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2019 21 Mrz

Gregor öffnet seinen Plattenschrank (184)

von: Gregor Mundt Filed under: Blog | TB | 3 Comments

Musik Produktion Schwarzwald (Teil 1)

 

Vorgestern war es soweit, endlich, ich hatte die Gelegenheit das legendäre MPS-Studio in Villingen (Schwarzwald) zu besichtigen. Schon im Flur begrüßte mich Robert Wyatt, ein frühes Bild aus Softmachine-Zeiten. Aber dann das Studio, unfasslich, wahrscheinlich eines der ganz wenigen bestens erhaltenen Analog-Studios in Deutschland. Inzwischen stehen Studio und Inventar zum Glück unter Denkmalschutz. Eigentlich fing alles mit meiner Liebe zu alten Röhrenradios an. SABA hat in den fünfziger Jahren unglaublich gute Geräte hergestellt, hatte damals schon jahrelange Erfahrung mit dem automatischen Sendersuchlauf, hatte das magische Auge erfunden, das erste tragbare Tonbandgerät im Programm und vieles mehr. Geführt wurde die Traditionsfirma in den 60 und 70er Jahren von Hermann Brunner-Schwer (kaufmännisch) und Hans Georg Brunner-Schwer (technisch) unter dem wunderschön klingendem Namen SABA (die Abkürzung, für die SABA steht, weckt allerdings weniger romantische Assoziationen: Schwarzwälder Apparate Bau Anstalt August Schwer und Söhne). SABA baute damals auch hochwertige Aufnahmegeräte. Erinnert sei nur an das legendäre SABA 600 SH von 1965. Hans Georg Brunner-Schwer richtete sich Ende der fünfziger Jahre sogar ein Tonstudio in seiner Villa ein, in die er gerne Jazzmusiker einlud, mit ihnen tafelte und eben auch deren Musik aufnahm. Wenig später errichtete er in unmittelbarer Nähe zu seinem Haus ein Studio, so groß, dass sogar Duke Ellington mit seinem Orchester dort Platz fand. Ein Ampex-Bandmaschine mit 24 Spuren und entsprechende Mischpulte wurden eingebaut, ein riesiger Bösendorfer Imperial Flügel eingeflogen und dann fing man an, zunächst noch unter der Flagge von SABA, dann aber unter dem eigenen Label MPS, Music Production Schwarzwald, unvergessliche Aufnahmen zu produzieren. Recht früh mit dabei: Joachim Ernst Berendt, der hier auch erste Weltmusik-Experimente durchführte.

 

 

 

 

Eine Zusammenarbeit von Hans Georg Brunner-Schwer und Joachim Ernst Berendt wurde erst 2016 von dem Label Resonance veröffentlicht: Bill Evans, Eddie Gomez und Jack DeJohnette: “Some Other Time – The Lost Session From The Black Forest“, aufgenommwn am 20.Juni 1968 im MPS-Studio in Villingen. Die Doppel-CD ist fantastisch und nur sehr zu empfehlen.

Die Liste der Musiker, die in Villingen im damals hochmodernem Studio aufgenommen haben oder Konzerte durch MPS haben aufnehmen lassen, ist lang, hier einige Namen: Dexter Gordon, Slide Hampton, Ack von Rooyen, Red Garland, Jimmy Heath, Egberto Gismonti, George Gruntz, Dave Holland, Daniel Humair, Kenny Drew, Bill Evans (gemeint ist der Pianist), Eddie Thompson, Oscar Peterson, Ray Brown, Friedrich Gulda, Joachim Kühn, Volker Kriegel, Toto Blanke, Palle Danielsson, Randy Brecker, Rolf Kühn, Pierre Favre, Phil Woods, Nana Vasconcelos, Peter Warren, Monty Alexander, Woody Shaw, Nathan Davis, Eugen Cicero, Charlie Antolini, Art van Damme, Joe Pass, Eberhard Weber, Wolfgang Dauner, Albert Mangelsdorf, Heinz Sauer, Ralf Hübner, Attila Zoller, Niels Henning Orsted Pedersen, Kenny Clarke, Hans Koller, Siegfried Schwab, Gunter Hampel, Manfred Schoof, Peter Brötzmann, Jackie Liebezeit, Peter Kowald, Tony Scott, Irene Schweizer, Fritz Pauer, Steve Kuhn, Joe Turner, Jan Hammer, Billy Taylor, Joe Nay, Jim Hall, Lee Konitz, Jimmy Knepper, Freddie Hubbard, Baden Powell, Michael Naura, Wolfgang Schlüter, Peter Trunk, George Russell, Don Cherry, Lester Bowie, Karin Krog, John Surman, John Taylor, Tony Levin, Jaspet van’t Hof, Charlie Mariano, Tomasz Stanko, SUN RA, Zoot Sims und viele andere. Diese außergewöhnlich lange Aufzählung zeigt die enorme Bedeutung, die dem MPS-Label damals zukam. Schließlich gab es in den sechziger Jahren kaum auf Jazz spezialisierte Plattenfirmen. ECM wurde erst 1969 gegründet, MPS wurde zwar nur ein Jahre früher,1968, ins Leben gerufen, davor wurden aber schon viele Aufnahmen unter dem Namen SABA gemacht und auch veröffentlicht.

Alles fing damit an, dass SABA-Firmenmitinhaber Hans Georg Brunner-Schwer Oscar Peterson 1963 in sein Privathaus lockte und dort im familiären Rahmen Petersons Spiel aufnahm. Aber wie? Vollkommen neuartig und ungewöhnlich, mit Neumann-Mikrophonen ganz nahe an den Klaviersaiten montiert. So entstand ein ungeheuer dichter, intensiver Sound. Oscar Peterson war begeistert und kam von nun an jedes Jahr zu Privataufnahmen in die Villa des SABA Technikchefs HGBS, wie man ihn gerne nannte. Peterson war bis 1968 noch bei Verve vertraglich gebunden und so konnten die im Zeitraum 1964 bis 1968 entstandenen Aufnahmen erst 1968 erscheinen und wurden kürzlich in einer 4CD-Box unter dem Titel “Exclusively for my friends“ wiederveröffentlicht.

 

 

 

 

Eine letzte dringende Empfehlung aus dem Hause MPS: Eine Box, compiled by Hans Georg Brunner-Schwer “MPS Piano Highlights“. Hier sind Aufnahmen zu finden von Red Garland, Hank Jones, Cecil Taylor und vielen anderen.

 

This entry was posted on Donnerstag, 21. März 2019 and is filed under "Blog". You can follow any responses to this entry with RSS 2.0. Both comments and pings are currently closed.

3 Comments

  1. Lajla:

    Gregor, sehr spannend. Durftest du fotografieren? Wenn ja, wäre ein Foto vom Studio vielleicht in Teil 2 möglich?

  2. Gregor:

    Ja, Lajla, genau das habe ich vor.

    Ich habe sehr viele Fotos vom Studio, den Bandmaschinen, überhaupt der ganzen Technik machen können. Fotos konnte ich auch von den SABA-Ruinen machen, vom Gelände, vom Ende einer dereinst fantastischen Firma.

  3. Michael Engelbrecht:

    Ich war damals stets begeistert von unendlich vielen, hochoriginellen Plattencovern, und wenn ich die Augen schliesse, sehe ich zu allererst folgende COVER vor meinem inneren Auge:

    Chris Hinze Combination MISSION SUITE
    Joachim Kühn CINEMASCOPE
    Don Sugar Cane Harris FIDDLER ON THE ROCK
    Volker Kriegel LIFT
    Volker Kriegel MISSING LINK
    Joachim Kühn WAY OUT oder so ähnlich
    George Duke (komme gerade nicht auf den Titel, aber sehe das Cover)


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