Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

2020 4 Dez

Enjoy the last 27 days of Fixpoetry

von: Martina Weber Filed under: Blog | TB | 6 Comments

Vor ein paar Tagen hat Julietta Fix, die Gründerin der Lyrikplattform fixpoety.com, mit dieser Notiz bekannt gegeben, dass sie mit Ende des Jahres den Betrieb von Fixpoetry einstellt. Unter den Lesenden dieses Blogs ist fixpoetry eher nicht so bekannt, obwohl ich auch mal darauf hingewiesen habe. In der Lyrikszene jedoch ist Fixpoetry gleichzeitig so etwas wie eine kleine Tageszeitung und ein täglich wachsendes Archiv, ein gemeinschaftsbildendes Element. Julietta Fix hat die Website im Jahr 2007 gegründet. Jeden Tag, jeweils um Mitternacht, erscheint ein neuer Text des Tages, meist ein Gedicht, fast täglich erscheinen Rezensionen, vor allem von Gedichtbänden aus kleinen und kleinsten Verlagen, von denen die allermeisten keine Chance haben, jemals im Radio oder gar in den Feuilletons von Zeitungen besprochen zu werden. Dazu gibt es die von Frank Milautzcki betreute Fixzone mit täglichen Neuigkeiten, vor allem aus der Welt der Lyrik. Seit langer Zeit klicke ich mich jeden Tag auf Fixpoetry, lese Gedichte, habe Gedichtbände und anderes aufgrund von Rezensionen oder Hinweisen gekauft. Auch meine beiden Gedichtbände wurden auf Fixpoetry besprochen. Ich kenne viele Schreibende, deren erste Publikation auf Fixpoetry als Text des Tages erfolgte, und ich weiß, wie glücklich sie darüber sind. Jeder Text des Tages wird mit einem Autorenportrait verlinkt, das sich auf der Website unter der Rubrik Autoren alphabetisch geordnet findet. Juliettas Engagement für die Poesie ist einzigartig. Mit dem sogenannten Poetryletter, ausgedruckt als kleine Plakate erwerbbar, hat sie Kunstwerke, die ein Gedicht visuell mit einer Grafik oder Fotografie umsetzen, ermöglicht, hier der Link zu einem wunderbaren Archiv. Julietta hat den Gertrud Kolmar Preis gegründet, einen Lyrikpreis, der sich ausschließlich an Frauen gerichtet hat und im Jahr 2019 vergeben wurde. Julietta hat nicht nur schwerpunktmäßig Gedichten und Lyrik Scheibenden ein Forum geboten, sondern auch Rezensentinnen und Rezensenten. Und warum hört sie auf? Weil es für ihr Engagement in unserem Literaturbetrieb trotz jahrelangem Bemühens kein Geld gibt und weil selbst ein solches Engagement irgendwann an Grenzen stößt. Julietta hatte dieses Problem seit Jahren immer wieder angesprochen. Vor einiger Zeit hatte sie eine freiwillige Paywall eingerichtet und immer wieder die stetig steigende Zahl an Lesenden zu Spenden aufgerufen, aber es ist nicht genug Geld zusammen gekommen. Nun hat Julietta angekündigt, dass die Website zunächst als Archiv noch im Netz bleiben wird. Allein in der Rubrik „Lyrik“ im Archiv des Feuilletons finden sich 1822 Treffer, also 1822 Rezensionen zu Gedichtbänden. Ab dem kommenden Jahr wird die Welt der Lyrik sehr viel ärmer. Ein solches Projekt wird es nie wieder geben. Ein großes Dankeschön an Julietta Fix.

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6 Comments

  1. Olaf Westfeld:

    Auch wenn ich Fixpoetry kaum kannte, bin nur ein paar Mal beim vorbeiclicken dort hängen geblieben, ist es eine traurige Neuigkeit, wenn so eine großartige Initiative zu Ende geht.

  2. Lajla:

    Ich verstehe die Leser von Fixpoetry nicht. Sie wissen, dass Poetry in Deutschland eine geringe Akzeptanz im Literaturbetrieb erfährt. Weshalb dann keine finanzielle Unterstützung geleistet wird, um das Weitermachen zu ermöglichen, hat mit Faulheit, Intoleranz und vor allem Konsumieren, aber nicht bezahlen wollen, zu tun.
    Dieses Verhalten erinnert an die Mittelschicht, die sich stets über die zu hohen Eintrittspreise für Konzerte, Theater etc beschwert.

  3. Martina:

    Ja, Lajla, leider triffst du damit genau ins Zentrum. Zwar darf man nicht vergessen, dass genau die Autorinnen und Autoren, die Fixpoetry fördert und ins Zentrum rückt,oft in prekären finanziellen Verhältnissen leben, da sich mit Lyrik nichts verdienen lässt. Dennoch sollte jede und jeder aus diesem Personenkreis 2 Euro im Monat für Fixpoetry übrig haben oder irgendwann im Jahr 5, 10, 20 oder 50 Euro spenden können. Ich hoffe, dass das Archiv wenigstens erhalten bleiben kann.

  4. Lajla:

    Martina, fragt doch mal beim Marbacher Literaturarchiv an, ob sie es übernehmen.

  5. Martina:

    Danke für den Tipp, Lajla. Ich werde ihn an Julietta weiterreichen.

  6. Martina:

    Hier ein Bericht der FAZ zu Fixpoetry und der aktuellen Situation:
    https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/die-lyrik-website-fixpoetry-geht-offline-17102143.html


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