter Familienpatriarch und Exekutivorgan in dieser Zeit erforderte auch neue Leinwandhelden. Der Alte funzt nicht mehr, wie die Youngsters heute sagen würden. Ü50er bitte googeln!

Nun imponiert der smarte all american boy, der sich keineswegs vom Teufel holen lässt sondern diesem noch einen geschüttelten Martini anbietet (natürlich lugt hier James Bond, der Meister des Understatements, auch noch verschmitzt um die Ecke) und dann mit einen launigen Spruch auf den Lippen über die Styx fährt um fortan den Hades zu rocken und noch selbst das Boot rudert, nachdem er Charon k.o. geschlagen und den Zerberus über Bord gekickt hat. Wir erleben hier das Ende der patriarchalisch verankerten Grandiosität und mythischen Wucht der Heldenfigur vornehmlich im Western, die nun durch Coolness ersetzt wird. Diese etablierte sich zunächst im Neo-Western, als Paul Newman und Robert Redford „Scheisseeeeee“ brüllend in den Abgrund sprangen (Butch Cassidy and the Sundance Kid, 1969) – was Gary Cooper niemals eingefallen wäre, der hätte sich vorher höchstens noch bekreuzigt und an sein Frauchen zuhause gedacht, gemäss des damals noch herrschenden Wertecodexes.

Das Publikum fand das erfrischend und dürstete offenbar nach den neuen Heroes, niemand wollte mehr John Wayne beim Sterben zuhören, wenn er tödlich getroffen im Präriestaub lag, sein Buddy sich zu ihm herunterbeugte und seine letzten Worte vernahm wie etwa „Lebwohl, alter Freund … und grüss mir … mein gottverdammtes herrliches Mexiko … röchel… und sag..japs … Juanita, dass ich sie liebe … röchel … letzter Schnaufer, Exitus. Oder ähnlicher Sayonara-Schwurbel. Schlussakkord, Sonnenuntergang, Abspann. Heute sagen die Helden im Todeskampf: „Wie ich es hasse, immer recht zu haben!“ oder „Der alte Sack da oben will mich anscheinend sprechen!“ Der Buddy drückt dem Sterbenden die Augen zu, wuchtet die Leiche auf die Schulter mit den Worten „Ich habe immer gewusst, dass Du verdammter Hurensohn mich eines Tages hängenlässt!“ Oder vielleicht noch: „Wenn ich Dich drüben wieder treffe, polier ich Dir als erstes die Fresse!“ – und erledigt dann die noch zu vollendende Aufgabe in amerikanischer Pioniermanier mit seiner Knarre im Alleingang.

Das ist die neue Buddyzärtlichkeit und diesen Typus hat Altman hier ebenso erfolgreich wie treffend karikiert – ein fugengenaues Nachzeichnen eines neuen Archetypus, dem wir in der jungen Generation bis heute begegnen – keine Rührseligkeit, nur feuchte Augen über der OP – Maske, als Hawkeye und Duke den Marschbefehl nach Hause bekommen. Der neue Held weint nicht, der haut nur dem Kumpel zum Abschied auf die Schulter, dass der quer über den OP-Tisch fliegt. Man trennt sich schwer von Kriegsschauplätzen, will es scheinen. Irgendwie war’s doch toll mit den anderen Kids, will es auch scheinen, irgendwie wie im College – so ganz gern möchte man eigentlich doch wieder nicht nach Hause ins langweilige Familienleben, wo es mit dem Kiffen und dem Fremdgehen dann auch wieder schwieriger wird, weil die Olle immer dabei ist. Inzwischen ist der Zuschauer schon so benebelt und infantilisiert, dass er ebenso Traurigkeit verspürt dass die Kumpels sich jetzt trennen müssen – voneinander und von ihrem gemeinsamen Bolzplatz. Hasta la vista, Baby!

 

 

Die USA resp. das Pentagon pflegte sich von jeher in Filmproduktionen einzumischen, insbesondere in Form von Subventionen für Filmproduktionen die politisch erwünscht waren und auf neue Kriegshandlungen einstimmen sollten bzw wurden auch solche in Auftrag gegeben und bewährte Regisseure dafür geködert und insbesondere Werbung für die Army gemacht. Das ist nicht neu – auch unter der Herrschaft der Nazis musste sich die UFA in Deutschland nach den Vorgaben der Regierung richten, nach Kriegsende dann nach denen der amerikanischen Militärregierung die streng zensierte. Als Beispielfilm sei hier nur Top Gun (1986, von Tony Scott) genannt, die Premiere von Tom Cruise, der das lässige Army-Heldentum nonchalant zelebrierte, der Start einer grossen Karriere und die Geburt eines Prototyps – des smarten Boys und heftig menschelnden Superheros war ab da installiert, man hörte es förmlich klicken beim Einrasten.

In einigen Städten gestattete das Pentagon das Aufstellen von Ständen und Werbeveranstaltungen für die Army vor den Kinos, die den ganzen Tag Top Gun herunternudelten und andere „Unsere-coolen-Jungs“- Machwerke. Die Narkotisierung des Heldenrausches scheint funktioniert zu haben, angeblich stiegen die Eintritte in die Army danach um 500 Prozent. Unnötig zu erwähnen dass von Top Gun zahlreiche Sequels und natürlich auch eine TV-Serien Stimmung machen und aufrechterhalten. Sogar Ridley Scott, der Bruder des Top-Gun-Machers, beteiligte sich daran mit  Gladiator, einem Film der in geschickt verpackten Botschaften den Imperialismus feiert – am Vorabend des Golfkriegs. Ein Zeichen dafür dass den ganz Grossen der Filmwelt auch nicht immer zu trauen ist. Und wieder besoff sich eine Nation an sich selbst und dem Gaudi-Potential von Kriegshandlungen. Wäre interessant zu wissen, was Leni Riefenstahl dazu gesagt hätte, die Meisterin im Manipulieren, aber die hatte es noch nicht mit der Coolness, die war noch Verfechterin des Bombastischen.

Diesen Effekt der Kriegspropaganda-Narkotisierung und des lässig-gefälligen Heldentums hat Altmann aufgegriffen und bitterböse auf die Spitze getrieben – man bekommt am Ende fast Lust den nächsten Lockheed-Starfighter in den fernen Osten zu besteigen, wo all diese lustigen Dinge zwischen patenten Jungs passieren, die auch in lebensbedrohlichen Situationen nicht einknicken. Zynischer ging’s selten in einem Film dieser Zeit – Altman zeigt uns hier keineswegs nur eine Militärklamotte, sondern in der Dissoziation, in die er uns mit dieser Dystopie gekonnt führt vor allem unsere eigene Verführbarkeit für neue Helden und wie man Krieg in einer Form darstellt dass möglichst viele mitmachen. Und das haut rein und lässt einen schaudern wenn man merkt, worüber man zu lachen fähig ist – bei mir hat’s jedenfalls geklappt. Wenn’s einer nur richtig einfädelt … und der eine, der Krieg anfängt und befeuert findet sich immer. Die Cheerleaders dazu finden sich dann auch schnell. Ein Film zur Selbsterfahrung über eigene Verführbarkeit; der Spiegel der Schneekönigin, der uns zuverlässig immer unsere hässliche Seite zeigt.

 

 
 

Perfect Days (Deutschland, Japan, 2023) von Wim Wenders

 

Vorausgeschickt sei: Ich kann Filme nicht leiden, die die oft gehörte Floskel  „das Leben feiern“ oder gar „das Geschenk des Lebens“ als Botschaft beinhalten. Ich halte die Schöpfung unseres dreidimensionalen Planeten mit allem was dazugehört für eine ziemlich missglückte Sache mit durchaus sadistischen Untertönen – angefangen von der Tatsache, dass hier im Grunde jeder nur überleben kann, wenn er ein anderes Leben tötet und frisst, auch wenn wir diese Vorgänge inzwischen deutlich verfeinert haben. Das hätte man besser konstruieren können.

Von daher schon mal ein schwieriger Ansatz, der durchaus ungemütliche Phantasien eines etwaigen Schöpfers und seiner Absichten evoziert, da helfen auch all die tollen Sonnenuntergänge und rauschenden Kornfelder nicht, die wir kompensatorisch geniessen und über die Schönheit und Güte der spendenden Natur philosophieren können, die aber leider auch die Pest, die Cholera und das Basalzellkarzinom erfunden hat. Und den weissen Hai und Wladimir Putin, allein deshalb wäre der Terminus von der gütigen Mutter Natur nochmal neu zu denken.

Wenn es einem kleineren Teil der Menschheit – so wie auch uns hier – relativ gut geht, dann ist dies besonderen und weitgehend unverdienten Privilegien geschuldet, die da heissen mögen: Kein Krieg, gemässigtes Klima, hinreichend Wohlstand, Bildung, Gesundheitsversorgung und die Zugehörigkeit zu einer Schicht, in der auch intellektuelle Genüsse zur Befriedigung beitragen können, so wie neulich bei Jo und Uli beim Gitarrespielen – kurz: Auf der richtigen Seite der Weltkugel geboren zu sein. Nicht nur auf der anderen Seite der Kugel, sondern auch unter uns leben genügend, die dieses Geschenk liebend gerne zurückgeben würden und es auch tun. Soviel zum Realitätsprinzip und für dergestalte Deklamationen wird man schwerlich jemanden tauber finden als mich.

Pauschal-Lobpreiser des Lebens – gar noch des „einfachen“ Lebens habens bei mir also schwer, zumal mir niemand bisher erklären konnte, was man darunter versteht ausser weniger kaufen, weniger futtern, weniger durch die Gegend düsen und weniger Müll produzieren – zunächst eine reduktionistische Sichtweise einer minimalistischen Daseinsform, die durchaus entspannen kann, wenn man nicht im Gegenzug dauernd irgendwas reparieren muss,, weil mans ja nicht neu kaufen soll. Und das Gemüse selber anbauen und auf die Strassenbahn warten – bei dergleichen bin ich sogar immer relativ unentspannt.

Trotzdem stand ich  Perfect Days nicht von vorneherein feindlich gegenüber, obwohl mir Wim Wenders immer etwas zu sperrig war – ich hoffte dass hier langsam bei mir eine gewisse Altersmilde greift. Und ein Film mit den Kinks und Lou Reed im Soundtrack kann schon mal per se so schlecht nicht sein, egal was der Alte sonst noch damit anstellt.

Martina Weber von den flowworkers hat bei ihrer Filmbesprechung auf den Aufsatz von Georg Seeßlen „Chaos der Bilder – Ordnung des Textes?“ hingewiesen, der darauf achtet, auch die unbewussten Unterströmungen eines Filmes als gewissermassen zweiten Film oder Film im Film zu lesen, bei handlungsarmen Filmen wie dem vorliegenden immer eine nützliche Empfehlung und wo Seeßlen draufsteht ist auch Seeßlen drin. Der zweite Film läuft im eigenen Inneren. Und der dritte im Inneren dessen der neben uns sitzt.

Zunächst: Langweilig ist der Streifen nicht, zu verdanken ist das aber auch dem sympathischen und oft etwas verschmitzt agierenden Hauptdarsteller, der einen mit seiner Ausstrahlung gut durch den Film zu tragen versteht. Das Ganze hätte mit einem Unsympathen auch elend schiefgehen können.

Ich liess mich auf freie Assoziation ein und landete mit den Gedanken zunächst bei … – Ausscheidungen. Immerhin ist der Protagonist damit beschäftigt Örtlichkeiten, die deren Entsorgung dienen, zu säubern, da mag der Einfall verzeihlich sein, irgendwas wird sich Wenders dabei gedacht haben, wenn er keinen Pizzaboten zur Hauptfigur wählt, sondern jemand mit einer Tätigkeit, die wir im karriereorientierten Westen mit „ganz unten angekommen“ verbinden und schon von daher wieder interessant finden, weil er so weit von unserem Leben entfernt ist. Auch der begleitende Soundtrack (als erstes House of the Rising Sun) handelt von Menschen, die die Gesellschaft ausgestossen hat und die keinen Weg zurück mehr finden, weil sie sich in irgendeiner Form „schmutzig“ gemacht haben, ein gnadenloser Akt. Ein Rückverweis darauf die Reaktion der Mutter, die ihrem Kind die Hände desinfiziert, als es von der Toilette kommt.

Generell zeigt der Film ein sauberes Tokio, ohne Menschenmassen, Smog und überbordendem Verkehr, dafür mit traumhaften Parks und geradezu künstlerisch gestalteten Bedürfnisanstalten; es lässt sich natürlich leicht in buddhistischer Kontemplation verweilen, wenn man nicht gerade mit Atemmaske im Stau steht.

Die Art, mit der Hirayama die Toiletten reinigt – mit Liebe zum Detail und Respekt vor den Usern – integriert das Ausgestossene zurück in die Gesellschaft als etwas zum Menschen Gehöriges. Ein achtsamer und würdevoller Umgang auch mit dem Allzumenschlichen, das rührt an. Wenn Immobilien eine Würde hätten, könnte man sagen, er hätte Bedürfnisanstalten und allem was damit verbunden ist ihre Würde zurückgegeben. Das ist neu für den Westeuropäer.

Ein Unbehagen blitzt auf bei den Einwegspiegel-Klos, in denen man auf dem Thron ungestört die Umgebung betrachten kann – ein Moment der Scham und Unsicherheit – sieht man nur oder wird man nicht auch gesehen? Und wenn … so what? Das Anale gehört auch zum Menschen ebenso wie das Urethrale. In den Ashrams bei Osho konnte man die Toiletten nicht abschliessen, auch eine neue Erfahrung, die durchaus mal nicht schadet. Der Film beginnt uns zu verändern.

Dabei fliesst er wie ein Fluss, eine buddhistische Anmutung, ein Leben des Annehmens und Genießens, in dem es keinerlei Kampf gibt. Das ist neu in der aufgeregten Filmwelt, da erinnere ich zuletzt Easy Rider – aber der nahm ein schlimmes Ende. Natürlich kann ein Mensch auch gut fliessen, wenn er nicht in Beziehungen lebt – Hirayama ist freundlich aber pflegt sich auch herauszuhalten, da ist es auch leicht Buddhist zu sein, wenn man den anderen nur streift und nicht berührt oder sich plötzlich so etwas wie Leidenschaft entwickelt – was macht er dann? Gleich wieder transzendieren?

Und doch spürt man heimlichen Neid auf dieses zufriedene Leben, auch wenn sich Zweifel einschleichen mögen.In jedem Fall unterläuft der Film unsere Sehgewohnheiten und Erwartungen dramatischer Konflikte und ihrer Lösungen bzw Untergangsszenarien und im Laufe der beiden Filmstunden stellt sich der Zuschauer um auf das vom Soundtrack angebotene  hanging-around on a sunny afternoon oder eines sitting on the dock of the bay oder feed animals in the park von Lou Reed.

No Drama, no mindfucking, wir sind nur auf einer gemeinsamen Wanderung. Man wird neugierig auf die Welt, in der er lebt, warum liest er Faulkner?

Ist er wirklich so bei sich angekommen wie es den Anschein hat? Er lebt eine Haltung der Achtsamkeit (ein heutzutage viel zu breitgetretener Begriff) und Achtung, zuzeiten blitzen Zeichen seines Gewordenseins auf, familiäre Konflikte, die aber überwunden scheinen, stören kurz den Fluss der Nicht-Ereignisse. Aber mittlerweile wollen wir es auch gar nicht so genau wissen, lieber zurück in den Flow, gemeinsam mit dem Protagonisten, lassen wir weiter das Subliminale auf uns wirken, ohne es gross ergründen zu wollen. Krimi-Zuschauer werden hier schlecht bedient. Jetzt ist jetzt und früher war früher und die Zukunft kommt später.

Erst am Ende nimmt Hiyamoto Kontakt zum Zuschauer auf – lächelt, kurz kommen Tränen, dann strahlt er wieder – Jetzt kennst Du mich! Zum erstenmal wirkt er näher bezogen, gleich wird er verschwunden sein – schade eigentlich, man hat ihn ins Herz geschlossen auf der gemeinsamen Reise. Eine stille Kommunikation in einem stillen Film mit vielen Möglichkeiten, der Selbstbegegnung in einem gemächlichen Dahinbewegen. Auch so kann das Tempo des Lebens aussehen, so wohltuend kann Ereignislosigkeit sein und so viele neue Räume öffnen sich, wenn nichts passiert, auf das wir uns gleich wieder stürzen, darüber grübeln und den Erregungspegel damit wieder hochjubeln.

Eine unser Nachbarinnen veranstaltet Lama-Wanderungen hier im Gelände – ein Ausflug bei dem freundliche Tiere das Tempo und die Pausen vorgeben und sonst nicht viel passiert – so wie es Hiyamoto mit uns macht. Ob ich nicht doch mal mitgehe?

 
 

2024 23 Aug

Schwelle und Rückstau

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„I can give it, but can you take it?“ war die Replik eines Gurus auf die Frage eines Schülers, ob man Erleuchtung übertragen könne. Wäre dies nicht eine Situation, wie sie auf vielerlei Wechselbeziehungen zuträfe? Die Regeln von Produktion und Rezeption. Es brauchte seine Zeit, bis ich wieder drin war im Ritual des Albumhörens nach ein paar Tagen Pause. Zunächst dachte ich, das Equipment sei kaputt – nein, etwas Geduld ist erforderlich. Auch wenn man ins kalte Wasser geht, benetzt man ja zunächst die Haut. Anlässlich einer Hifi-Recherche im vergangenen Winter meinte ein Fachhändler auf YouTube, beim Kauf von Boxen solle man sich vor Spontankäufen hüten, denn das Hörvermögen sei von der Tagesform abhängig. Aha – noch andere Faktoren sind also maßgeblich als nur die Dicke des Geldbeutels! Na klar, die Sinne spielen stets ihr eigenes Spiel. Daher vielleicht die Schwellenangst: kann ich das überhaupt verdauen, was mir dargeboten wird? Von der Schwelle nun zum Rückstau: Mir fiel oft auf, wenn ich die Gitarre zur Hand nehme, dass ich stets verdutzt bin von der Schönheit des Klanges und der Faszination, eigene Töne hervorzubringen zu können. Ich bin sofort im fragenden Dialog mit der Klangwelt, je einfacher, je besser. Ein E-Moll Akkord, bewusst gespielt, eröffnet einen Kosmos. Dann jedoch wird’s heikel: man will zuviel, schliesst den Rekorder an, dazu Effektgeräte, Spur wird auf Spur gelegt, man ist berauscht. Der Backlash aber: alles schon gehabt, mediokres Zeugs, baden in Klischees. Nee, dann lieber einen Mollakkord anschlagen, Schuster bleib bei deinen Leisten, das kurze Hier und Jetzt. Ein John McLaughlin wirst du eh nicht mehr. Und doch, die Klangwelt folgt mir wie ein Schatten. „Ich bin, weil ich Gitarre spiele“ – das sagte schon Descartes, wenn ich mich nicht irre. Oder war’s Karl May?

 


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