Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

2022 19 Okt

Nicht Einsam Genug

von: Olaf Westfeld Filed under: Blog | TB | Tags: , | 4 Comments

 

(Verstreutes und Zusammengefegtes zu FOREVERANDEVERNOMORE, nach ein paar Hördurchgängen.)

 

A stunning new song-based vocal album, erstaunlich, wie genau der Werbeaufkleber auf dem neuen Eno Album ist. FOREVERANDEVERNOMORE verzichtet weitgehend auf Songs, ebenso wie ich eine Stimme, aber meistens keinen Gesang höre. Rezitation, etwas in einer Art Sprechgesang singen oder vortragen, psalmodieren. Die Wurzeln dieser Soundscapes entstammen der Welt des Pop Songs, gleichzeitig klingen Enos Arbeiten der letzten 5 Jahrzehnte mit; es ist immer wieder erstaunlich, welche Vielfalt aus einem faserigen, holzigen Stück Materie entstehen kann. 

Die Welt wird so wie wir sie kennen nicht fortbestehen. Homo Sapiens hat die zahlreichen anderen Menschenarten verdrängt, ist für das Aussterben unzähliger anderer Lebewesen verantwortlich und auf dem besten Weg, sich selbst die Lebensgrundlagen auf diesem Planeten zu entziehen. Was soll nun werden hier auf Erden/Lebensraum von Mensch und Tier/Wenn die Leute sich gebärden/Als wären sie alleine hier/Sie führen Krieg gegen die Schöpfung/Und werden nicht aus Schaden klug/Senden Botschaften ins All/Und sind doch nicht einsam genug heißt es in einem talking blues von Jochen Distelmeyer. Von solch direkten Botschaften ist Brian Eno hier weit entfernt, der Grundton ist ähnlich, these billion years will end. Der Ausweg – falls es ihn gibt: ein Verzaubern der Welt, ein Wahrnehmen der Schönheit – nicht um uns herum, äußerlich, sondern Bestandteil von uns, all this is made of me. FOREVERANDEVERNOMORE macht die Schönheit und die Trauer um ihr Verschwinden hörbar – Ascheregen, Tagpfauenaugen, ausgetrocknete Flüsse, Glühwürmchen (the stars of starless nights), überschwemmte Städte, Wälder, Bäume auf ausgestorbenen Parkhäusern. All this is made of me. 

Zerbrechliche und invasive Klanglandschaften, immer wieder regnen Klangpartikel hinab, Flächen öffnen sich und schließen den Zuhörenden ein, bis dann wieder scharfe Splitter die Umhüllung aufreißen, neue Räume öffnen. Alles klingt genau so fein nuanciert und austariert wie man es von Brian Eno erwarten darf. Die Stimme ist ein Klang unter vielen: ein heidnischer Priester raunt zerbrechlich & sorgend, aber auch teilnahmslos, Botschaften aus der Zukunft. Ein Klagelied auf die Vernichtung unseres Planeten, aus jedem Ton spricht eine Hoffnung/Transformation aus jedem Klang/aus jedem Ton, spricht eine Hoffnung/auf einen Neuanfang (Tocotronic).

Das ganze Album ist ein Wunder, atemberaubend; There Were Bells läßt die Zeit still stehen.

 

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4 Comments

  1. Anonymous:

    These small noises
    All we died for
    These small faces
    All we saw
    Take us
    Take us
    We are over
    Make us
    Make us
    Into land
    Land of soil
    We owe our fathers
    Olive tree line
    Now no more
    Go to Earth
    Our hair on fire
    Go to hell
    In hell to burn

    Erstaunlich, dass dieser visionäre Song (mit der phantastischen Clodagh Simonds) von 2005 (!) stammt. https://www.youtube.com/watch?v=RhSerHE93XA. Wird auf meiner Beerdigung gespielt.

  2. Michael Engelbrecht:

    Wer bist du denn, Anonymous.

    Ein Song mit der Zeile GO TO HELL, das ist schon schwarzer Humor. Ich würde SPINNING AWAY vorziehen😉

    @ Olaf, impressive thoughts, da möchte ich fast einen zweiten Teil lesen. Pagean priest, das hat was😉

  3. Olaf Westfeld:

    War mir nicht klar, dass das Material schon so weit zurückreicht – aber vielleicht hat Eno noch ein paar Festplatten Musik im Studio stehen, die dann irgendwann veröffentlicht werden, als Bootleg Series oder so. Danke für den Hinweis.

    Das Album hat mich spontan sehr berührt, gepackt, verzaubert – da hatte ich nicht mit gerechnet.

  4. Michael Engelbrecht:

    BBC 6 on October 23 with the possibility to listen to it for days and days after the broadcast (see EnoWeb news)

    Iggy chats to his old friend Brian Eno about his new album Forever and Ever No More.

    They also touch upon his love of soundtrack composer Nino Rota, joining the German band Harmonia, documenting the short-lived No Wave movement in late seventies New York and working with both John Cale and Nico.


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