Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

2020 4 Nov

Nachts um zwei Uhr war die Welt noch in Ordnung.

von: Michael Engelbrecht Filed under: Blog | TB | 12 Comments

Halbwegs. In einer Zeit, als das Wünschen noch geholfen hat, wäre der Blick in den Guardian und Spiegel anders ausgegangen. Zwar sah es es so, als wären Joe und Kamala auf einem guten Weg, aber erste Zweifel wurden gestreut. Ein Beispiel für negative Trauminkubation: in dunklen Zimmer diskutierten wir erneute Verluste von Joe, kippten Whisky, um den Schmerz zu betäuben, und fassten es nicht, wie erschreckend wenig selbst das miserable Pandemie-Management das Verhalten veränderte: einmal Trump-Wähler, immer Trump-Wähler, von wenigen Abweichlern abgesehen. Nach zwischenzeitlichem Wachwerden wurden finstere Traumereignisse bestätigt. Nun, Stand 12.38 Uhr, sieht es ganz nach der nächsten Amtszeit des Elenden aus. Die derzeitigen Zwischenstände in den noch offenen Staaten bescheren ihm einen beträchtlichen Vorsprung. Und leider genug Wahlmänner, um den Abbau demokratischer Strukturen voranzutreiben. Selbst, wenn er sich ruhig zurücklehnen würde, schaut es nun nach einem Wahlsieg aus. Aber natürlich wittert er Betrug, eine klassische Projektion, und möchte gar den Obersten Gerichtshof anrufen, um beispielsweise das weitere Zählen der Briefe  in Pennsylvania zu untersagen. Egal, ob es sehr schmutzig wird oder nur normal schmutzig: es wird traurig. Kein Erdrutschsieg der Demokraten, kein Abstrafen der endlosen Desinformationen und Spaltungen. Bei aller zutreffenden Multikausalität: manches gründet sich auch  in der grassierenden Identifikation mit einer alles Dagewesene in den Wind schlagenden Niedertracht. Dieser Mensch ist so abgrundtief dreckig, dass man, ohne Übertreibung, und bei allem Wissen um Graustufen und die Schattenseiten der anderen Seite, nahezu von einer Wahl zwischen Gut und Böse sprechen kann. Keine gute Nacht, Amerika. Würde ich doch nur falschliegen in törichter Schwarzmalerei. 

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12 Comments

  1. Martina Weber:

    16:38 Uhr. Noch immer ist das Ergebnis offen. Am Sonntag im „Weltspiegel“ wurde ein Interview mit einem US-Politikwissenschaftler, dessen Namen ich mir nicht gemerkt habe, gesendet. Dieser hatte in den vergangenen Jahrzehnten stets die korrekte Prognose für das Wahlergebnis geliefert. Er sagte: Biden gewinnt.

  2. ijb:

    Martina, ein Interview mit diesem Mann habe ich auch gesehen; es war vor einer Woche oder so bei Spiegel Online zu sehen. Ich habe heute auch schon ein paar Mal gedacht: Blöd, dass ich mir seinen Namen nicht gemerkt habe. Hoffen wir, dass er recht behält.

    Auch gab es vor wenigen Tagen ein sehr ähnliches Gespräch mit einer US-Politikwissenschaftlerin, irgendwo online, bei der ZEIT oder so. Auch hier habe ich die genauen Details verschlumpft …

  3. ijb:

    Hier ein Vergleich zwischen D.T. und Julius Caesar. Ob D.T. das US-Reich ähnlich zum Einstürzen bringt wie einst J.C. …?

  4. Lajla:

    Das war Allan Lichtmann. Keine Sorge. Die Briefwähler sind hauptsächlich Demokratenwähler. 🌈

  5. Lajla:

    Jetzt planetnews.com folgen …

  6. ijb:

    Heute ist ein guter Tag/Abend, um Bruce Springsteen zu hören. Ich habe mir zum ersten Mal seit 1992 (oder 2002, bin nicht ganz sicher) ein Springsteen-Album im Jahr des Erscheinens gekauft, „Letter to you“.

  7. Olaf Westfeld:

    Nun könnte es sich doch noch zum Positiven wenden, am Abend sieht die Situation geringfügig besser aus als am Nachmittag. Nur: wie Trump würden und seine Anhänger auf einen so knappen Ausgang der Wahl reagieren?

    Gerne würde ich etwas über das sehr gute und erhellende Buch „Neulich in Amerika“ von dem tollen Eliot Weinberger schreiben, mir fehlt nur gerade Zeit. Hier erfährt man viel über die Abgründe der republikanischen Partei, sehr viel. Eine Leseprobe

  8. Michael Engelbrecht:

    Ich habe die Leseprobe verkostet, Olaf: grossartig scheint mir das Teil zu sein, in Stil, Sprache und Substanz. Und fesselnd.

    Und bestellt.

    Nachtrag….

    Ein guter Tag , Spike Lees Blackkklansman wieder anzuschauen.

  9. Michael Engelbrecht:

    https://www.theguardian.com/commentisfree/2020/nov/07/what-will-president-bidens-united-states-look-like-to-the-rest-of-the-world

  10. Michael Engelbrecht:

    Joe Bidens Siegesrede hat den israelischen Historiker-Megastar Yuval Noah Harari („Eine kurze Geschichte der Menschheit“) zu Tränen gerührt.

    „In der Geschichte kommt alles auf den Kontext an“, schrieb Harari am Sonntag in einem Tweet. „Wenn ich Bidens Siegesrede vor vier Jahren gehört hätte, hätte ich sie ziemlich klischeehaft gefunden. Aber nach den letzten vier schwierigen Jahren hat sie mir tatsächlich die Tränen in die Augen getrieben.“

    Er sei zutiefst bewegt gewesen von Bidens „Versprechen an die Kräfte der Fairness, des Anstands, der Wissenschaft und Hoffnung, und seiner Ablehnung der finsteren Ära der Dämonisierung“, schrieb der Historiker.

  11. Olaf Westfeld:

    „Neulich in Amerika“ ist wirklich sehr gut, macht leider auch etwas schlechte Laune – unglaublich, was für Menschen für die Republikaner Politik machen. Gutes Buch.

  12. Rosato:

    dradio.de / podcast / eliot_weinberger_neulich_in_amerika …


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