Manafonistas

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2022 22 Okt

Sorrows Away

von: Michael Engelbrecht Filed under: Blog | TB | 3 Comments

 

 

In dem Jahr, als Julie Tippetts’ lang verschollenes Meisterwerk „Sunset Glow“ erschien (siehe „From The Archives“), 1975, schrieb der amerikanische Komponist Gordon Bok einen Song, The Bay Of Fundy, über die wilden Gezeiten  und tiefen Nebel einer geschichts- und geschichtenträchtigen Bucht. In der ausführlichen Besprechung von „Sorrows Away“ beschreibt der kundige Rezensent von „folk radio“, wie die Musiker „nach dem Refrain in einen Ambient-Breakdown stranden, bei dem die Bläsermelodie von einem minimalistischen Synthesizer, schimmernden Streichern und einem eingängigen Schlagzeug-Fill unterstützt wird“. Das Wort „Ambient-Breakdown“ hatte ich auch noch nicht gelesen. There is no replacement for listening.

 

Sie sind wieder da, die Liedergutsammlerinnen aus Northumberland. Die Geschwister Unthank wuchsen in einem Teil Schottlands auf, der stark mit der alten Folklore verbunden ist; die Zwei studierten lokale Liederbücher, historisches Liedgut – von klein auf etwa die Songs von  Graeme Miles, meist vorgetragen von der Wilson Family. Da schlug die  Zeit langsamer, aber nicht weniger gnadenlos. Eine urwüchsige Natur war des öfteren Schauplatz für Liebesgeschichten, die, wenns schlecht lief, auch in Mordgeschichten umkippen konnten.


Ganz zu Anfang nannten sie sich  „Rachel Unthank and the Winterset“, und mit „The Bairns“ nahmen sie gleich mal einen instant classic auf. Ob sie Traditionelles interpretieren, oder bei Robert Wyatt oder Emily Dickinson  fündig werden: immer bewegen sie sich durch eine eigene Sphäre: Folk in allerlei Gewändern, betörende Harmoniegesänge sowieso, auch Post-Rock und der Neoromantiker Vaughn Williams haben mal Spuren hinterlassen. „Sorrows Away“ zeichnet Vogelflüge und weite Küstenzonen nach, altes Grauen, grosse Freuden, zerschlissene und gelebte Träume. Und der Multiinstrumentalist und Arrangeur Adrian McNally verfeinert einmal mehr seine Kunst, zwischen dem Minimalen und Orchestralen zu changieren, ohne auch nur ein einziges Mal dick aufzutragen oder bewährte Muster griffig zu recyceln. Zeitgenössische Musik, die auch ohne Meerschaumpfeifen und Wollpullover im anstehenden Dunkelwinter verlässliche Begleitung sein könnte. Und hier noch ein Wort, das ich sehr oft gelesen habe in Musikkritiken, und das manchmal sogar stimmt: atemraubend! Find out for yourself.

 

This entry was posted on Samstag, 22. Oktober 2022 and is filed under "Blog". You can follow any responses to this entry with RSS 2.0. Both comments and pings are currently closed.

3 Comments

  1. Norbert Ennen:

    Gestern gehört. Magical.

  2. Anonymous:

    Im Doppelpack mit der gerade erschienenen Vinylversion von David Sylvians-Blemish. Beides Herbstmusik.

  3. Lajla:

    Wie abhängig ist Musikakzeptanz von dem Ort, wo wir sie hören? Diese Folkmusik kann ich mir hier nicht anhören, hier so nah an Afrika, wo die Töne wild, bunt und laut sind. Salsagroove.


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