Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

 

Ich lese in den Sommerferien gerne lange Bücher. Es darf dabei ruhig etwas anspruchsvoller sein, ich mag das auch um die Ausdauer zu trainieren. Lesen transportiert mich nicht nur in andere Welten, im Idealfall finde ich dort auch noch zweite, dritte, … Heimaten.

In diesem Sommer bin ich dabei, eine sehr harte Nuss zu knacken. Obwohl mir Volter Kilpis Im Saal von Alastalo (1933 veröffentlicht) gut gefällt, habe ich mehrmals ans Aufhören gedacht. Auf tausend Seiten wird eine Handlung erzählt, die sich über sechs Stunden in einem Raum erstreckt. Eine Figur braucht zum Beispiel dreißig Seiten, um sich die richtige Pfeife aus dem Regal zu suchen. Die Handlung ist der Ausgestaltung der Charaktere untergeordnet. Mir gefällt das durchaus, die Personen werden mir sehr vertraut und ich erlebe viel über Verhandlungen und Gruppendynamik, aber es ist sehr reduziert und natürlich langatmig.

Dann ist da noch die Sprache. Lange, verschachtelte Sätze und zahlreiche Wortschöpfungen, die dem Übersetzer sicher besonders Freude gemacht haben. Um meine Lesemotivation zu erhalten, habe ich mal 200 Seiten lang ein paar Begriffe aufgeschrieben, wie zum Beispiel Gedankenei, Anfallslachen, Hustenkeuchen, Heilhäutigkeit, Gemütsglieder, Blickverschiebung, Mundbenutzung, Kehlenbegießung, Freudenfärbung, Glattglanz, Menschenwiesel, Blickfutter, augensündig, Herzbündel, Schwarmstärke, Schönwettergold, Sternenvieh, Funkenhaar, Schimmerwangen, Augenblau, Glücksschwellung, Sonntagsdröhnen, Gedankenbohnen, Gedankentagwerk, Gehirnwinkel, Halsklarinette, Gedankenschwall, Augenspitzen, Wortwelpe, Rückenbewusstsein, Blitzschleuder, Fingerspitzen des Herzens, Gläservolk, Gedankenkikeriki, Gedankenwirbel, Gesichtstafel, Wörterschnauben, Missgunsthaut, Verstandesfaser, Gemütsrinde, Lippenlaunen, Geistesfedern, Verstandeshatz, Lachverständnis, Herzenswinkel, Sprechgefilde, Herzenskäfig, Anerkennungsbutter, Reizgeschmack, Gemütsblaubeeren. …

Ich bin jedenfalls auf Seite 766 angekommen, die nächsten 300 schaffe ich auch noch. Dann habe ich leider nur ein Buch in diesen Sommerferien gelesen – aber die anderen werden ja auch nicht schlecht.

 

This entry was posted on Dienstag, 8. August 2023 and is filed under "Blog". You can follow any responses to this entry with RSS 2.0. Both comments and pings are currently closed.

10 Comments

  1. Jochen:

    Hat auch was von Zen-Meditation.

    Wobei sich die Frage stellt, ob es nicht spannender wäre, sich betrachtend vor eine weisse Tapete zu setzen als solche Bücher zu lesen, haha. Aber die zahlreichen Wortschöpfungen eines Peter Sloterdijk hier mal aufzulisten, des tät mi scho reizen.

  2. Olaf Westfeld:

    Viele Wege … am besten einfach erst vor der weißen Tapete sitzen und dann lesen (oder umgekehrt).

  3. Jochen:

    Bin ja auch ein bisschen neidisch – mir selbst fehlt die KonZENtration.

  4. Olaf Westfeld:

    Na ja, es ist auch Training – bei diesem Buch etwas härter und schwieriger und die Bereitschaft, mich ablenken zu lassen ist sehr viel höher. Bei anderen Wälzern steht dann doch die Leselust deutlich mehr im Vordergrund.

  5. Jochen:

    Die Hauptsache ist, dass das, was man gerade liest, genau das ist, was man gerade lesen will.

    – Lao Tse Siemer

  6. Olaf Westfeld:

    Erlebe die Anstrengung und Du wirst Erleuchtung erlangen.

    Olafuzius

  7. Lajla:

    Wer in Deutschland nicht meditieren will oder kann, auch Yoga unwillig ist, der sollte nach Finnland fahren. Da findet man zurück zu solcher Lektüre. Auch Norwegen eignet sich für dicke Bücher. Dort habe ich mal vier Wochen in einsamer Hütte verbracht mit der „Niemandsbucht“ von Peter Handke.

  8. Jochen:

    Die Landschaft spielt sicherlich eine Rolle, Lajla. Ein Tag am Meer und du bist wer. Ich denke mal, eine grundlegende innere Unruhe ist hinderlich für das Lesen von Handke.

    Ich habe diese Zeit so genossen, wenn ich vormittags auf dem Fussboden liegend vier Stunden am Stück Philosophie lesen konnte – mein Verstand sich da regelrecht hineingebohrt hat, ohne verstehen zu wollen. Je abstruser die Thematik, umso grösser das Samadhi.

  9. Olaf Westfeld:

    Der Kontext fehlte natürlich: ich bin ja immer auf einer einsamen Hütte und habe dort die Ruhe für dicke Bücher. Und ja: wunderbar sich stundenlang in ein Buch zu vertiefen – das geht aber auch bei mir nicht mehr so gut wie back in the days.

  10. Alexander Fritz:

    Es wäre vielleicht generell nicht schlecht für die Menschheit, wenn sich alle mal für eine Weile – ein Monat oder mehr – zu sich nach Hause zurückziehen würden, um ein gutes Buch zu lesen. Wobei eigentlich hatten wir so was Ähnliches ja vor kurzem mit Corona, aber es ist gefühlt schon wieder Ewigkeiten her…


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