Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

2022 11 Jul

Eine kleine Nachtmeditation

von: Michael Engelbrecht Filed under: Blog | TB | Comments off

Als ich Weihnachten, im Jahr 1 nach dem Ende der Beatles, das Gatefold-Cover von „Blue“ aufklappte, waren dort (in meiner Erinnerung zumindest) alle lyrics zu lesen. Und wie ich sie las! Und anders als später im Leben, als 30 Jahre Radio und Klanghorizonte das eher selten erlaubten, gab es Langspielplatten, die über Wochen den Plattenspieler blockierten. Mir fällt Chick Coreas „Return To Forever“ ein. Teenager, addicted. Die überragende Qualität der Studioproduktion von „Blue“ befördert das Gefühl, ohne Wenn und Aber einen einzigen Raum zu teilen: die Stimme, der Zuhörer, die Gitarre, das Piano, das Kerzenlicht, die geschlossenen Augen – und sowieso der Wind aus Afrika. The wind is in from Africa, last night I couldn‘t sleep. Sowas von egal, ob es eine Chromdioxydkassette ist, feinstes Vinyl, dezent verrauschte Mittelwelle: im Innersten berührt zu werden, ist keine Frage der ultimativen Version, oder einer Superanlage. Es ist wie bei der Einnahme psychedelischer Substanzen: Set und Setting müssen stimmen, kein Zauber ohne die uneingeschränkte Öffnung der Empfangsorgane, all diese kleinen Rituale, sich einzustimmen. In den nicht mehr so jungen wilden Jahren, hat es das eine und andere Album dann doch geschafft, nächtlicher wie täglicher Begleiter zu sein, round and round and round, 2019 zum Beispiel, Steve Tibbetts, „Life Of“. Manche erleben diese Cd des Mannes aus Minneapolis so, dass sich die einzelnen Stücke doch verdammt ähnlich seien, bis die Wahrnehmung (wenn sie nicht zu früh aufgeben) in eine ganz andere Richtung kippt, und aus der ersten Enttäuschung erstmal eine Verblüffung, und dann ein konstanter „state of wonder“ wird. Natürlich, wie bei Joni Mitchells „Blue“ hätte ich „Life Of“ zu gerne auch als Vinyl, „dead quiet“, 45 Umdrehungen pro Minute. Wenn ich allein hundert Platten mit auf die berühmte Insel dieses Fragespiels nehmen dürfte, diese zwei wären dabei. Singulärer insulärer Traumstoff. What game shall we play today? Wenn du jetzt, zwischen Scotch und Candlelight, von einem freundlichen Geist Zettel und Bleistift gereicht bekämst, fünfzehn Minuten, und eine Extraminute, um den Anflug einer Panik zu vertreiben: auf welche zehn Musikalben für die kleine „Inselewigkeit“ fällt deine Wahl? Die Zeit läuft. Und auf keinen Fall diese zehn Schallplatten in den Kommentare aufführen, es wäre zu privat, ein Bekenntnis, reiner Seelenstriptease.

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