Manafonistas

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2022 3 Mrz

A Nest of Ninnies

von: Martina Weber Filed under: Blog | TB | 2 Comments

 

Was mich an diesem Buch am meisten begeistert, ist seine Entstehungsgeschichte. Juli 1952: John Ashbery und James Schuyler waren Mitte/Ende 20, sie schrieben Gedichte, die in der Öffentlichkeit noch nicht beachtet wurden, und hatten das Wochenende bei Dreharbeiten in East Hampton verbracht. Bekannte nahmen sie im Auto mit, zurück nach New York. Die Zeit zog sich hin. Schuyler schlug Ashbery vor, gemeinsam einen Roman zu schreiben. Und wie? Abwechselnd, Zeile für Zeile. „Alice was tired“, fing Ashbery an. Sie kamen an einem typischen Vororthaus vorbei, weiß gestrichen, grüne Fensterläden, und beschlossen, dass es das Zuhause der Protagonisten sein sollte. Sie trafen sich einmal in der Woche und schrieben weiter. Ob daraus ein Buch werden würde, war den beiden egal. Ashbery zog es nach Frankreich. Über eine räumliche Distanz weiterzuschreiben, funktionierte nicht so gut. Sie mussten im selben Raum sein. Erst zehn Jahre später kehrte Ashbery zurück. Erste Gedichtbände von ihm waren erschienen, darunter „Some Trees“ und „The Tennis Court Oath“. Der Durchbruch als Lyriker. Ashberys Verleger fragte, ob er nicht einen Roman schreiben könnte. Ein Versuch, mit dem Autor Geld zu verdienen. Ashbery erzählte von dem Projekt mit Schuyler. Die beiden beendeten den Roman und erlaubten sich eine Abweichungen vom ursprünglichen Plan, Satz für Satz abwechselnd zu schreiben. „A Nest of Ninnies“ (deutscher Titel: Ein Haufen Idioten) erschien 1969. Auf dem Cover der englischsprachigen Ausgabe findet sich das Vororthaus von der Rückreise  East Hampton – New York. Für die deutsche Ausgabe hat man sich für ein anderes Symbol streitlustiger Bürgerlichkeit entschieden: eine in die Luft geworfene Kaffeetasse, aus der Kaffee überschwappt und deren Unterteller zerbricht.

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2 Comments

  1. Lajla:

    Das erinnert mich an die Geschichte, die wir Beide mal hier auf dem Blog abwechselnd geschrieben haben. Das hatte Spaß gemacht.

  2. Martina:

    Stimmt. Ich hatte auf einer Radtour eine Kiste mit Reiseführern entdeckt, so fing es an. Und wir hatten gar nichts abgesprochen, unser Text war ziemlich chaotisch und herausfordernd. Der Roman von Ashbery und Schuyler wirkt allerdings wie aus einem Guss, glatt und konventionell geschrieben und nicht so herausfordernd wie Ashberys Poesie. Ich habe nur das erste Kapitel gelesen. Bestimmt haben die beiden, als sie gemeinsam in einem Raum schrieben, auch über den Aufbau des Romans gesprochen. Und anderes. Sie waren ja auch, glaube ich, ein Liebespaar.


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