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2019 1 Apr

Von alten und jungen Filmern

von: Lajla Nizinski Filed under: Blog | TB | 3 Comments

WE REALLY GOT TO RAMBLE

 

Es gibt wenige Künstler,  die mich dauerhaft inspirieren. In der Musik sind es Anton Bruckner und die Kinks, in der Literatur Goethe und Peter Handke, in der Malerei Caravaggio und James Ensor, im Film Kiarostami und Agnès Varda.

Jetzt hat sich die Grande Dame der Novelle vague für immer verabschiedet. Noch im letzten Jahr brachte das FLAGEY in Brüssel Ixelles, da wo sie geboren ist, eine grossartige Retrospektive ihr zu Ehren.

Es hat mich überrascht, dass sie auf diesem Blog noch keine Erwähnung fand. Vor kurzem habe ich hier an ihren Mann, Jacques Demy, erinnert. Nun soll auch die außergewöhnliche Dokumentarfilmerin lebendig gehalten werden.

Kein Filmproduzent hat jemals mein Leben so authentisch auf Zelluloid gepresst wie die Varga in VOGELFREI. Wie Sandrine Bonnaire, die die Vagabundin spielt, trampte ich durch Europa und schlief „sans tois ni loi“, wie der Film auf Französisch heisst. An Orten, an denen Agnès Varga wohnte und filmte, fühlte ich mich auch als Studentin extrem wohl und blieb planlos lange: in Sète, an der belgischen Nordsee. Wie sie sammelte ich dort alles Mögliche. Sie verarbeitete ihre gefundenen Gesichter und Objekte unbekümmert und spielerisch in ihren Filmen. Nie war sie dabei moralisch, immer mit höchst ästhetischem Anspruch, vagabundierend zwischen Freiheit und Dreck. Leider kann sie jetzt nicht mehr „ramblen“.

On the road ist nun ein junger Filmer, der bei Agnès Varga gelernt haben könnte. Auch er ist mit seiner Kamera ständig unterwegs. Er sammelt jedoch mit der neuen Technik. Er besitzt eine 360 Grad Kamera, die er durchaus auch anderen überlässt, um nicht ständig die Kontrolle über seine Filme allein in der Hand zu haben. Eduardo Williams ist erst 30 Jahre alt, er stammt aus Argentinien und geht einen neuen interessanten Weg. In seinem Film ‚PARSI‘ lässt er sich von dem Gedicht „No es“ von Mariano Blatt, auch Argentinier, inspirieren. Mit einem Virtual Reality Headset nimmt er den Rhythmus des endlos rezitierten Gedichtes auf, vermischt es mit den Filmaufnahmen und schneidet dann mit neuem Körpergefühl. Er sagte gestern im „Artistik Talk“ in der Julia Stoschek Collection in Düsseldorf, dass er Unwägbarkeiten als Quelle zur Schönheit benutzen wolle und dass es ihm um die Wechselbeziehung von offenen Abenteuern in physikalischen und virtuellen Netzwerken ginge und besonders um eine neue Annäherung von „poetry and technology „.

Auf mich wirkte der Gebrauch des virtuellen Reality Headset hammermäßig, ganz gemäß dem Gedicht „No es“: was sein könnte, aber noch nicht ist. Spannend.

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3 Comments

  1. Jochen:

    Vaguely remember this Varga film with Sandrine Bonnaire, loved it.

    You lucky ramblers :)

  2. Lajla:

    „We really got to ramble“ singt Joan Baez in dem Film. Ich habe ihn mir jetzt noch einmal angesehen. Die Dialoge sind von einer schlichten, dichten Klarheit, kein Wort zu viel.

  3. Jochen:

    in memoriam Agnès Varda (criterion.com)


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