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2024 30 Mai

Vom guten Schlaf

von: Jochen Siemer Filed under: Blog | TB | 7 Comments

 

Mit dem Buch Das erschöpfte Gehirn fing mein Interesse für neuronale Vorgänge Feuer, fand ich neurowissenschaftliche Auslassungen zuvor doch immer seltsam nichtssagend, redundant und schwer greifbar. Kommt nämlich zu diesen schwer fassbaren Vorgängen auch eine affirmative Grundhaltung des Positiven Denkens hinzu, schaltet mein Interesse ganz schnell auf Stand-By: den Schlafmodus. Das Buch des renommierten Genforschers Michael Nehls hingegen liest sich spannend und wirkt nachhaltig, da es auch eine Menge Zeit- und Gesellschaftskritik enthält. Der Arzt beschreibt beispielsweise, wie wichtig ausreichend Schlaf sei zur Regeneration, Kreativität und Lernfähigkeit. Dass auch Bewegung, gesunde Ernährung und die Versorgung mit essentiellen Mikronährstoffen, die fälschlicherweise immer als „Nahrungsergänzungsmittel“ bezeichnet oder diffamiert werden, dazugehören, versteht sich von selbst. „Du musst dein Leben ändern“ – so betitelte der Philosoph Peter Sloterdijk ein Buch, in dem es um die Wichtigkeit von Übungen („Disziplin“) geht. So what? Inwieweit wirken Informationen und Wissen auf mein alltägliches Leben? Entstehen neue Handlungsmuster? Ein ganz wichtiger Aspekt ist hier der Unterschied zwischen dem automatischen Modus und dem Lernen neuer Handlungsweisen. Daniel Kahnemann bekam den Nobelpreis für seine Erkenntnisse über langsames und schnelles Denken. Handeln in tief verankerten Automatismen nennt man den Zombiemodus. Der ist durchaus gewünscht, denn nicht in jeder Kaffeetasse, die aus dem Schrank fällt, erblicken wir den Angriff eines Säbelzahntigers. Nach fünfzehn Jahren Abstinenz fahre ich nun wieder Auto und bin verblüfft, wie tief einst erlernte Handlungsmuster sitzen. Eine längst verloren geglaubte Welt taucht wieder auf. Partizipiert man hier nicht, fühlt man sich schnell als Aussenseiter im urbanen Raum einer automobilen Dominanz (und auf dem Lande wahrscheinlich ziemlich abgehängt). Als ich einst nach zehn Jahren Spielpause die Gitarre wieder zur Hand nahm, stellte ich fest, dass ich immer noch gut spielen kann. Höre ich ein Musikalbum nach mehreren Jahrzehnten, weiss ich sofort: das kennst du schon! Wo sind solche Erinnerungen abgespeichert? In tiefen archäologischen Schichten, in den Verschaltungen von Synapsen, so vermute ich. Jeder Mensch kann sich tatsächlich fragen: wie kommt das Neue in meine Welt? Wie lerne ich neue Handlungsmuster? Und zwar in realtime und nicht per gutgemeintem Vorsatz! Ohne Wagnis ist das nicht zu machen, da schlafen wir bald ein. Ist leider so. Kurz nach dem Abi war Georg Danzer mein favorisierter Songbarde, ich war sogar auf einem Live-Konzert in der Bremer Stadthalle. Im besten Wienerisch sang der: „Schloaf net ein und bleib wach!“ Kleine Korrektur nach fünf Jahrzehnten: Schlaf gut ein, dann bleibst du wach.

 

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7 Comments

  1. Ursula Mayr:

    Habe von diesem Buch gehört, es scheint sehr verdienstvoll zu sein. Dann hab ich ja einiges richtig gemacht mit meiner Vielschläferei – 10 Std., ab 50sten Lj Nachmittagsschläfchen und morgens nicht vor 10h loslegen. Man bescheinigte mir ein Leben lang und auch jetzt noch ein geradezu teuflisches Gedächtnis. Ich dachte immer, das wär bei allen so, aber jetzt bemerke ich doch mit Verwunderung, was die anderen alles Nicht mehr wissen.

  2. Jochen:

    Um Deinen guten Schlaf werden Dich viele beneiden. Dass Du ein gutes (Detail-)Gedächtnis hast, fiel mir schon auf, bei Deinen Filmbesprechungen. Ohne Gedächtnis ginge Schreiben (und vieles andere auch) ja gar nicht.

  3. Alex:

    Interessantes Thema. Meine früher sehr gute Fähigkeit mich an Dinge zu erinnern, hat in der Tat stark nachgelassen. Als Entschuldigung führe ich immer meinen seit ca. 10 Jahren doch sehr unzuverlässigen Schlaf an. Früher habe ich geschlafen wie ein Murmeltier, wobei ich immer noch gut einschlafe, aber meist spätestens nach 4-5 Stunden am frühen Morgen aufwache und oft nicht mehr einschlafen kann. Ich weiß nicht, ob das wirklich der Grund für die Gedächtnisschwäche ist, aber als Erklärung tröstet mich das mehr, als wenn ich einfach nur sagen würde, ich wäre auf dem Weg zur Altersdemenz, was ich jedoch ziemlich wahrscheinlich bin.

    A propos Bewegung. Dabei werden wohl auch Substanzen im Körper freigesetzt, die „heilen“ bzw. Schmerzen lindern etc. Man hat also seine eigene Apotheke mit dabei und greift auf die Mittelchen zurück, wenn man sie braucht. Dazu gab es neulich einen Artikel bzw. ein Interview mit einem bekannten Sportmediziner in der Zeit, wenn ich mich recht erinnere, den ich aber gerade nicht finde.

  4. Ursula Mayr:

    Kommt drauf an wie alt Du bist? Wahrscheinlich die übliche senile Bettflucht.

  5. Alex:

    60. Aber dauerhaft 4 Stunden pro Nacht zu schlafen ist bestimmt nicht gut fürs Gehirn, oder?

  6. Jochen S. aus H. (66):

    Definitiv nicht, Alex. Habe phasenweise das gleiche Problem: einschlafen gut, durchschlafen schlecht. Wir haben hier ja einen medizinischen Schlafexperten an Bord, vielleicht kann der weiterhelfen …

    Bewegung ist alles :)

  7. Ursula Mayr:

    Mal mit Einschlafkassetten probieren, geht auch bei Durchschlafproblemen. Sonst halt Chemie, erstmal von der softeren Sorte: Melatonin, Lasea, Johanniskraut.

    In schwereren Fällen dann ein Antidepressivum off Label.

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