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2024 26 Mrz

Der Mittelweg

von: Jochen Siemer Filed under: Blog | TB | 4 Comments

 

 

In den letzten Tagen und Wochen war ich immer wieder damit beschäftigt, an meinen Fahrrädern herumzubasteln. Teils waren es notwendige Reparaturen, teils waren es Verschönerungsarbeiten. Kleine Rückblende: wir erinnern uns an jenen Disput zweier Motorradfahrer in Robert M. Pirsigs Zen und die Kunst ein Motorrad zu warten. Beim Autor des Buches hatte sich der Lenker gelockert – in the middle of a road trip. Was tun in der Pampa? Er schnitt einen Alustreifen aus einer leeren Coladose, unterfütterte damit die Halterung und der Schaden war behoben. Nicht so für seinen Harley fahrenden Freund: der würde nur Originalteile an seiner Kultmachine dulden und zur Not meilenweit zur nächsten Werkstatt schieben. Hier zeigte sich jene Dichotomie zwischen romantischer (hip) und klassischer (square) Weltanschauung: während die einen den Fokus auf Ästhetik legen, geht es den anderen um Funktionalität. If it works it’s good enough. Zurück zur Fahrrad-Wartung: bei mir geht beides, ich achte allerdings darauf, mich nicht zu sehr in optische Idealismen zu versteigen, denn das ist erstens kostspielig und kann zweitens zu lästigen Optimierungszwängen führen. Deshalb, so platt es klingt, ist auch hier der Mittelweg der beste.

 

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4 Comments

  1. Ursula Mayr:

    Zen oder die Kunst ein Fahrrad zu warten … oder so …

  2. Alex:

    Die Idee mit dem Mittelweg ist gut, ich bin auch ein großer Freund davon, mich in der Mitte durchzuschlagen, nicht auf extremen Pfaden zu wandeln. Aber in dem Pirsigbeispiel frage ich mich, wie das gehen soll. Entweder man wählt die pragmatische Lösung, die auf den ersten Blick nicht so ästhetisch ist, Beispiel „Panzerband“, um etwas zusammenzukleben und fährt sofort weiter. Oder man lässt es und nimmt die Strapaze, das Motorrad bis zur nächsten Werkstatt zu schieben, auf sich. Wie soll da der Mittelweg aussehen? Wie sieht bei Deinen Radreparaturen der Mittelweg aus? Du reparierst nicht perfekt mit Originalteilen, sondern improvisierst etwas, aber man sieht es nicht sofort?

  3. Jochen:

    Genau das ist gerade passiert, Alex. Es gab kein Originalteil mehr für meinen defekten Kettenschutz. Also besorgte ich ein artfremdes Teil und machte es passend, indem ich das Kettenblatt in einen Schraubstock spannte, mit selbst schneidenden Schrauben ein Gewinde herstellte, diese dann auf Länge sägte, entgratete und so die Teile passgenau verbinden konnte. Es ging ja auch bei Pirsig um die Lösung eines Widerspruchs, der oft auch in unserem Alltag mit Kompromissbildung einhergeht. Wie sagte schon Paul Watzlawik (und auch Krishnamurti): „Lösungen!“

    Die romantische Weltanschaung hat ja auch etwas mit Andacht zu tun: man stellt etwas auf den Altar der Bewunderung, wird dann zum Kaninchen vor der Schlange. Da ist’s dann zur Verblödung nicht mehr weit. Die klassische Weltanschaung ist die operative Funktionalität, der permanente Prozess des Ausprobierens. Trial and Error – nix Idealisierung. Habe ich etwas gelöst, bin ich schon beim nächsten. So entgeht man auch der Fetischbildung. Es gab mal die Gewohnheit, auf die Haube einer Ente (Citroen 2 CV) einen Mercedesstern zu setzen. Künstler machen aus allem, was sie finden, etwas anderes, sehen alles als Material der Metamorphose. Von Naomi Klein gab’s den Bestseller No Logo.

    Quintessenz: etwas gleichzeitig als gegeben und veränderbar ansehen. Menschen, die in den Prozess der Fertigung involviert sind, sehen Dinge anders, als wenn sie nur konsumieren (oder bewundern).

  4. Alex:

    Danke für die ausführliche Antwort und das Foto, Jochen! So kann ich es nachvollziehen. Der Mittelweg als handwerkliche Annäherung an das Original. Beeindruckend!

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