Ich gehe die Treppe hinunter in die Bar Tabou. Dort steht „die geschlossene Gesellschaft“: Sartre, Mauriac, Gainsbourg, Prévert, Ferré. Und mittendrin ihre Schwarze Braut. Sie singt „La Rue des Blancs Manteaux“. Jean Paul hat es für sie geschrieben. Sie lehnt an Serge, lacht, singt bis sie von Albert zum Tanz weggezogen wird. Wie ich sie um ihre Freunde beneide, ich hätte sie alle gerne gekannt.
Ich liege auf einer Mauer an der Seine. Ich warte auf meinen Provo, der eben mal seinen Rucksack aus dem „Le Chat qui pêche“ holen wollte. Er kommt nicht zurück. „Le Temps des Cérices“ ist kurz. Juliette Greco singt es am schönsten. Sie legt Revoluzzertimbre hinein. Sie will, dass sich die sozialen Umstände verbessern und sie will Freiheit. Wie sie Jacques Brel‘s „Ne Me Quitte Pas“ ganz anders interpretiert – frauenstark, selbstverliebt: „Mich verlässt hier keiner!“
Ich sitze in der ersten Reihe einer Konzerthalle. Hinter mir ertönt eine Stimme: „Ah, Frau N also auch Greco Fan.“ Es ist die Stimme meines idiotischen Fachreferenten. Ich drehe mich nicht um. Mon dieu, was will der in einem Greco-Konzert, er kann nicht mal L’ Accordéon auf Französisch schreiben. Mit diesem Chanson beginnt die Kajalsphinx ihren Auftritt. Natürlich in black mit ihren feinen Händen in der Luft. Sie kann Elfe sein und im nächsten Song barsch und androgyn wie David Bowie: „Non, je n ´ai pas 20 ans“. Jetzt ist sie mit 93 gestorben. Wo wird man sie beerdigen? Ich hoffe in der Nähe von Gainsbourg. Ich werde hingehen und zwei Zigaretten auf einmal rauchen und mit lasziver Stimme „Déshabillez-moi“ summen und Serge diesen weiblichsten Song überhaupt als Vorspiel für „Je t‘aime“ empfehlen.