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2020 6 Mrz

Peter Serkin †

von: Hans-Dieter Klinger Filed under: Blog | TB | Tags: , 1 Comment

Peter Serkin starb am 1. Februar diesen Jahres in seinem Haus in New York im Alter von 72 Jahren. Er litt an einer schweren Krankheit, an einem Pankreaskarzinom, das zu seinem schnellen Tod führte. Noch am 1. Mai 2019 sprang er in Toronto für den erkrankten Murray Perahia ein. Von seinem Tod erfuhr ich heute bei der Lektüre der neuen Ausgabe des FONO FORUM Magazins.

Peter Serkin entstammt zwei legendären musikalischen Familien. Sein Vater war der berühmte Pianist Rudolf Serkin und der Großvater mütterlicherseits war der bedeutende Dirigent und Geiger Adolf Busch.

 
 
 

 
 
 

Als ich in München studierte, hörte ich Peter Serkin als Solist in Béla Bartóks 3. Klavierkonzert im Herkulessaal der Residenz. Beeindruckend. Er dürfte damals um die 20 Jahre alt gewesen sein und stand kurz vor einer längeren Auszeit. Er war sicherlich stolz auf sein Erbe, empfand es aber auch als Belastung. In seiner Familie wurde Musik ernst genommen wie eine Art Religion. Wie viele, die in den 1960er Jahren groß wurden, stellte er das Establishment sowohl in der Gesellschaft als auch in der Klassischen Musik in Frage. Er widerstand einer traditionellen Karriere und hörte mit 21 Jahren auf, zu konzertieren, spielte monatelang nicht mehr Klavier. Er reiste nach Indien, ließ sich in Nepal und Thailand nieder und lebte eine Weile in Mexiko mit seiner damaligen Frau Wendy Spinner und ihrer kleinen Tochter.

Nach einigen Jahren nahm er das Konzertieren mit neuer Zufriedenheit wieder auf, nicht zuletzt aufgrund einer Neuausrichtung seines Repertoires. Seine Aufnahme von Olivier Messiaens grandiosem Zyklus Vingt Regards sur l’Enfant-Jésus wurde für den Grammy nominiert. Es sind 20 Kontemplationen über das Jesuskind, 1944 komponiert, Musik von außerordentlicher Schwierigkeit, die zweieinhalb Stunden dauert und mit Cluster-Akkorden und der Beschwörung von Vogelstimmen, Momente mystischer Freude und Passagen auffahrender Wildheit lebendig werden lässt. Messiaens Klavierzyklus lernte ich durch Peter Serkin im Jahr 1978 kennen, als ich im Radio einen Liveauftritt Serkins bei den Berliner Festwochen hörte und mitschnitt. Ein solches Wagnis hat vor ihm kein Pianist auf sich genommen.

 
 
 

 
 
 

Peter Serkin ist auf ECM 1676/77 zu hören. In The New York Times schrieb Anthony Tommasini einen sehr lesenswerten Nachruf auf diesen großen Musiker. Ich habe über die Jahre wenig Aufnahmen von ihm gehört, denn seine Diskografie ist nicht ausufernd. Ganz klar deshalb, weil er sich dem üblichen Starrummel entzogen hat. Welcher merkantil wertvolle Pianostar spielt schon als Straßenmusiker? Als ich heute von seinem Tod erfuhr, ging das nicht spurlos an mir vorüber.

 
 
 

 
 
 

Diskografische bzw. YouTubische Hinweise finden die wenigen interessierten Leser in comment #1.

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1 Comment

  1. Hans-Dieter Klinger:

    Als 18-jähriger nahm Peter Serkin für RCA Joh. Seb. Bachs Goldbergvariationen auf. Ein wunderbarer Liveauftritt vom 29. Oktober 2017 ist auf YouTube verfügbar.

    Im Jahr 1973 wurde für RCA Messiaens großer Zyklus eingespielt. Die „Vingt Regards“ führte Peter Serkin weit über 20 Mal live auf. 1978 eben auch in Berlin. Eines der wildesten Stücke dieses bedeutenden Klavierwerks ist hier zu hören.


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