… und bei Zeitzeugen gehen die Meinungen auseinander, ob ich 15 oder 16 war. Wie ich Uta kennenlernte, weiss ich heute nicht mehr, aber es war ein klarer Fall von spezieller Faszination ohne grosses Verliebtsein. Ein Vollblutweib, wie später die hochspannende Komillitonin in Rausches Statistikkurs – zur Begrüssung fasste Uta Jungs gerne an den Sack. Aber das bekam ich erst viel später mit. Als alles passiert war, oder schon vorher, besuchten wir Lothar, der als hoffnungsloser Junkie galt, aber, politisch noch hellwach, mir eine kleine Lektion in Grosskartellen erteilte. In Lothars Plattensammlung erinnere ich ein Album, „Fragile“ von Yes. In seiner Räucherkammerstube hörte ich es gerne, aber sonst blieben mir Yes eher fremd. Bis ich sie vor Jahren neu hören lernte.
Nichts ging darüber, mit Marrokko The Monkess im Fernsehen zu sehen und dabei Luftgitarre zu spielen. Daydream Believer. Und er hatte auf alten Tonbändern den frühen elektrischen Miles – unseren Ohren war es ein Fest, Miles‘ Wah-Wah-Schreien zu lauschen, and a hundred other tiny things. Wir verstanden diese Musik, ohne sie verstehen. In meiner elektrischen Höhle läuft gerade „Bitches Brew“, die japanische Sa-cd in fantastischem Quad-Sound. All die alten Helden sind so jung, dass es weh tut!
Musikalisch war ich ein frühreifes Greenhorn, meine Erfahrungen in Sachen „real sex“ hinkten da deutlich hinterher. Diverse romantische Verliebtheiten hatte ich hinter mir, Frau Funke in der Berliner Strasse in Dortmund-Körne, ich war 5, die Chefin einer Pension auf Langeoog, ich war 7 und liess meinen ersten Drachen steigen, Margarete Scheibenhut und Jutta Kortmann der Gebrüder Grimm-Volksschule (die hiessen wirklich so), alles herrlich romantisch und folgenlos. Na, nie zu vergessen, die Euphorie mit Petra Welz, ein klarer Fall von erstem Blick incl. Kusstaumel zu Iron Butterflys längstem Song: in den grossen Ferien, so lapidar, ihre Abschiedszeilen aus Besancon.
Eh ich mich versah, war die Hälfte der Teenagerjahre rum, Miles rannte den Voooo rauf und runter, und hätte ich eine Jukebox gehabt, wären keine Song öfter gelaufen als Sunny Afternoon und Just My Imagination (Running Away With Me) – ich hatte einige meiner erfüllendsten Höhepunkte, wenn ich mit Stéphane Audran schlief, oder Emma Peel, die mir die dunklen Seiten der Erotik nahebrachten, und sich als perfekt dominante und einfühlsame Urtypen entpuppten – nach den jahrelangen Serienträumen mit meiner indianischen „Farbenfrau“, die mich wundersam und nackt umgarnte und streichelte am Rande eines Swimmingpools, in einer Villa der Reichen (ich war 5, ich war 6) – reality seemed to be a lesson faraway.
Dann endlich, aufgrund ihrer Rubensfigur und ihrer wallenden blonden Haare von mir nicht wirklich erkannt, betrat die Lady namens Uta B die Bühne, zwei Jahre älter als ich, und drei Welten realsexuell erfahrener, und mein Blatt wendete sich an einem nasskalten Wintertag voller Regen, kaum waren die Siebziger Jahre eingeläutet. Ich stand unten an der Haustür, ganz in der Nähe des Stadttheaters, und schellte. Und, oh mein Gott, jedem Anfang wohnt ein Zauber inne.
(Fortsetzung folgt, und zu deiner Überraschung, geneigter Leser, sei gesagt, dass es zwei Fortsetzungen geben wird. Es hilft auch, im Vorfeld, die berühmte erste Schallplatte der Gruppe „It‘s A Beautiful Day“ zu hören, die auch genauso hiess)