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2016 1 Jul

Ich weiss nicht, was soll es bedeuten … Von deutschen Liedern

von: Lajla Nizinski Filed under: Blog | TB | Comments off

Meine Mutter hat mir die meisten Lieder überliefert. Ich nehme an, dass sie ihren Liedbesitz von ihrer Pfadfinderschaft erhielt. Sie pflegte in der Kueche und auf unseren vielen Wanderungen zu singen. Merkwürdigerweise verstummten diese Lieder bei mir mit dem Aufkommen der Popmusik, die sich plötzlich sehr breit machte. Es gibt allerdings ein Volkslied, das mich durchgängig bis heute in den unterschiedlichsten Lebenssituationen immer bestärkt hat: DIE GEDANKEN SIND FREI, wer kann sie erraten, … . Ich habe dieses Lied noch nie laut gesungen, aber oft klang es in mir an, wenn ich akute Situationen zu bewältigen hatte. Ich erinnere mich daran, dass ich als junge Schülerin gerne das Lied über die 5 SCHWÄNE gesungen habe und später immer an das Lied dachte, wenn ich den ergreifenden Film Wenn die Kraniche ziehen von Michail Kalatosow sah. Zu diesem Bilderlebnis gehört auch das Gedicht von Walter Flex: WILDGAENSE RAUSCHEN DURCH DIE NACHT, vertont hat es Robert Goetz 1916. Auf meinen Auslandsaufenthalten bin ich manchmal darum gebeten worden, einmal ein deutsches Lied zu singen. Zu meinem textsicheren Repertoire gehören folgende Lieder:

 

– Ännchen von Tharau (17.Jh.)
– Kein schöner Land (alte Melodie)
– Es geht eine helle Flöte ( Text und Melodie von Hans Baumann)
– Die Forelle ( Franz Schubert)

 

Oft haben die ausländischen Deutschlerner beklagt, dass wir Deutschen so wenig singen würden. Oft war es eine reine Freude, mit ihnen aufgrund ihrer unterschiedlichen Mentalitäten und Rhythmen Lieder einzuüben. Ich erinnere mich an das erotische Lied: IN DES WALDES TIEFSTEN GRÜNDEN (Rinaldo Rinaldini). Man singt es nach der Melodie von den „Drei Chinesen mit dem Kontrabass.“ Wir haben beim Singen Tränen gelacht; dabei weiss ich gar nicht, ob ihnen der doppeldeutige Text so klar war:

 

In des Waldes tiefsten Gründen – von vorn,
In den Höhlen tief versteckt – von hinten,
Schläft der Räuber aller kühnster – zum Zeitvertreib,
Bis ihn seine Rosa weckt – am Unterleib.

 

Es gibt herrliche Chansons von Ringelnatz, Kästner, Mehring, Klabund, die ich den Deutschlehrern im Ausland vorstellte. Darunter von Erich Kästner: ANKÜNDIGUNG EINER CHANSONETTE, in der die Zeile: „Kennst du das Land, wo die Kanonen blühen“, vorkommt, in spöttischer Anlehnung an Goethe. Oder von Klabund, den ich immer B. B. vorgezogen habe: „DIE HARFENJULE“ (Emsig dreht sich meine Spule / Immer zur Musik bereit …). Songs, Moritaten, Balladen von Fritz Grasshoff findet man im Deutschen Taschenbuch Verlag. Er hat mehrere Bücher dazu herausgegeben. Sehr schön DIE BALLADE VOM PARISER METRO MALER CESAR PATTE. Ich weiss nicht, ob sie vertont wurde.

 

Cesar Patte, Schnurrbartmaler,
und verblichen in Paris,
war als Mensch ein schwacher Zahler
und ein Trinker überdies,
doch als Künstler ein Immenser,
ein Genie wie Chassepot und bedeutender als Ensor
oder Michelangelo …

 

Wer mal in durchsoffener Nacht oder in Rauchschwaden schweren Kneipen in Schottland oder Irland versucht hat, die gelallten Texte der Lieder zu verstehen, der fühlt sich in den Pennergesängen von dem unvergleichlichen Günter Bruno Fuchs zu Hause.

 

LEIERKASTENLIED vom Pferdchen Krause:

 

Ich stahl ein Pferd vom Platz für dich
und führte es zu dir. Dort sprach ich fromm und feierlich:
Ich schenke dir ein Tier …

(Für Nietzsche wäre dieses Lied die Rettung gewesen :))

 

Natürlich hat Wolf Biermann „MIT MARX- UND ENGELSZUNGEN“ damals noch in der DDR gesungen. Ich habe Biermann mehrmals live gesehen. Man durfte sich meist ein Lied wünschen. Ich habe mir immer; ENFANT PERDU gewünscht und er hat es immer sehr pathetisch vorgetragen. Es ist fuer mich das schönste Wendelied:

 

Der kleine Flori Have –
Zwei-Meter-Mann, das brave
das uralt kluge Kind
Ist abgehaun nach Westen …

 

Landeskundliche Paradebeispiele sind vor allem die Lieder von Reinhard Mey. HAMM, HAUPTBAHNHOF singt er einmal quer durch die Republik. Das Lied ist zeitlos, hochaktuell. Als Düsseldorferin – mit der längsten Theke der Welt – will ich mit einem Gassenhauer schliessen, der eigentlich aus der Operette Gasparone von Milloeker entlehnt ist und es bis in die Technocharts geschafft hat:

 

MUTTER, DER MANN MIT DEM KOKS IST DA.
Mutter, der Mann mit dem Koks ist da.
Junge, halt’s Maul, ich weiss es ja.
Hast du denn Jeld?
Ich hab‘ keen Jeld.
Wer hat denn den Mann mit dem Koks bestellt?

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