Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

2022 30 Sep.

„Sie sagten Tobago“

von: Michael Engelbrecht Filed under: Blog | TB | 1 Comment

 

“At fifteen you had the radiance of early morning, at twenty you will begin to have the melancholy brilliance of the moon, and when you are my age you will give out, as I do, the genial golden warmth of 4 p.m.”

F. Scott Fitzgerald, This Side of Paradise

 

Ein seltsamer Tag voller Überraschungen und Wiederentdeckungen. Es begann mit einem ganz schlechten Traum, aber dann korrigierte ich den Nachtschocker und buchte eine Winterreise nach Kreta. Ich wurde ein wenig übermütig und kontaktete ein befreundetes Paar, ob sie im Frühling Lust auf den indischen Ozean und die Seychellen hätten. Sie sagten Tobago. Ich sagte: wir machen es wie F. Scott Fitzgerald. Dann brachte der Postbote die „creamy white“-Vinylversion von Wilcos Klassiker „yankee hotel foxtrot“ (remastert nach 20 Jahren), und es klang phänomenal. Ich hatte  das Album zwölf Lenze nicht gehört, und verliebte mich sofort in seine gesammelten Dunkelheiten. Ewig war es meine Nummer 3 im Wilco-Werke-Kosmos, und sprang nach Candlelight & Kakao auf die Pole. Zwischendurch wanderte ich meinen Berg im Naturreservat rauf und runter, und hörte hernach Neil Youngs „Hitchhiker“ und fand mich mit geschlossenen Augen in einem Lagerfeuer aus den Siebziger Jahren wieder. Da gehöre ich, ausser ins Hier und Jetzt, sowieso hin. (Und wenn wir schon bei Gitarren und Zeitreisen sind: gestern lauschte ich „Dragon New Warm Mountain I Believe In You“, und es schoss von Null in meine Top Twenty Twenty Twenty Two. O, mein Gott, ist das Album gut!)

 

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1 Comment

  1. S. Deussner:

    Rückblickend fühlt sich alles an Yankee Hotel Foxtrot erstaunlich prekär an. Es ist ein Album, das zu endlosen Was-wäre-wenn-Fragen anregt: Was wäre, wenn es nicht sehr gut gewesen wäre, oder was wäre, wenn es extrem gut gewesen wäre, aber nicht auf eine Weise, die die Vorstellungskraft so vieler Hörer gefangen genommen hätte? Was wäre, wenn Jim O’Rourke zu beschäftigt gewesen wäre, um Tweedys Anruf entgegenzunehmen, und sie nie mit Glenn Kotche zusammengebracht oder das endgültige Album gemischt hätte? Was wäre, wenn Nonesuch die Platte nicht veröffentlicht hätte und uns damit der befriedigenden Erzählung beraubt hätte, dass Wilco Warner zweimal für das Album bezahlen ließ? Was wäre, wenn das Streaming des Albums auf ihrer Website die Verkaufszahlen eher geschmälert als gesteigert hätte? Was wäre, wenn eine nationale Tragödie der Musik nicht sofort mehr Ernsthaftigkeit und Relevanz verliehen hätte, als selbst Wilco sich hätte träumen lassen? Jede Hypothese stellt ein neues Universum dar, eine neue Welt der Möglichkeiten.

    Aber wir leben in dieser Welt, in der all diese Entscheidungen und Handlungen zusammenkamen, um Yankee Hotel Foxtrot zu einem der wichtigsten Rockalben der 2000er Jahre zu machen. Zwanzig Jahre später erhalten wir diese kuriose Wiederveröffentlichung, die beweist, dass Wilco auch über all diese Was-wäre-wenns und möglichen Wilcoverses nachgedacht haben. Als die Band ihre letzten beiden Alben in die Box packte, genoss sie ihre gespannte Beziehung zur Popmusik als Beruf und Obsession zugleich und präsentierte diese Alben als in sich geschlossene Drei-Akte-Stücke: das Schreiben der Songs und die Anfertigung von Demos, die Aufnahme und die Zusammenstellung der endgültigen Tracklist und schließlich die Tournee des Albums, bei der sie die Musik für sich selbst leben ließ. Das Yankee Hotel Foxtrot-Jubiläumsset jedoch – insbesondere die massive 11xLP-Version – lehnt diese dramatische Struktur ab. Anstatt eine Geschichte der Entstehung, der Geburt und des Lebens zu präsentieren, bietet die Band Alternativen: das Album, wie es hätte sein können, das Album, wie es fast war, das Album, wie es auf verschiedenen Ebenen existiert.

    (((Über das,Deluxe Boxset des Albums)))


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