Manafonistas

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2021 9 Jan

Mein österreichischer Judofreund

von: Michael Engelbrecht Filed under: Blog | TB | Comments off

Ich glaube, er war einer der  besten Freunde, die ich je hatte, auch, wenn wir nur gute zwei Wochen zusammen waren, in einem luxuriösen Hotel, abgelegen, auf Mallorca – der damalige  Minister Schiller drehte seine Schwimmrunden mit seiner Affäre, ohne von Paparazzis behelligt zu werden, und  Mario Adorf tauchte mit Lex Barker auf. Ich erzählte das schon einmal, aber diese Story führt woandershin. Ich las Albert Camus‘ „Die Pest“, liebte die schaumige Milchsahne auf dem Kakao, und zu den vielen Parallelwelten, zwischen denen sich Teenager leichtfüssig bewegen können, zählte die tägliche Freude, Morgen für Morgen Peter zu treffen, und stundenlang mit ihm das Tischtennisbrett zu besetzen, oder am Swimmingpool zu liegen. Er gehörte zur österreichischen Judonationalmannschaft, was ich weniger aufregend fand, als die Tiefe meiner freundschaftlichen Gefühle. Obwohl ich in meinen damaligen bisexuellen Träumen auch manch hübschen Jungen begehrte, fehlte mir jeder Anflug von Lust. Verlieben tat ich mich sowieso nur in Mädchen. Er war ungefähr sieben Jahre älter als ich, 21, und erinnerte mich vielleicht, aber nur  sehr entfernt, an eine alpenländische Version meines Traumgefährten „Okko“, mit dem ich nächtens die aufregendsten Abenteuer in über Jahre wiederkehrenden Serienträumen erlebte – er kam stets in höchster Not, und bereitete jeder Traumsequenz zwischen Karl May-Gefilden und „Am Fuss der Blauen Berge“ ein Happy End. Aber was war das nun mit Peter: sah ich in ihm den idealen älteren Bruder? Unsere Gespräche waren, so weit ich mich erinnere, auch ganz normale Jungsgespräche, ich mochte ihn wohl einfach von Herzen gern. Vielleicht haben wir über die Beatles gesprochen, aber nicht über Camus.

 

Ich hatte dort, in diesem behüteten Urlaub, keinerlei Musik dabei, dafür sah ich in kurzer Zeit ein paar Menschen, die ich aus dem Fernsehen kannte, auch diesen alten englischen Schauspieler, dessen Name mir entfallen ist, und der sich Jahre später wegen Depressionen das Leben nahm. Meine Mutter erzählte es mir, und ich sah wieder seinen leicht gebeugten Gang vor mir, und etwas Verlorenes in seinem Blick. Wo war Emma Peel – das wärs gewesen, vielleicht hätte Peter ihr ein paar Griffe gezeigt, und sie mir! Die Musik in diesem Paradies war die Musik einer älteren Generation. Neben dem Süssholzraspler am Klavier, der abends den Cognac und die Longdrinks der Barhocker untermalte, kamen aus den Lautsprechern ausschliesslich Evergreens, die schon immer Evergreens waren, von Neil Diamond oder Frank Sinatra. Ich denke, auch von Paul Anka und Neil Sedaka. Und ganz vorneweg James Last, die deutsche Ausgabe der Ray Coniff Singers. James Last, der alles weich verpackte, von den Chansons bis zum Jazz, von Hippie-Musicals bis zu dem Fab Four. James Last hätte auch aus „Paint It Black“ eine Schmonzette für angetrunkene Mann-im-Mond-Sucher aus dem Ärmeln seines Orchesters schütteln können. Soziokulturell hatte dieser früh erblondete Arrangeur fleissig an Traumkulissen im Wirtschaftswunderland gezimmert. Ich war aber nur in  meinen Hintergedanken ein resistenter Hörer. Von den altmodischen Hits (einer liegt mir auf der Zunge, „Spanish Eyes“, oder heisst er „Spanish Harlem“) liess ich mich gerne einwickeln. Auch die jungen Bee Gees wären nicht weiter aufgefallen.

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