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Der englische Maler William Turner wird darstellerisch der Epoche der Romantik zugerechnet, eine Kunstströmung, die sich gegen das Zeitalter der Aufklärung und dessen sich formenden naturwissenschaftlichen Dogmen und ihren Pragmatismus stellte, der auch in der Malerei seinen Niederschlag fand. Dort herrschte nun der Realismus, das Darstellen von Dingen wie sie waren. Die Porträtmalerei reüssierte, fast bis zu einer fotografischen Detailtreue. Für Turner scheinen die Dinge keine Rolle zu spielen beziehungsweise in nur einer Hinsicht. Ihn interessiert ihr Verschwinden, ihre Auflösung – oder auch nur ihre Veränderung unter dem Einfluss der gestaltenden Kräfte Licht, Nebel und Perspektive, die sie modifizieren, umformen, zurücktreten oder ganz verschwinden lassen. Turner malt, was davon zurückbleibt und schafft dadurch eine neue Welt, in denen die Kräfte, die das Sichtbare gestalten, ihrerseits deutlicher sichtbar werden. Wie Monet schienen ihn weniger die Dinge und ihre Realität zu interessieren, sondern das, was das Licht daraus zu machen versteht. Vielleicht ein Hinweis an die Aufklärer, die sich dem Greif- und Berechenbaren verschrieben haben, auf eine transzendente, energetische oder spirituelle Sphäre, die die dreidimensionale Welt mitgestaltet, bis wir sie nicht wiedererkennen. Ich nenne es: Der Farbe ihre Freiheit zur Entfaltung lassen: das Gegenständliche hinterlässt nur noch eine Spur.

 
 
 

 

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6 Comments

  1. Jochen:

    Es gibt auch einen ganz netten Film zu William Turner …

  2. Jörg R.:

    Der ist gut!

  3. Christoph:

    „Vielleicht ein Hinweis an die Aufklärer, die sich dem Greif- und Berechenbaren verschrieben haben, auf eine transzendente, energetische oder spirituelle Sphäre, die die dreidimensionale Welt mitgestaltet, bis wir sie nicht wiedererkennen. Ich nenne es: Der Farbe ihre Freiheit zur Entfaltung lassen: das Gegenständliche hinterlässt nur noch eine Spur.“

    Diese Dichotomie (ist es eine?) stört mich etwas: Als forschender Psychologe sehe ich es als meine Aufgabe, das Mentale/Kognitive gerade durch das Messen zu begreifen: Also nicht nur die physikalischen Eigenschaften zu bestimmen, sondern das Ergebnis, wie diese physikalischen Eigenschaften mit der Kognition/Gehirn interagieren, zu messen. Dabei ist es immer interessant zu sehen, wann/wie das Gegenständliche und wann/wie das Kognitive welche Spur hinterlässt.

    Viele Grüße
    Christoph aus Frankfurt

  4. Uli Koch:

    Da bleibt nur noch der Blick auf das Phänomenologische, das Erlebte, das man auch als Qualia bezeichnet: Als ich vor Jahren durch die Tate-Gallery in London ging, packte mich ein Bild von Turner ganz unvorhergesehen, kleinformatig und in einer Ecke aufgehängt, und traf mich wie ein Schlag: ich musste stehen bleiben und es aufnehmen, langsam und intensiv. Es füllte mich mit seinem fremdweltlichen Leuchten und was ich in diesen zeitlosen Minuten erlebte klang in mir noch Monate später in unverminderter Intensität nach. Eine der wunderbarsten und wundersamsten Erfahrungen, die ich in einer Ausstellung mit einem Bild machte.

    Klar, könnte man die Auswirkungen dieser intensiven Erfahrung in meinem Gehirn messen, aber das Ergebnis wäre wie der Schatten eines Schattens, der vielleicht noch nicht einmal uninteressant sein könnte, aber nichts mehr von der Aura des Erlebten abzubilden vermag.

  5. Alex:

    Und welches Bild von Turner war das, wenn man fragen darf?

  6. Ursula Mayr:

    Hallo lieber Kollege Christoph,

    ich bin ganz Deiner Meinung – die Aufklärung war das Beste, was unserer Welt passieren konnte, sonst würden wir uns heute noch alle auf den Scheiterhäufen verbrennen. Und auch in der aufgeklärten Zeit existiert noch viel zuviel Schwurbel und Irrationales im unguten Sinne. Und nein – es muss keine Dichotomie sein – das Irrationale – zum Guten verwendet – ist eine Bereicherung, wie es Uli oben beschrieben hat.


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