Manafonistas

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2021 17 Jan

„Days of records and roses“ (part 1)

von: Michael Engelbrecht Filed under: Blog | TB | Comments off

Vor Sylt erreichen mich Fotos von überfüllten Pendlerzügen und wg. steigender Covidzahlen abgesagter Gemeindesitzungen in Wenningstedt. Die Insel ist also kein so sicherer Ort mehr, aber ich werde eh nur pendeln zwischen den einsamsten Stränden, meinem Rosenhaus, und der Futterstelle Rantum-Süd. Von Claudia K. Lasse ich mich in Sachen Nachtwanderung briefen. Meine Kontakte treffe ich ohnehin maskiert im Freien, und wie schön, dass ich auch eine Einführung ins „birding“ erhalte. „Herr Engelbrecht, das war doch schon ein Anfang: sie nahmen das Konzert der morgendlichen Schreihälse auf.“ Genau, Madame. Und legte später dazu im Funkhaus David Hollands Ohrwurm „Conference of the Birds“ auf. Die Anreise mit dem schwarzen Flitzer am 20. Januar. Bis dahin ist noch etwas Zeit. Ich schaue auf die webcam der Strandpromenade. Huch, so leer – ich dachte heute morgen wäre Kurkonzert.

 
 

 
 

Elfter Januar. Wieder daheim, von meinem Krankenhausaufenthalt in Essen, der eine recht entspannte Woche für mich bereithielt, hatte ich, als es dunkel wurde, John Coltranes „Blue World“ aufgelegt, das einzige Album des berühmten Quartetts, das ein Soundtrack sein sollte. Diese „blaue Welt“ wurde erst vor wenigen Jahren ans Licht befördert, und fordert kein einziges bewegtes Bild, um Wirkung zu erzielen. Nach den Tagen in gewisser Abgeschiedenheit war ich endlich wieder in meiner elektrischen Höhle, und suchte mir sehr, sehr, sehr gut aus, was ich an Alben ganz und gar bewusst, mit Ohren gross wie Scheunentore, in mich aufnehmen wollte.

 

Zwölfter Januar. Was hörst du jetzt, was tut dir in dieser Stunde saugut? Ganz sicher, wenn dich Sleaford Mods aus dem Abgrund angucken, während du gerade in ihn hineinblickst. Hier gibt es keinen Trost, ausser an ihrer gnadenlos harten Sprache teilzuhaben, ihrem runtergebrochenen knochentrockenen Sound. Let’s call it furious absurdismHeute morgen folgte ich dem Gebell ihres Albums „Eton Alive“. Ziemlich grossartig. How kraut can you get? Die Brüder Diaz und Diaz aus Tucson, Arizona, haben sich mit ihrer Band Trees Speak nicht gerade zu verschwindend kleinen Teilen dem teutonischen Krautrock verschrieben. Ihre Kunst auf „Shadows Form“ besteht allerdings darin, mit jedem Track eine komplett andere Szenerie zu inszenieren. Sie arbeiten dabei nie die alten Gebrauchsanweisungen ab, betreiben interessante Geräuschforschungen, und lassen so manche Hörererwartung dezent ins Leere laufen. Diese Epigonen sind erfinderisch.  Toll produziert auch, die Veröffentlichung von Soul Jazz Records.

 
 

 
 

Dreizehnter Januar. Weiter geht es mit meinem ganz privaten Seelenfuttterfestival. Aus Australien kam mit der Post Unerwartetes. Das Pianosoloalbum „Appearance“ von The Necks-mastermind Chris Abrahams. Zwei lange Stücke, die sich Zeit nehmen, von Wellenkamm zu Wellenkamm. Grosse Ruhe, feine Spannung. Nachmittags war Billies Stunde. Hatte mich M. Wards Homage an „Lady in Satin“ (1958) ein ums andere Mal fasziniert, war nun Zeit für das Original, das ja auch Robert Wyatt in sein Herz geschlossen hat. Ich bin überrascht, wie gut dieser alten Produktion das Remastering getan hat. Am Abend hatte ich einen Deal mit Augustus Pablos „Rising Sun“. Ein warmer Sound vom Allerfeinsten. (Wäre  Bo Hanson Rastafari gewesen, er hätte vielleicht so geklungen – ein reichhaltiges Reggae-Instrumentalalbum – es findet sich auf der Doppel-Cd „Ancient Harmonies“, mit weiteren drei Produktionen des Augustus Pablo, aus den Achtziger Jahren, als moderne Sounds  bei ihm freundlich um Einlass baten.) 

 

Nachklang (Was Mr. Suggs von Madness zu Augustus Pablos berühmestem Album King Tubby meets Rockers Uptown erzählte): „Es ist einfach zeitlose Space-Age-Musik. Musik, die mit so wenig Technologie aufgenommen wurde, und doch klingt sie so technologisch. Sie ist spontan aufgenommen und spontan abgemischt, und doch klingt sie, als wäre sie arrangiert worden, von viertausend Produzenten, vier Millionen Trevor Horns. Aber es waren nur zwei Kerle, die Fader hoch und runter schoben, mit ein paar Raumechos. Es ist ein erstaunlicher Sound, und es ist erstaunlich, was sie in Jamaika gemacht haben, besonders Leute wie Lee Perry und King Tubby. Klanglich haben sie die Musik verändert. Damals war es ziemlich schwierig, an sie heranzukommen: Es gab einen Laden in Finsbury Park, der ein ziemlich bedrohlicher Ort war, wenn man ein junges, pickeliges, hautkrankes Kind war. Ich erinnere mich, dass Johnny Rotten dort hinging, aber ich glaube, er war ein bisschen furchtloser! Aber es gab Hauspartys, auf denen man ein bisschen davon hörte, und es verbreitete sich in Läden wie Rough Trade und im Rock On in Camden Town, und am Ende lieh man sich eine Menge Platten, die man nie zurückgab …“

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