Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

2024 10 Mai

Fundstück

von: Ursula Mayr Filed under: Blog | TB | 4 Comments

 
 

Frühling in Paris (Seize Printemps, F, 2020) von Suzanne Lindon

 

Ich war wieder mit dem Filmkunstdetektor unterwegs:

Der Titel verheisst nichts Gutes, klar, da erscheinen Bilder von beschwingten Skizzen auf Taschenbuchcovers der Sechzigerjahre mit tanzenden Pferdeschwanzmädchen in weiten Röckchen und einem flotten Kavalier nahebei und der Sonne und dem Eiffelturm dahinter, damals musste halt alles schwingen und swingen oder zumindest Schwung ausdrücken und auf Teufel-komm-raus und Krieg-bleib-drin Leichtigkeit verbreiten. Aber man muss es verstehen, Klappentexte zu lesen, sonst entgeht einem so einiges; hier ein kleiner feiner stiller Film über eine erste Liebe, den viele sicher langweilig finden mögen. So manchem geht aber das Herz auf …

Ein junges, auf unübliche Weise hübsches und durch ihre Gutartigkeit und Verträumtheit verzauberndes Mädchen verliebt sich in einen wesentlich älteren Schauspieler und Tänzer. Sie lassen sich Zeit, nähern sich langsam, tanzen immer wieder zusammen, es darf sich etwas in Ruhe entwickeln, kein überstürztes gieriges Übereinanderherfallen bereits vor der Haustür. Die Beziehung zu den Eltern liebevoll, verständnisvoll auch gegenüber dem leicht verpeilten Vater, anrührend ein enger Tanz mit ihrer Mutter wie ein Abschied von der Kindheit, bevor sie das erste Mal mit einem Mann tanzt. Und später weint sie sich bei der Mutter aus, weil sie denkt, der Mann wäre zu alt für sie und das Leben, das sie sich jetzt wünscht und das ihr gemäss ist – und sie nimmt sich die Freiheit diesem Gefühl zu folgen und die Beziehung zu beenden und darüber zu trauern, die Mutter neben sich, die einfach nur da ist. Erste Liebe unter Menschen die sich noch einfühlen können und wollen und Eltern die wohltuend begleiten können.

Deutsche Filmproduktionen zum Thema Jugend und Familie dagegen: Problemkinder, Trinken, Kiffen, Eyalderglaubblossnichdukannsmichfickeneyischweisswodeinhauswohnt … , hochreizbare, mit den Eltern herumkeifende oder dauermaulende Teenager und Ich-hasse-Euch-Geschrei, Eltern die verzweifelt an verschlossene Kinderzimmertüren hämmern und den verbissen schweigenden oder dagegenschreienden Nachwuchs um Verzeihung dafür anflehen, dass sie eigene Interessen verfolgen wollen oder einfach nur ihre Erziehungsaufgaben erfüllen. Erwachsen werden und Mensch bleiben – geht das?

Fehlanzeige?

Derartig stille Filme kenne ich eher aus anderen Ländern, Konflikte ja – aber nicht diese trommelfellmarternden teutonischen Streitereien als stürmten die Germanen aufs neue den Teutoburger Wald.

Die Gewalt auf den Strassen und im Netz nimmt zu, gerade bei Jugendlichen und nun auch bei Kindern – was ist mit unserem Land los? Sind wir aggressiver als andere? In der Filmlandschaft scheint mir das fast so … sich permanent schuldig fühlende Eltern … ein Erbe? Oder nur das Fahren deutscher Filmemacher auf ausgelatschten Spuren und ihre Einfallslosigkeit und ihren Schwierigkeiten so etwas wie Ruhe oder gar Schönheit im Film darzustellen ohne dass es dröge wird? Verliebtsein in den eigenen Entwurf der längst ein Klischee ist?

Besonderheit: Das sechzehnjährige Mädchen im Film ist die zu Drehbeginn zwanzigjährige Suzanne Lindon, die Regie führte und auch das Drehbuch – bereits als Fünfzehnjährige – geschrieben hat.

Hoffentlich bald mehr davon …

 

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4 Comments

  1. Anonymous:

    Ein schönes Fundstück! Streambar?

  2. Ursula Mayr:

    Amazon Prime.

    Viel Spass!

  3. Pharao:

    Der französische Film, so scheint mir, ist stärker beziehungs- und weniger effektorientiert als der deutsche oder amerikanische. Längere Einstellungen, Totale, Mimik,Stimmungen einfangen, Verzicht auf action, man könnte sagen kontemplativer, das könnte auch noch das Erbe der nouvelle vague sein. Ein starker Kontrast zu dem was sonst so läuft!

  4. Ursula Mayr:

    Ich bin inzwischen so pervertiert, dass ich mich da manchmal langweile – diese langen Totalen auf Gesichtern, bei denen ich raten soll, was jetzt grad los ist … das hat schon manchnal was von Preisrätsel …


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